45
» W o ist sie?«, schrie D durch den Hörer und trotz der lautstarken Musik um mich herum schepperte das Gebrüll in meinen Ohren.
»Wenn ich das wüsste, müsste ich sie ja nicht suchen!«
»Warst du schon im Keller? Im Waffenraum? Vielleicht hat sie etwas gemerkt.«
»Warum suchst du sie nicht?« Denn ich musste Poppy suchen. Mit dir an meiner Schulter, konnte ich schlecht auch noch sie suchen und in Sicherheit bringen. Denn ich war nicht bereit, den Heiligen Gral für so einen verfickten Plan zu opfern, der auch hätte anders laufen können. Ich fragte mich ohnehin schon, warum er euch ohne dein Wissen verheiraten ließ, um dann doch auf bestialische Art das Land an sich zu reißen. Aber D war schon immer kompromisslos und jetzt war auch nicht der richtige Zeitpunkt, um ihn darauf hinzuweisen.
»Ich muss Nicole finden, sie hier rausschaffen und klären, ob C nun unterschrieben hat. Ohne seine Unterschrift können wir nicht zugreifen.«
»Warum nicht? Scheiß darauf!«
»NEIN! Jenny erbt es dann!«
»Hast du sie deswegen nicht auf Papier geheiratet?«
»Nein, Adam. Jenny darf keine Macht über die Geschäfte haben. Verstehst du denn nicht, was dann passiert? Sie übernimmt alles von C und dann war es das mit unseren Plänen. Ich werde sie sicher nicht für meine Ziele opfern.«
»Nur alle, die ihr lieb sind.«
»Das sind die Kinder und wir. Und nicht diese Idioten, die sie unterschätzen! Ich habe dafür keine Zeit, Adam. Einer könnte bemerken, was hier vor sich geht. Wir müssen handeln. JETZT!« Dabei war er es doch, der dich immer unterschätzte.
Immer und immer wieder.
»Riley ist in Stellung. Trick hat Mila gefunden und sie im Gartenschuppen eingesperrt und bleibt bei ihr, bis es vorbei ist. Die Männer wissen Bescheid. Greg behält die Lage in der Villa im Auge. Such Kit. Sobald ich die Papiere habe und Nicole draußen ist, helfe ich dir. Finde sie einfach, Adam. Das ist deine einzige Aufgabe. FINDE SIE!« Er legte auf und ich musste eine Entscheidung fällen.
Du oder Poppy.
Nur konnte ich das eben nicht. Ich hatte nicht vor, Poppy zurückzulassen. Wahrscheinlich würde ich es nicht zugeben, aber sie bedeutete mir etwas. Vielleicht war es auch nur wegen meinen eigenen Plänen. So oder so musste ich sie finden. D würde nicht den Befehl geben, solange du nicht in Sicherheit warst. Also verließ ich mich auf die Besessenheit von D und suchte Poppy weiter.
Immerhin wusste ich nun, dass sie nicht bei Mila war, und ich überlegte, wo sie sich verstecken könnte. Ich nahm die Treppen nach oben und jagte von Raum zu Raum. Jede Tür öffnete ich und die Zeit tickte lautstark in meinen Ohren. Falls D dich nämlich zufällig zuerst antraf, wäre die Suche vorbei. Er würde den Befehl geben und ich würde sie verlieren. Ich brauchte eine Ewigkeit, um alle Räume zu durchsuchen, und als ich am letzten Zimmer bei den Huren ankam, schnürte mir die Verzweiflung die Luft ab. Ich wischte mir den Schweiß vom Gesicht und dachte nach.
D hatte nicht erwähnt, ob Mila allein bei Trick war oder nicht. Voller Hoffnung, dass meine zerbrechliche Mohnblüte bei unserem tätowierten Irren war, rief ich ihn an.
Mila schimpfte im Hintergrund, als er abhob.
»Mach mich los, Trick! Was ist nur in dich Gefahren?«
»Ja?« Er schien nicht auf Mila zu reagieren, weshalb sie sich weiterhin beklagte. Scheinbar hatte er sie fesseln müssen.
»Hey, Trick. Ist Mila allein bei dir?«
»Was?« Durch das Geschrei von deiner Schwester verstand er mich nicht.
»Ist Poppy bei dir?«
»Moment, Adam. Ich versteh dich nicht. Ich klebe Mila eben den Mund zu, bleib dran.«
Woraufhin sie erst recht schrie: »Wehe, Trick! Was ist hier los?«
»Alles gut, Süße. Ich passe nur auf dich auf.« Kurz drauf wurde es ruhiger und Trick meldete sich wieder.
