37
S chwer atmend und mit schweißbedeckter Haut ließ ich mich neben ihr auf die Matratze fallen. Ich konnte kaum begreifen, was gerade passiert war. Ich war in ihr gewesen. Und sie war gekommen. Mit einer gewaltigen Enge, die ich noch nie zuvor gespürt hatte, hatte sie durch mich den Höhepunkt erlangt. Und sie hatte es gewollt.
Der Heilige Gral.
Das, wonach ich immer gestrebt hatte. Das Empfinden, eine Unberührte, die sich mir hingab, komplett auszukosten. Es war atemberaubend gewesen. Mein Lächeln vertiefte sich, als sich ihr Schock auf ihren Gesichtszügen ausbreitete. Obwohl sie nach Luft rang, bedeckte sie ihren schutzlosen Körper mit der Decke. Umwerfend schön wich ihr die leichte Röte aus dem Gesicht und die kalte Bleiche kehrte in ihre Wangen zurück. Wahrscheinlich wurde ihr bewusst, dass sie nicht schlief, nicht träumte und mir bewiesen hatte, dass sie durchaus unsere Sprache beherrschte. Da sie nicht nur auf all meine Worte reagiert, sondern auch mit ihrer zerbrechlichen Stimme geantwortet hatte.
Aber im Moment konnte ich mir noch keine wirklichen Gedanken über die Konsequenzen machen, die ihr deswegen bevorstehen würden. Denn noch immer schwebte ich in ihrem Duft.
Längst war die Sonne aufgegangen, erhellte den Raum und ich zog das einzigartige Mädchen in die Arme. Wie erstarrt blieb sie an mir gefangen, als ich den betörenden Duft von Reinheit und Besitz an ihrem rötlichen Haar in mich aufnahm.
Es dauerte eine Zeit, bis sich meine Gedanken sortiert hatten und ich sie zu mir umdrehte, damit ich in ihre grünen Augen sehen konnte.
»Du verstehst mich«, begann ich und keine Reaktion war zu erkennen. »Die ganze Zeit über hast du jedes Wort verstanden.« Ausdruckslos sah sie mich an, so wie sonst auch. Was mich leicht erzürnte.
»Tu nicht so, Poppy. Du beherrschst unsere Sprache.« Noch immer nichts. Ich richtete mich etwas auf, nagelte sie mit meinem Blick fest und riss mich zusammen, als ich: »Sag, dass du mich verstehst!«, knurrte. Anstatt mir zu antworten, veränderte sich nur ihr Ausdruck. Sie ängstigte sich.
Sollte sie auch. Schließlich hatte sie uns alle getäuscht und das gewaltig.
»Poppy!«, wurde ich fordernder und kam ihrem Gesicht näher. »Sag es!«
»Da.« Sie nickte zaghaft. »Da.« Sie verarschte mich.
»Du wolltest mich.« Viel zu dunkel erklang meine Stimme und die Angst in ihren Augen wurde offensichtlich.
»Da.« Sie nickte erneut, gefolgt von ein einem weiteren: »Da.«
Wieso tat sie das nur? Neben ihr liegend zog ich mir die Hose hoch, die mir noch in den Kniekehlen gehangen hatte und schaute sie an.
»Mach mir die Hose zu!«
»Da.« Wieder ein Nicken. »Da.« Sie rührte sich jedoch nicht, erwiderte nur angsterfüllt meinen zornigen Blick.
»Dann tu es!«
»Da.« Ich stoppte umgehend ihr Nicken mit den Händen an ihren Wangen.
»Hör auf, mich zu verarschen! Du verstehst mich!«
»Da.«
»Dann antworte mir richtig!«
Sie schluckte und ich hatte schon Hoffnung, dass sie das Wirrwarr in meinem Kopf beenden würde, doch sie sprach noch zerbrechlicher: »Da.«
Tat sie nur so, oder hatte ich mir alles bloß eingebildet?
War ich so in meiner Lust gefangen gewesen, dass ich geglaubt hatte, sie sprechen zu hören, oder spielte sie mit meinem Verstand?
Ich wusste es nicht, Kit. Das Ganze verwirrte mich. Zu oft vermischte sich die Realität mit meinen Träumen, sodass ich jetzt nicht klardenken konnte. Hatte ich sie missbraucht? Oder täuschte sie mich weiterhin?
