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Hartmut Kreutzer saß in sich zusammengesunken in einem der Verhörräume des Polizeipräsidiums in Hannover. Außer Rudi und mir war auch der Kollege Sörgelmeier bei dem Gespräch über weite Strecken dabei.

Bislang hatte Kreutzer keinen Anwalt verlangt. Er schaltete auf eine Art passiven Widerstand. Vielleicht dauerte es auch einfach etwas, bis er innerlich bereit war, sich von dem Karibik-Traum zu verabschieden. Aber alles in allem war dieser Traum von Anfang an reichlich naiv gewesen. Und die Art und Weise, wie er als Trittbrettfahrer agiert hatte, war alles andre als geschickt gewesen.

Dienststellenleiter Sörgelmeier hatte ihm bereit mehr als einmal die Beweislage klargemacht - und mit der Zeit kamen durch die Durchsuchung seiner Wohnung und das Eintreffen von Untersuchungsergebnissen weitere belastende Indizien hinzu. Da war beispielsweise das Handy, mit dem er seine Forderungen übermittelt hatte, dann der gefilterte Stimmenabgleich, der mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit belegte, dass er der Anrufer war, und die Tatsache, dass er Dieter Reims kannte, da er früher jahrelang sein Informant gewesen war.

Myra Jörgensen war inzwischen auch vorläufig festgenommen worden, denn es bestand der Verdacht, dass sie an der Erpressung beteiligt gewesen war. Auf jeden Fall hatte sie davon profitieren und mit Kreutzer zusammen in die Karibik verschwinden wollen.

Aber Myra schwieg bisher eisern.

„Sie haben wirklich geglaubt, dass man Ihnen eine Million in die Karibik überweisen wird”, stellte ich fest.

„Sie können mich mal”, knurrte Harry.

„Herr Kreutzer, wir brauchen Ihre Hilfe”, sagte ich. „Vier unserer Kollegen sind verschwunden, zwei davon sind jetzt tot aufgefunden worden, drei weitere Ermittler wurden ermordet...”

„Vier?”, fragte Kreutzer jetzt.

Ich hob die Augenbrauen. „Wie bitte?”

„Es sind vier Kommissars verschwunden?”

„Sie wussten nur von Dieter Reims, nicht wahr? Von den anderen hatten Sie keine Ahnung.”

Er schwieg wieder. Ich merkte, dass Dienststellenleiter Sörgelmeier immer ungeduldiger wurde. Aber glücklicherweise hielt er sich bis jetzt zurück.

„Reden Sie”, fügte ich hinzu. „Sie haben jetzt vielleicht verstanden, dass dieser Fall noch eine ganz andere, viel weitergehende Dimension hat. Sie können deshalb damit rechnen, dass man Ihnen es für Ihr eigenes Verfahren hoch anrechnen wird, wenn Sie uns helfen. Und zwar schnell. Denn uns läuft die Zeit davon. Und es könnte sein, dass Ihre Informationen schon in Kürze nichts mehr wert sein werden.”

Wieder entstand eine Pause. „Sie wussten nur von Dieter Reims, weil er sie früher als Informant geführt hat, richtig?”

„Er hat mich bis bis zuletzt als Informant geführt und auch bezahlt”, erklärte Kreutzer jetzt. „Unser Kontakt ist nie abgerissen.”

„Aber Sie werden in den Akten nirgendwo geführt”, mischte sich Dienststellenleiter Sörgelmeier ein. „Ich war über die Sache vor zehn Jahren informiert, aber nicht darüber, dass...”

„Es ist so, wie ich es sage”, erklärte Kreutzer. „Wir haben uns allerdings nicht im ‘Magic’ getroffen, das wäre zu auffällig gewesen, sondern irgendwo an einem neutralen Ort. Manchmal ging das Ganze auch nur über Mails und SMS. Ich habe mein Geld bekommen wie immer und Dieter Reims weiter mit Informationen versorgt. Im Grunde hat sich für mich nichts geändert, auch nicht dadurch, Dieter Reims irgendwo in ein Hinterwäldnernest versetzt wurde.”

„Hat Sie das nie gewundert?”

Er machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ich habe meine Euros bekommen und war froh darüber. Viel nachgedacht habe ich über diesen Punkt nicht.”

„Was wollte Theo Görremann hier in Hannover? Er war ebenfalls im ‘Magic’ - und kurze Zeit später ist er tot.”

„Ich kenne Görremann nicht. Ich würde ihn nicht wiedererkennen und ich weiß auch nicht, was er vielleicht im ‘Magic’ gewollt haben könnte...”

Ich zeigte ihm ein Bild von Theo Görremann. „Vielleicht hilft das Ihrer Erinnerung etwas auf die Sprünge, Herr Kreutzer.”

Er sah sich das Bild auf dem Display meines Smartphones einen Augenblick lang nachdenklich an. Dann nickte er. „Ja, an den erinnere ich mich. Er wollte aber nichts von mir, sondern...”

Es begann offenbar in seinem Kopf zu arbeiten. Irgendetwas schien sich da gerade zusammenzufügen. Ich konnte nur hoffen, dass er uns möglichst bald und möglichst umfassend daran teilhaben ließ.

„Zu wem wollte er?”, fragte ich.

„Zu Gerd Bendix...”

„Wer ist das?”

„Der betreibt bei uns die Raucherlimousine. Ich dachte deshalb, er wäre ein Raucher.”

Raucherlimousinen sind eine Begleiterscheinung der strengen Anti-Raucher-Gesetze, die es inzwischen gibt. In Lokalen und nahezu allen öffentliche Gebäuden ist es fast nirgendwo erlaubt, zu rauchen. Also sammeln sich die Raucher im Freien. Vor manchen Clubs, Restaurants oder Diskotheken stehen seitdem sogenannte Raucherlimousinen, denn rauchen in Privatfahrzeugen auch in Deutschland nicht verboten. Da kann man dann seinen Champagner trinken und dabei eine dicke Zigarre rauchen und sich aus dem nahe Drei Sterne Restaurant ein Top-Menue zum Mitnehmen servieren lassen, wenn man das will.

Da Raucherlimousinen keine Raucher-Taxis sind, gelten hier keinerlei Beschränkungen. Taxis sind öffentliche Verkehrsmittel, da ist rauchen untersagt. Raucherlimousinen sind aber Privatfahrzeuge, die vom Kunden inklusive eines Fahrers gemietet werden wie ein Leihfahrzeug.

Kein billiges Vergnügen.

Aber manche Laster sind eben teuer.

Und manchen ist es das auch wert.

„Theo Görremann war Nichtraucher”, sagte Herr Sörgelmeier. „Jedenfalls damals... Manche Dinge ändern sich anscheinend.”

„Und Reinhold Kahlmann?”

„Nie gehört den Namen.”

Vielleicht sagte Kreutzer sogar die Wahrheit und Dieter Reims hatte die Identität seines Informanten gegenüber den Ex-Kollegen nie offenbart. Damals nicht und später auch nicht. Ich zeigte ihm ein Bild.

„Der mochte meine Drinks nicht”, erinnerte sich Kreutzer. „Ich habe keine Ahnung, wer das ist, aber...”

„Ja?”

„Der wollte auch zum Raucherwagen...”

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