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W ieso erkanntest du alles? Du verstandst viel zu schnell und das gefiel mir zunehmend weniger. Diesmal fühlte ich mich wie D.
Yumi piesackte mich den ganzen Rückweg über, worauf ich nicht einging. Mich interessierte deine Art. Leider.
Nun war ich wie D, der dir Ereignisse verschwieg und alles dafür tat, damit du nicht deine Nase hineinstecktest – und dennoch rochst du es von weitem. Nur wie?
Und wie sollte ich das weiterhin vor dir verbergen, wenn du jetzt schon eine Ahnung hattest, ohne einen Hinweis darauf erhalten zu haben?
Schon beim Parken sah ich den Streifenwagen und knurrte auf. Noch mehr Probleme brauchten wir wirklich nicht. Mein Nacken versteifte sich schon beim Aussteigen.
»Was wollen die Cops hier?«, fragte Yumi und ich antwortete ihr nicht, als ich Poppy aus dem Wagen zog. Immerhin nahm sie diesmal meine Hand. Irgendwie war sie seit dem Besuch bei dir komisch drauf. Sie stand völlig neben sich und war noch bleicher als sonst. Es waren deine Worte, Kit. Bestimmt hatte sie die Bilder meiner Taten vor Augen und für einen Moment tat es mir umso mehr leid, was ich ihr zumutete. Was für ein Wichser und wie triebgesteuert ich war.
Ich hielt ihre Hand, als wir die Villa betraten und im selben Augenblick, als ich den erzürnten, kräftigen Cop sah, den du verächtlich ›Herzchen‹ nanntest, ließ ich sie los. Hier stimmte etwas nicht.
»Wo ist er?«, wandte er sich von Calvin und Greg und stürmte auf mich los. »WO?«, brüllte er mir mitten ins Gesicht und an ihm vorbei sah ich verwirrt zu Greg.
»Er sucht seinen Kollegen.«
»Wen?«
»EDDY!«, brüllte er mich an und ich schob ihn von mir.
»Ähm … Wen?«
»Junger Cop, den Kit Frischfleisch nennt.« Ah, den.
»Keine Ahnung.« Ich zuckte mit den Schultern und fragte mich, woher ich das wissen sollte.
»Er war zuletzt hier und danach ist er nicht mehr auf dem Revier aufgetaucht!«
»Er war hier?«, fragte ich und dachte kurz nach.
»Hast du vergessen? Er wollte Spuren sichern, weil dieser Russe umgekommen ist«, erläuterte mir Calvin und da fiel es mir ein.
»Umgekommen? Er wurde ermordet und Eddy hatte eine Spur, die direkt nach hier führte!« Als wäre er so clever … Deshalb entgegnete ich:
»Es stand ja auch fett gedruckt auf einem Plakat, welches der Tote am Hals baumeln hatte.« Das Lächeln konnte ich mir nicht verkneifen.
»Wer seid ihr überhaupt? Ich will eure vollständigen Personalien!«
»Karl, beruhige dich«, kam uns Calvin endlich zu Hilfe. »Sie gehören zu mir und Eddy hat die Villa verlassen. Putzmunter. Ich habe ihm meine Unterstützung zugesagt und das gilt auch für dich. Er taucht wieder auf, vielleicht ist er demjenigen ja auf der Spur.« Er klopfte dem Cop auf die Schulter und begleitete ihn höflich, jedoch auch drängend hinaus, während Greg mich schief ansah. Immerhin waren meine Probleme ausradiert. Zumindest, was den toten Russen anging.
»Was geht hier vor?«, flüsterte Greg mir zu, als der Cop außer Hörweite war, und ich zuckte mit den Schultern. Dann sah er zu Yumi.
»Sag nicht, du treibst wieder dein Unwesen?«
Sie schüttelte nur den Kopf. Ich traute ihr zwar einiges zu, aber der junge Cop ging sicher nicht auf ihr Konto.
Ich schob Poppy an Greg vorbei und ging mit ihr zur Küche. Sie brauchte sichtlich einen Kaffee oder etwas Härteres. Denn bebte neben mir ihr ganzer Leib. Was war nur los mit ihr?