Meine Gedanken kreisten und ich sprang aus dem Bett, um mir selbst klarzuwerden, was hier gerade vor sich ging, nur konnte ich es nicht benennen.
Haareraufend sah ich zu dem Elend im Bett, das sich am Kopfende zusammenknäulte und die Finger fest ins Laken krallte. Sie fürchtete sich. Sie muss mich verstanden haben, sie hatte geantwortet. Oder wollte ich nur, dass sie unsere Sprache nutzte?
»Du hast mir geantwortet!«, brüllte ich sie an und zeigte auf sie. Sie zuckte, als hätte ich sie geschlagen. Tatsächlich wollte ich ihr gerade die verfickte Wahrheit aus der Kehle prügeln. Mit geballten Fäusten unterdrückte ich diesen Drang und ließ sie nicht aus den Augen.
»Sag es!«
Doch kein Ton verließ ihre Lippen. Ängstlich erwiderte sie den Blick und ich konnte die Unwissenheit in ihrem Ausdruck ablesen. Sie verstand mich nicht.
Nicht ein verficktes Wort.
Stumm stand ich da und konnte nicht fassen, dass ich mich ein weiteres Mal an ihr vergangen hatte. Dass mein Trieb, mein Schwanz, mein unbeschreibliches Verlangen nach dieser Frau mir den Kopf so zerfickten, dass ich halluzinierte.
»Fuck!«, brüllte ich und es klopfte.
»Adam?« Verfickt! Nun stand ausgerechnet Riley vor der Tür, was ich nicht gebrauchen konnte! Nicht jetzt! Nicht, wo ich so fertig war!
»Ja?« Die Tür öffnete sich und er kam rein. Sein Blick fiel unmittelbar auf das Häufchen in meinem Bett.
»Was macht Poppy hier? Und …« Er brach ab, betrachtete mich und meine geöffnete Hose sowie meine zerzausten Haare.
»Scheiße, Adam. Du hast doch nicht etwa …?« Die restlichen Worte verkniff er sich, weil selbst er es nicht aussprechen konnte. Ich antwortete nicht, was ihn sofort in Rage versetzte. »Adam, bist du noch ganz dicht? Sie ist ein Kind!«
»Nein. Ist sie nicht. Sie verarscht uns.« Ich strich mir bei meinen ruhigen Worten durchs Gesicht und wusste wirklich nicht, inwieweit sie uns verarschte. Ich war mir noch nicht einmal mehr sicher, ob sie wirklich die Praskowja war, die ich auf Calvins Laptop gesehen hatte. Genau in jenem Moment beschloss ich, Calvin darauf anzusprechen. Ich brauchte mehr Klarheiten.
»Was erzählst du da?«
»Ich erkläre es dir, wenn ich mehr weiß«, winkte ich ab. »Was willst du?«
»Desi wartet, wir müssen alles ein letztes Mal besprechen, bevor es losgeht.«
Ich nickte müde und zeigte zur Tür.
»Ich komme gleich runter.«
Riley sah noch einmal auf die verstörte Poppy und verließ dann kopfschüttelnd den Raum. Bevor er die Tür hinter sich schloss, schaute er zu mir und flüsterte ungewöhnlich ernst: »Hast du sie vergewaltigt?« Darauf konnte ich schlecht etwas sagen, daher drückte ich zur Antwort die Tür zu, damit er verschwand und mich mit dem Gefühlstumult allein ließ.
Ich warf nur einen kurz Blick auf Poppy, bevor ich in die Dusche stieg. Und da wurde es mir klar. Als das heiße Wasser meinen nackten Körper traf und den Nebel fortnahm, erkannte ich es.
Durch die Schuldgefühle, die mich deswegen plagten, weil ich sie am Anfang wirklich missbraucht hatte, wurde ich geblendet. Ich hatte ihre Lust gefühlt, ihre Stimme gehört und ihre Worte verstanden. Das hatte ich mir nicht eingebildet. Das war unmöglich. Sie täuschte mich, denn ihr war klar, dass wir sie ausfragen würden, sie foltern müssten, um alle Information zu bekommen, die wir brauchten. Dabei sollte ihr klar sein, dass ihr Tod längst besiegelt war. Schließlich hatte ich dies bereits gesagt.
Während ich den Schaum von meinem Körper spülte, überlegte ich mir, wie ich nun mit diesem Wissen umgehen würde und wie ich zu handeln hatte. Für den Anfang könnte ich ihr kleines Spiel mitspielen und sehen, wohin mich ihre Lügen führen würden.