»Was kann ich für dich tun?«
»Ist Mila allein bei dir?«
»Ja.«
»Ist Poppy nicht bei ihr?«
»Nein. Ich habe Mila im Garten aufgegriffen und direkt hier eingesperrt.« Jegliche Hoffnung zerbrach an seinen Worten in Scherben.
»Ohne Poppy?«, vergewisserte ich mich.
»Ja, genau. Warum?«
»Pass gut auf Mila auf.« Damit beendete ich den Anruf und eine neue, nie dagewesene Verzweiflung schnitt brutal durch mich hindurch, sodass ich brüllte und das Handy kurzer Hand gegen die Wand warf.
Wo war sie verfickt noch mal?
WO?
Ich starrte hinab auf mein zerbrochenes Handy und es war mir fickegal, gerade jetzt nicht erreichbar zu sein. Ich musste sie irgendwie finden, Kit.
Ich rannte los, wollte keine Zeit mehr verlieren und auf dem Rückweg zurück in die untere Etage öffnete ich ein weiteres Mal jede Tür und sah hinein, nur um festzustellen, dass meine Porzellanpuppe vom Erdboden verschluckt worden war.
Sie konnte nicht geflohen sein, oder doch?
War es möglich, dass sie unsere Planänderung genutzt hatte, um von hier zu fliehen? Mit Sicherheit hätte sie die Chance dazu gehabt.
Würde sie denn auch ohne Mila gehen? Dass sie ihr zugewandt war, konnte man nicht abstreiten. War deine Schwester deswegen im Garten? Hatte sie Poppy sogar geholfen, abzuhauen?
Alles möglich, Kit. Allerdings brauchte ich Gewissheit, dass sie nicht doch in der Männertraube war, sich auf einer Toilette versteckte oder sich woanders befand, was ihren Tod bedeuten würde.
Klarheit darüber zu erhalten, war meine oberste Priorität. Dein Leben war durch D gesichert und ihres durch mich!
Deswegen beeilte ich mich, stellte mich ans Geländer und sah hinab.
»Du suchst immer noch Kit?«, fragte Riley versteckt am Boden liegend.
»Poppy. Ich lasse sie nicht zurück.«
»Ist die richtige Entscheidung.« Das wusste ich auch ohne ihn.
»Nur finde ich sie nicht. Ich habe schon überlegt, ob sie mit Mila abhauen wollte und Trick den Wirbelwind deswegen im Garten fand.«
»Nein. Sie ist allein aus dem Haus gegangen und Trick kam gerade um die Ecke. Es war nur ein Zufall.« Das gab mir die Gewissheit, dass ich die Suche nicht aufgeben dürfte, mich noch gezielter und konzentrierter umsah und dass ich unter keinen Umständen resigniert beigeben würde, solange ich sie nicht bei mir hatte. Da ihr roter Schopf nirgendwo zu erkennen war, lief ich die Treppen hinab, scannte jeden Quadratzentimeter und fand sie einfach nicht.
Dafür D mich.
»Adam!«, rief er und ich blieb stehen.
»Ja, D?«
Er kam auf mich zu, baute sich vor mir auf und ein schiefes Lächeln bildete sich.
»Er hat unterschrieben! Nicole ist draußen. Hast du Jenny in Sicherheit gebracht?«
»Ich finde sie nicht!«
Sein Lächeln versiegte und auch wenn ein Fremder es ihm nicht angesehen hätte, so erkannte ich die Sorge in seinen Augen.
»Hast du im Keller nachgesehen?«
»Ja, da ist sie nicht«, log ich, um Zeit zu schinden.
»Oben?«
»Da war ich auch schon. Leider nein.«
»Ich suche mit. Ruf mich an, wenn du sie hast.« Gerade wollte ich ihm erklären, dass mein Handy zerstört am Boden in der oberen Etage lag, da war er schon weg. Verschluckt von den Fleischmassen, die meine Lage nur verschlimmerten. Wie sollte ich diese kleine Frau unter diesen Riesen nur auffinden?
Es grenzte an Wahnsinn, Kit. Eine Nadel im Heuhaufen zu finden, wäre leichter gewesen. Dabei war sie im Gegensatz zu den meisten Anwesenden weiblich, weiß und rothaarig. Dennoch versprach meine Suche keinen Erfolg.
Trotzdem würde ich nicht aufgeben, obgleich mir die Zeit entglitt. Mit dem Wissen, dass D dich rasch finden würde, da er dich kannte und wusste, wie du dachtest, sowie deine Bedürfnisse regelrecht studiert hatte, warf ich nicht das Handtuch.
Es war ein Spiel gegen die Zeit.
Und ich ahnte bereits, dass ich verlieren würde.