Kurze Zeit später machte sie mir Sorgen. Sie saß am Tisch, die Hände beide an der kleinen Tasse und zitterte wie Espenlaub. Hatte sie sich erkältet? Nein. Sorge lag in ihrem Gesicht. Keine Angst, sondern Besorgnis. Nur warum?
Lächelnd versuchte ich, ihre Stimmung zu ändern, und fand keine Worte, die sie verstehen konnte, und auch keine Geste, um ihre Laune zu erhellen. Allein, dass es mich kümmerte, war bedenklich genug. Schlimmer wurde es nur, als ich mich gedanklich nach Mila sehnte, die Poppys Gemütszustand verbessern würde.
Nur war sie nicht hier. Wo trieb sie sich eigentlich rum?
Zu meiner Erleichterung betrat zumindest Yumi die Küche, um sich mit einer Tasse zu uns zu gesellen.
»Weißt du, wo Mila ist?«
»Nop!« Laut schlürfte sie aus ihrer Tasse den Kaffee.
»Was wollte Stiletto von dir?«
»Schwangerschaftskram im Internet recherchieren.« Warum glaubte ich ihr das nicht? Ach, stimmte ja, weil du dich überhaupt nicht für deine Schwangerschaft interessiertest und allem, was damit zu tun hatte, aus dem Weg gingst.
»Was genau?«, horchte ich misstrauisch nach.
»Adam, hör auf, mich einem Verhör auszuliefern. Das geht dich nichts an! Das ist Kits und Colts Sache.«
»Und deswegen verbirgt sie es auch vor ihm?«
»Bitte, Adam, es ist ihr Körper. Lass mich in Ruhe. Ich habe andere Probleme.«
»Zum Beispiel?«, ließ ich nicht locker. Was sie noch richtig abfuckte und weshalb sie die Tasse lautstark absetzte.
»Vielleicht die Kommunikation mit ihrem Vater?« Sie nickte zu Poppy und diese sah auf, als hätte sie gespürt, dass man über sie redete. »Das ist nicht so einfach. Er will Details. Er will Bilder von ihr. Er will ein Lebenszeichen und, und, und.«
Ich zückte das Handy, machte ein Foto von dem Porzellanmädchen neben mir und schickte es direkt an Yumi.
»Da hast du eins. Schick es ihm und mach den Deal fest.«
In dem Moment fiel Poppys Tasse aus ihren Händen und der Kaffee verteilte sich auf der Tischplatte. Ruckartig sprang sie auf und lief hinaus.
Was zum …? Ich verlor keine Zeit und rannte ihr hinterher. Ich konnte sie gerade an der Haustür ergreifen. Mit Händen und Füßen wehrte sie sich gegen mich und ich musste ihr die Arme auf dem Rücken verschränken, damit sie nicht weiter auf mich einschlagen konnte. Was war nur in sie gefahren, wo sie kurz zuvor so neben sich gestanden hatte?
Ich drückte sie voran, während sie sich immer noch wehrte. Dann beschloss ich, sie loszulassen und sofort auf meine Schulter zu heben. Sie schlug auf meinen Rücken, als ich sie die Treppe hinauftrug. Das hatte keinen Sinn. Sie musste sich beruhigen.
»Was ist nur los, Poppy?«, fragte ich sie mit dem Wissen, dass sie mich doch nicht verstand. Oder doch?
Sie hatte erst auf Yumis Worte reagiert. Tausend Gedanken schossen mir durch den Kopf. Die Nächte, wo ich mit ihr gesprochen hatte. Sie verstand mich, oder?
In meinem Zimmer warf ich sie aufs Bett, ging direkt zur Kommode, um eine vorgefertigte Spritze zu holen, und obwohl sie sich wie wildgeworden sträubte, spritzte ich ihr das Beruhigungsmittel unter die Haut.
Von ihr ließ ich erst ab, als ihre Glieder erschlafften, und dann betrachtete ich sie genauer.
Im Schlaf reagierte sie eindeutig auf mich. Nicht auf meine Berührungen, sondern auf meine Worte.
Um aber sicher zu sein, musste ich es testen.