Als ich ins Zimmer trat, deutete ich mit einer Handgestik an, dass sie ins Bad sollte, und lächelte. Nicht nur, weil sie darauf reagierte, sondern auch weil sie scheinbar glaubte, ich traute ihrem Verhalten. Auf weichen Knien tapste sie ins Bad, derweil zog ich mich an. Ich sollte meine Konzentration nicht an diese Märtyrerin verschwenden. Denn heute stand Großes bevor. Wir würden Detroit übernehmen. Komplett. Ein für alle Mal. Damit ich schneller nach unten zu Desi, der süßen Dunkelhaarigen, die unsere Söldner mit dem kleinen Finger anführte, kam, suchte ich Poppy, deren roter Schopf mich an eine Mohnblume erinnerte, Kleidung aus dem Karton.
Damit bepackt öffnete ich die Tür, hinter der mich der heiße Dampf, welcher den Geruch von Tod mit sich trug, daran erinnerte, hier sauberzumachen. Ordentlich gefaltet legte ich die Kleidungstücke auf den kleinen Schrank und warf einen Blick zu ihr rüber. Scheinbar merkte sie meine Anwesenheit nicht, obwohl die offene Tür die feuchte Wärme entweichen ließ. Mir den Rücken zugewandt betrachtete ich eingehend ihre weiße Haut, wo sich das Wasser perlte und über ihre einladenden, breiten Hüften hinabrannte. Den Kopf legte ich schief, als mein Blick auf ihren runden Hintern fiel, gemeinsam mit den zwei senkrechten Einkerbungen direkt über ihrem Po. Süße, kleine Grübchen, passend zu meinen. Rasch verwarf ich meine Obsession und verließ das Bad, bevor ich auf die Idee kam, mich ihr zu nähern. Das Geschehene und ihr Verhalten, begleitet von ihren Täuschungen, unterstrichen nur, wie verboten sie für mich war und dass meine Spielchen, ihr nachts den Schlaf zu versüßen, schlussendlich aufhören mussten. Letztlich bestrafte ich mich damit nur selbst, weil jede ihrer Reaktionen mich immens reizte und ich mich vergaß. Ich alles um mich herum außer Acht ließ.
Nachdem ich das Bett gemacht und gelüftet hatte, da der Raum nach unserer Geilheit stank, kam sie endlich aus dem Bad. Verunsichert knetete sie die kleinen Fingerspitzen und noch immer stand ihr die Furcht ins Gesicht geschrieben. Spielte sie das auch nur vor, oder merkte sie, wie nah sie am Abgrund stand?
Letztlich war es nicht von Bedeutung, denn meine Antworten hatte ich schon längst. Ich wusste ebenso von ihrem Vorhaben und von ihrer Person. Das einzige Fragwürdige war nur noch, wie sie es in den LKW geschafft hatte. Nur war es keine Frage, deren Lösung mich tangierte. Gleichermaßen klärte sich damit, wer den LKW angegriffen und warum sie überlebt hatte. Schlagartig wurde es mir bewusst. Lächelnd trat ich auf sie zu, begeistert davon, wie sich nun alles fügte und wie leicht Ds Plan nun umzusetzen war.
Sanft legte ich meine Finger um ihren Oberarm, hielt sie in einem Griff, der sie erschaudern ließ, und verlor mich für eine Sekunde in ihrer verlogenen Reinheit. Dann gehorchte sie meinem stummen Befehl, ihr zu folgen, da ihr gefangen in meiner Hand nichts anderes übrigblieb. Die Machtverhältnisse hatten sich verschoben, denn sie war längst nicht mehr die Einzige, die verstand, was hier geschah. Und ich konnte ebenso gut Unwissen vortäuschen wie sie.
Gemeinsam gingen wir hinunter zur Küche. Bevor ich mich Riley stellen müsste und den Tagesplan mit Desi und Greg durchgehen würde, benötigte ich einen starken Kaffee.
Leider warteten sie genau dort auf uns, was mich zunächst wunderte. Schließlich durfte Calvin nichts von unserem Vorgehen erfahren, solange er die Dokumente nicht unterschrieben hatte. Allerdings war er auch nirgendwo zu sehen. Nur die kleine Mila hockte auf der Anrichte, wie du es so oft tatst. Natürlich sprang sie sofort auf, als sie Poppy sah, und umarmte sie.
