Es hatte Colonel Mason Williams nichts genützt, dass er lautstark gegen diese „Irrsinnstat“ protestiert hatte. Der Commissioner hatte trotzdem verfügt, dass Seiichi Tanaka, Charles Neuville und Ed Travis augenblicklich ihren Unterstand am Nordkap der Hauptinsel verließen und mit ihrem Jeep wie die Teufel zum Flughafen der Missile Range rasten.
Ben Derringer, Harald Fernau und Wassili Bykow blieben mit Ferber und dem Private auf der nördlichen Nachbarinsel, da es zu lange gedauert hätte, ehe sie mit ihrem Motorboot zu den Kollegen gestoßen wären.
Colonel Williams hatte regelrecht zu toben begonnen, als Seiichi, Charles und Ed in einen für Notfälle bereitstehenden Hubschrauber der Klasse Bell UH 1D geklettert und gestartet waren - aber auch das hatte nichts gefruchtet. Jeder Hinweis des Sicherheitsoffiziers, auch der Luftraum sei während der Tests für jeglichen Verkehr gesperrt, war bei dem Commissioner auf taube Ohren gestoßen. Und Williams konnte nichts, aber auch gar nichts unternehmen, denn die Sondervollmachten, mit denen die Nuclear Task Force von ihren Signatarmächten ausgestattet worden war, erlaubten jedem ihrer Agenten jederzeit völlige Handlungsfreiheit über die militärischen Vorschriften hinaus.
Der „Irrsinn“ war, dass Seiichi, Charles und Ed wenige Minuten vor dem Eintreffen der „Cruises“ vom Flughafen über die Lagune hinausschwebten und Kurs auf die Position der „Ancona“ nahmen. Sie liefen wahrhaftig Gefahr, von einer Rakete getroffen zu werden - aber dieses Risiko nahmen sie auf sich.
Der „Irrsinn“ bestand nach Williams’ Überzeugung jedoch darüber hinaus darin, dass die drei Atompolizisten für die Menschen an Bord der „Ancona“ absolut nichts tun konnten - warum also dann dieser Flug? Sie hatten nicht mehr genügend Zeit, die Besatzung und die Passagiere zu evakuieren, sie hatten nicht die geringste technische Möglichkeit, die Flugbahn der „Cruise Missiles“ zu ändern, sie konnten, so betrachtet, überhaupt nichts ausrichten, um ein Unheil zu verhindern.
„Aber wir können dem Kapitän bessere Anweisungen zu seiner Rettung geben, je näher wir an ihn heran sind“, sagte Seiichi über die Bordsprechanlage zu Charles, der die Steuerung des Hubschraubers übernommen hatte, und zu Ed. „Wir können ihm durch praktische Tipps über Funk den Kurs wählen lassen, der ihn am weitesten aus der Reichweite der 'Cruises' trägt.“
„Und wir sind als Erste am Ort des Geschehens“, erwiderte Charles. „Ganz gleich, was geschieht - wir sind die Ersten. Auch das hat seinen Stellenwert.“
Ed Travis hatte kurzen Funkkontakt mit der Kwajalein Missile Range gehalten, jetzt teilte er den Kollegen mit: „Brüder, die 'Ancona' ist auf Rückwärtsfahrt gegangen, das heißt, sie hat noch Chancen, den verdammten Irrläufern auszuweichen.“
„Auf jeden Fall werden die Passagiere und die Besatzungsmitglieder die Missiles heranheulen sehen“, antwortete Seiichi Tanaka. „Das kann zu einem Massenschock führen - und es wird unsere Aufgabe sein, die Panik zu dämpfen.“
„Wie viele Meilen haben wir noch bis zu dem Luxusliner?“, erkundigte sich Charles, als sie über die westlichen Inseln des Atollringes hinweggeflogen waren.
„Hundertachtzig“, sagte Seiichi.
„Verdammt - eine Stunde, um das Schiff zu erreichen ...“
Acht Minuten später konnten sie achteraus durch ihre starken Spezialgläser gerade noch beobachten, wie die vier „regulären“ Raketen der Vandenberg-Range in der Lagune eintrafen. Vier weiße Pfeile, von schwarzen Flecken durchsetzt, die ins Wasser der Lagune eintauchten.
„Das war’s“, sagte Ed Travis, der seine innere Anspannung in diesem Augenblick nicht sonderlich gut verbergen konnte. „Jetzt müssten ja auch die anderen beiden angeschwirrt kommen ...“
Sie kamen - im Tiefflug.
Seiichi wies nach Backbord über die glitzernde Wasserfläche hinaus. „Da sind sie!“
Der Bell UH 1D befand sich auf einhundertfünfzig Fuß Flughöhe über dem Silberspiegel des Pazifiks; die beiden „Cruise Missiles“, die nun an Backbord vorbeihuschten, lagen niedriger.
Sie überholten den Helikopter und steuerten der immer noch ungewissen Endphase ihrer Reise entgegen. Wenn technische Mängel die Ursache für ihre Kursabweichungen waren, konnte es immer noch möglich sein, dass ihre bordeigenen Mini-Computer und Sensoren in letzter Minute verrückt spielten - und die „Ancona“ anvisierten.
Der Hubschrauber mit Seiichi, Ed und Charles jagte den in westlicher Richtung allmählich kleiner werdenden und dann ganz aus dem Blickfeld verschwindenden Raketen nach. Plötzlich spürten die drei Atompolizisten in aller Deutlichkeit, wie ohnmächtig sie in ihrer Hilflosigkeit waren.