»Oh, ich habe dich so vermisst.« Und die Lügnerin antwortete ihr nicht, legte nur ihre Arme um sie. Unfassbar, das Ganze, Kit. Ich schüttelte den Kopf und setzte mich, um mir direkt einen Kaffee einzuschenken.
»Also, Desi, hast du alles vorbereitet?«, schoss ich direkt los und sie lächelte diabolisch.
»Selbstverständlich.« Sie rückte noch mal kurz ihre Brille gerade, bevor sie zu den beiden Frauen linste. »Die Männer warten nur auf euren Befehl. Sie haben sich bereits aufgeteilt.«
»Gut, wann kommt D?« Ich sah zu Greg.
»Wie geplant zum Abendessen.«
»Ihr glaubt wirklich, dass es klappt?«, fragte Riley und schaute zu Mila. »Mila, geh doch mit Poppy ins Wohnzimmer.« Was mir zwar im ersten Moment nicht gefiel, weil ich mir nicht sicher war, ob Mila nicht in der ganzen Geschichte rund um Poppys angebliche Sprachbarriere mit drinhing, aber für dieses Gespräch war es eindeutig sinnvoller.
»Weißt du, wenn du so nett bist, bleibe ich gerne mit Pascha hier.« Breit grinsend folgte: »Ich habe nämlich das Gefühl, euch sind zu viele Ohren anwesend.«
Womit sie recht hatte. Riley setzte einen Schritt auf sie zu, legte die Hand in ihren Nacken und schob ihr Gesicht direkt vor seins. Verwundert beobachtete ich weiterhin, wie er ihr eine der lilanen Strähnen hinters Ohr schob und ihr etwas zuflüsterte. Stirnrunzelnd drückte sie ihn weg und beäugte ihn misstrauisch.
»Okay«, sagte sie dann schließlich und sogleich fragte ich mich, was er ihr mitgeteilt hatte und ob er überhaupt wusste, dass da etwas mit Mila und Poppy im Gange war. Wahrscheinlich und trotzdem schien er genügend Macht über den Wirbelwind zu haben, denn sie hakte sich kurz darauf bei Poppy ein und verließ mit ihr gemeinsam die Küche, während Riley sich zu uns an den Tisch setzte.
»Was hast du zu ihr gesagt?«, wollte ich wissen und Riley lächelte böse.
»Berufsgeheimnis.« Ah ja.
»Weißt du, dass …«
»Können wir fortfahren? Ich lasse Mila ungern aus den Augen, mit der stimmt etwas nicht«, unterbrach mich Greg und setzte sich direkt neben Riley, gegenüber von mir und Desi.
»Ok.« War ohnehin nicht wichtig. Der Goldjunge würde es früh genug checken.
»Also, wir essen hier zu Abend, feiern vermeintlich Kits Geburtstag und während sie auf Familie machen, verpissen wir uns und fahren zu dem Mitarbeiter?«, erläuterte Riley noch einmal den Plan. »Aber wir kennen unsere Stiletto, die eben nicht auf heile Sippe macht. Was macht D so sicher, dass es funktioniert und sie nichts schnallt?«
»Weil die Kinder hier sind«, erinnerte Greg unser Küken daran, dass du deiner Familie besonderes Augenmerk widmetest.
»Ich habe ein schlechtes Gefühl bei der Sache, du nicht, Greg?«
»Doch. Hab ich, aber jetzt ist es zu spät, um es aufzuhalten. Nicole rief eben an. Ich habe sie genötigt, die Papiere direkt vorbeizubringen.«
»Persönlich?«, hakte ich nach.
»Ja. Ich will keine Probleme mehr, Adam. Wir haben genügend davon. Niemand weiß von Nicole. Also ist es am besten, wenn sie die Dokumente vorbeibringt.«
»An Weihnachten?«
»Ja, Adam! An Weihnachten! Sie arbeitet für uns.«
Greg konnte also auch ein Arsch sein, wenn es gefragt war.
»Gut, wenn dann alles geklärt ist …« Desi stand auf. »… halte ich Funkkontakt zu den Männern und ihr gebt mir das Signal, wenn es losgeht.«
»Gut«, bestätigte Greg.
»Eine winzige Frage noch«, wandte Desi ein. »Werden Ausnahmen gemacht?«
Da ich keine Antwort darauf wusste, enthielt ich mich genauso wie Riley. Nur Greg schaute aus dem Fenster, strich sich nachdenklich übers Kinn und sah anschließend, als er wohl eine Antwort gefunden hatte, zu Desi.
»Nein.«
»Was ist, wenn sie für uns arbeiten wollen? Wäre es nicht sinnvoll, sie dann am Leben zu lassen?«, hinterfragte Riley und ich kannte bereits die Antwort darauf. Da wir nun mal immer nach einem Prinzip arbeiteten.
Greg lehnte sich zurück. »Desi, du hast deine Antwort.« Sie nickte und verließ die Küche. Dann wandte sich Greg zu Riley:
»Wir haben unsere Söldner, die Frauen und wir weihen keinen weiteren ein. Je mehr Leute …«
»… desto größer die Gefahr auf Revolte, Verstrickungen, Verrat«, beendete Riley den Satz und erinnerte sich wohl an unsere Vorgehensweise. »Das ist mir schon klar, ich denke nur daran, was wäre, wenn wir Männer verlieren?«
»Dann rekrutieren wir andere Söldner und sicher keine Männer, die Kit gegenüber loyaler sind.«
Riley nickte und hatte es anscheinend verstanden.
»Wenn das dann geklärt ist …« Ich trank einen letzten Schluck aus meiner Tasse und stand auf. »… sehe ich nach den Mädels, denn auch ich lasse die zwei nicht gerne aus den Augen. Mit beiden stimmt nämlich etwas nicht.«
»Was meinst du?«, fragte Greg misstrauisch. »Sie ist ein armes Mädchen, die ihrer Familie entrissen wurde, um entweder auf dem Strich oder hier bei Verbrechern zu landen, die sich permanent an sie ranmachen!« Womit ich scheinbar gemeint war.
»Adam meint, sie sei kein armes Mädchen und sie würde uns verarschen.« Na toll, damit erweckte er Gregs Misstrauen nur noch mehr und gleichermaßen auch seinen Beschützerinstinkt. Bevor er mir jedoch mit Letzterem so richtig auf die Pelle rückte, winkte ich ab.
»Es ist nur ein Gefühl.«
»Ein Gefühl?« Da war es. Das große Misstrauen.
»Ja, Greg.«
»So etwas hast du? Gefühle?«
»Ja, habe ich!« Ich schüttelte den Kopf und verließ den Raum, sogleich erkannte ich aber, wie Männer große Boxen durch die Flure schoben, weshalb ich rückwärts in die Küche ging.
»Ähm, Leute? Was geht hier ab?« Ich zeigte zum Flur, während ich meine Freunde ansah, und sie standen umgehend auf, um mit mir gemeinsam die Männer zu beobachten, die in Richtung des Wohnzimmers spazierten, und die Frauen, die wie aufgescheucht mit Alkoholflaschen und Geschenken hin und her liefen.
»Was geht denn hier vor?«, fragte nun Greg.
»Das sieht aus, als würden sie die Villa für eine Fete herrichten«, merkte Riley an und ich konnte das nur bestätigen. Dennoch fragte ich: »Ich dachte, es findet nur ein Essen statt? Weihnachten trifft Geburtstag, Familie und so?«
»Wer sagt das? D?«, fragte Greg und holte sein Handy heraus. Nur um dann kurz darauf zu sagen, dass er es ausgeschaltet hatte.
Damit würdest nicht nur du überrascht werden, sondern auch unser cleverer Dean gleich mit.
»Und jetzt?«, horchte Riley nach.
»Alles wie gehabt«, übernahm Greg das Antworten, weil auch nichts anderes zur Wahl stand. Nickend machte ich mich auf die Suche nach Poppy und fand sie im Wohnzimmer. Anscheinend hatte Riley deine Schwester besser im Griff als ich Poppy oder D eben dich.
Von weitem beobachtete ich die zwei, in der Hoffnung, somit in meiner Annahme bestätigt zu werden, dass ich nicht verrücktgeworden war und mir ihre verständlichen Worte nicht eingebildet hatte. Leider sprach nur Mila. Sie erzählte von dir, Kit. Davon, dass heute dein Geburtstag war, während sie etwas in Geschenkpapier einpackte. Immer wieder lächelte sie zu ihr rüber. Ihr Blick ließ erkennen, wie viel Poppy ihr bedeutete – zum Leidwesen von Riley. Was wiederum wirklich merkwürdig war, da zwischen ihm und Mila auch etwas lief. Das war eindeutig.
Ich lehnte mich seitlich an der Wand an, hielt den Blick auf die zwei gerichtet und mir fiel auf, dass Mila auch viel mit den Händen gestikulierte, so als wollte sie Poppy etwas verständlich machen. Ihr machte es auch nichts aus, keine Antwort zu bekommen und nur einen verständnislosen Blick zu ernten, wie ich ihn immer von Poppy bekam.
Das bestätigte nur meine Verrücktheit. Und das, Kit, gefiel mir nicht. Ich musste dringend mit Calvin sprechen. Nur … wo war er? Obwohl mein Inneres sich nicht von der Rothaarigen lösen wollte, stieß ich mich ab und suchte nach C. Mein erster Weg führte mich zu seinem Büro, wo ich ihn auch direkt antraf.
Hinter dem Schreibtisch schaute er von diversen Papieren auf, lehnte sich bei meinem Anblick zurück und zeigte zum Stuhl ihm gegenüber.
»Setz dich, Adam.«
Hinter mir schloss ich dir Tür und befolgte seine Worte.
»Störe ich?«
»Nein. Heute ist ein besonderer Tag.« Wie recht er damit hatte, wusste er noch lange nicht. »Kittys Geburtstag muss großartig werden. Gerade jetzt. Sie muss wieder zu sich finden.«
»Ja … was das betrifft …«, ich strich mir eine Haarsträhne aus der Stirn und lächelte schief. »Ich dachte, es wird ein Essen?«
C lachte los. »An Kittys Geburtstag? Nur ein Essen?«
»Also wird es eine Party geben?«
»Selbstverständlich. Wir feiern diesen Tag. Entweder in ihrem Trailer oder eben hier. Nur ist Bonny noch immer in ihrem Zuhause.«
»Sie hat ein eigenes Haus«, erinnerte ich ihn.
»Versteh mich nicht falsch, Adam. Mit Sicherheit wohnt sie da, aber bis Kitty es zu ihrem Zuhause erklärt, dauert es sicher noch. Dean wohnt auch dort.«
»Sie sind verheiratet.«
»Auf dem Papier, ohne dass Kitty es weiß.«
»Sie trägt seinen Ring.«
»Lassen wir das, Adam. Ich bin mir sicher, dass Kitty ihn liebt und dass sie irgendwann eine Familie werden. Ich würde es mir wünschen, nach allem …« Er schaute gedankenverloren aus dem Fenster. »… nach allem, was noch passieren wird.« Damit meinte er Ds Plan und ich war mir da nicht mehr so sicher. Dann sah er wieder zu mir, lächelte und fragte: »Du bist nicht deswegen hier, oder?«
»Nein.«
»Wie kann ich dir helfen?«
»Poppy.«
»Wer ist Poppy?«
»Praskowja Sokolov.«
Er runzelte die Stirn. »Ich verstehe nicht.«
»Die Tochter von Dimitrij Sokolov.«
»Okay, aber ich weiß nicht …«
»Ich rede von den Informationen auf deinem Laptop. Ja, ich habe es gesehen. Ich hatte nach Poppy gesucht und dein Laptop war offen und auch die ganzen Fenster. Mir ist die Ähnlichkeit zu Anastasija direkt aufgefallen und ich habe mich da durchgeklickt. Ja, es tut mir leid. Aber nichtsdestotrotz lebt hier die Tochter der Smirnow-Bratwa. Und ich muss wissen …«
»Was?«, unterbrach er mich mit aufgerissenen Augen.
»Auf was genau bezieht sich dein ›Was‹?«
»Auf alles, Adam. Ich weiß nicht, wovon du sprichst.« Aufrecht saß er nun angespannt auf dem Bürostuhl und beugte sich misstrauisch zu mir. »Fangen wir von vorne an. Was für Informationen meinst du?«
»Die auf deinem Laptop.«
Calvin schüttelte den Kopf. »Adam.« Er breitete die Arme aus. »Siehst du hier irgendwo einen Laptop?«
Ich schaute mich um und runzelte verwirrt die Stirn. »Nein.«
»Weil hier nie einer steht. Der ist auf meinem Zimmer, eingeschlossen in einem Safe.« Da klappte mir den Mund auf. »Du sagst also … hier stand ein Laptop mit offen zugänglichen, vertraulichen und brisanten Informationen über Dimitrij?«
»Ja«, stockte ich und verstand, worauf er hinauswollte. Dennoch fuhr er fort:
»Warum sollte ich so etwas offen stehen lassen? Für wie dämlich hältst du mich? Aber ich sag dir, für wie dämlich ich dich halte, denn, mein Freund, nicht ich sollte das sehen, sondern du! Also was genau hast du herausbekommen, was man dir zeigen wollte?«
Ich schluckte und versuchte, mich zu sammeln.
»Dass unser Gast die Tochter von ihm ist.«
»Die Ähnlichkeit ist mir durchaus aufgefallen. Aber sie ist tot. Seine Tochter ist tot.«
»Das weiß ich auch, das fand ich auf dem Laptop. Aber das ist nur Show, damit man sie hier einschleusen konnte.«
»Sie ist seit zehn Jahren tot, Adam. Das Mädchen ist erst seit einigen Tagen hier. Ich war damals auf ihrer Beerdigung.«
»Du warst da?«
»Wir sind befreundet.« Oder eben nicht, sonst würde sie nicht etwas gegen ihn suchen. Vielleicht wusste C auch nichts von der Fehde und würde es erst nach einem Angriff seitens der Smirnow-Bratwa erfahren. Schließlich waren sie für ihre Stille bekannt.
»Adam, die Ähnlichkeit ist vorhanden. Aber sie ist es nicht, denn die Tochter wäre jetzt weitaus älter.«
»Sie kann mit dem Alter gelogen haben.«
»Natürlich. Sie sieht auch nicht wie fünfzehn aus. Dennoch wäre es … ich rufe Dimitrij an.« Verfickt!
»Nein, warte!« Er durfte es nicht, ich hatte einen verfickten Deal mit ihm ausgemacht. C beäugte mich skeptisch. »Warten wir noch diesen Tag ab. Wir müssen uns auf Kitty konzentrieren.«
Er lehnte sich wieder zurück und nickte. »Du hast recht.«
Ich stand auf. »Dann hat sich ja alles geklärt.«
»Moment noch, Adam.«
»Ja?«
»Eddy wird immer noch vermisst.«
»Eddy?«
»Der junge Polizist. Adam. Wenn du oder deine Freunde etwas damit zu haben, wäre es gut, davon in Kenntnis gesetzt zu werden. Vor allem, wenn ich die Dokumente unterzeichnen soll.«
Warum fragte er mich das? »Nein. Keiner von uns.«
»Mh«, machte er und schaute wieder so nachdenklich zum Fenster.
»Was glaubst du?«, hakte ich nach.
»Ich glaube, dass Kitty ihn verschwinden lassen hat.«
Du? Warum solltest du?
»Sie war vor einigen Tagen im Revier mit Saltos unterwegs gewesen.« Und das, obwohl dir D am Hintern klebte. Dafür schätzte ich dich umso mehr.
»Sie will sicher wissen, wie das alles mit dem LKW zusammenhängt«, dachte ich laut.
»Ja. Und ich glaube, der junge Polizist war ihr ein weiteres Mal in die Quere gekommen. Wenn das der Fall ist, kann ich nicht unterzeichnen, bevor es nicht geklärt ist.« Was ein Ding der Unmöglichkeit ist.
»Wieso nicht? D beschützt sie mit allem, was er hat, genauso wie wir.«
»Nein, das ist etwas, was ich klären muss. Auch mit ihr. Und erst recht mit der Polizei.«
Das konnte nicht wahr sein.
»Ich regle das.«
»Was denn genau, Adam?«
»Wer für sein Verschwinden verantwortlich ist. Kit hat D am Hintern, sie konnte es nicht gewesen sein«, nahm ich dich in Schutz. »Unsere IT-Spezialistin kann da helfen. Außerdem ist sie dafür bekannt, Männer zu entführen, wenn diese ihren Geschmack treffen. Wer weiß, vielleicht hat sie etwas damit zu tun?« Beim Aussprechen wusste ich schon, dass es keine gute Idee gewesen war, ausgerechnet Yumi die Entführung zuzuschieben. Nur durfte ich den Plan von D nicht gefährden.
»Gut. Tu das. Und finde raus, auf welchem Laptop du die Information einsehen konntest.« Stirnrunzelnd nickte ich und verließ den Raum. So eine verfickte Scheiße. Ich musste zu Yumi.