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Wer bist du, Tanaka?“, fragte er. „Ein ergebener Diener des Giganten USA? Einer seiner treuen Stiefellecker?“

„Es gibt zwei Möglichkeiten“, erwiderte Seiichi Tanaka aus dem Bell UH 1D, der jetzt in dreißig Fuß Höhe über dem Brückendeck des Luxusliners in der Luft Stillstand. „Entweder polemisieren wir und vergeuden unsere Zeit - oder wir beraten über eine praktische Lösung des Falles.“

Dsou lachte. „Diese praktische Lösung habe ich bereits gefunden. Hast du nicht gesehen, wie meine Männer die 'Cruise Missiles' geborgen haben?“

„Doch, das habe ich.“

„Und das war’s, Tanaka. Wir brauchen uns jetzt nur noch ,goodbye‘ zu sagen.“

Sie sprachen beide Chinesisch, und zwar reines Mandarin, die „Hochsprache“, die Seiichi Tanaka hervorragend beherrschte. Das „Goodbye“, das Dsou soeben artikuliert hatte, klang in einem chinesischen Satz doppelt höhnisch.

„Verrate mir deinen Namen“, sagte Seiichi.

„Den Teufel werde ich tun.“

„Wir sollten fair miteinander umgehen ...“

„Nenn mich Dsou.“

„Dsou, ich habe nicht vor, irgendwelche Tricks anzuwenden, ich will dir nur ein wirklich brauchbares Angebot unterbreiten“, sagte der Japaner aus der Kanzel des Hubschraubers heraus.

„Keine Tricks?“ Dsou lachte wieder hämisch auf. „Und eure erneute Annäherung? Die Jagdbomber? Was ist das?“

Das Telefon im Funkschapp der „Ancona“ schellte. Dsou Taofens Untergebener, der die Maschinenpistole im Anschlag auf den Funker hielt, nahm die linke Hand vom Schaft der Waffe und griff zum Hörer. Er lauschte dem, was Liu ihm von der Brücke aus mitteilte, stieß nur zwei kurze, bestätigende Wörter aus, hängte dann wieder auf und sagte zu seinem Anführer gewandt:

„Kutter, Schnellboote, Zerstörer und ein Kreuzer der US-Marine sind an der Kimm aufgetaucht. Zwei Hubschrauber-Staffeln brummen auf uns zu, und das F14-Geschwader jagt im Kreis um unsere Schiffe herum. Sie umzingeln uns.“

Dsou stieß einen Fluch aus, den natürlich auch Seiichi Tanaka vernehmen konnte. Seiichis Gesicht zeigte keine Regung, aber seine beiden Kollegen Charles und Ed sahen ihm dennoch an, wie es in seinem Inneren arbeitete, wie angespannt seine Sinne und Nerven waren. Dies war der kritische Punkt in dem Versuch, an Bord der „Ancona“ zu gehen.

„Tanaka!“, brüllte Dsou in das Mikrofon der Funkanlage. „So hast du mich also hereingelegt! Ein paar hinhaltende Sprüche, und dann rückt die Streitmacht an, nicht wahr? Dachtest du denn wirklich, meine Leute würden eure verdammten Kähne und eure Scheiß Hubschrauber nicht sichten?“

„Ich wäre ein Narr, wenn ich das auch nur einen Moment lang angenommen hätte“, gab der Japaner so ruhig wie möglich zurück. „Hör mich an, Dsou ...“

„Ich gebe jetzt den Befehl, euch mit ein paar MPi Garben den Rotor zu beschädigen und das Leitwerk zu zerfetzen“, schrie Dsou außer sich vor Wut. „Und dann lasse ich einen der Passagiere Spießruten laufen und stoße ihn in die See. Reicht dir das? Wolltest du darauf hinaus? Wer bist du? Ein japanischer Geheimdienstler? Ich hole dich von deinem hohen Ross, du Dreckskerl!“

„Du wirst doch mit mir verhandeln“, sagte Seiichi unbeirrt.

„So? Weißt du das? Na warte, dir werde ich ...“

„Wir wollen kein Blutvergießen“, fiel Tanaka ihm ins Wort. „Aber wenn ihr auch nur einen Unschuldigen tötet, eröffnen die F14 als Erste das Feuer - auf den Trawler.“

„Der liegt längsseits der 'Ancona'. Ihr zieht die Passagiere und die Mannschaft des Luxusdampfers in Mitleidenschaft!“

„Du weißt, wie genau die Piloten der Maschinen mit ihren Bordwaffen zielen können.“

„Und meine Männer verstecken sich unter Deck“, rief Dsou höhnisch.

Seiichi Tanaka sagte: „Für den Fall, dass du das Exempel statuierst, Dsou, das du eben angekündigt hast, gibt es eine Katastrophe.“

Es war wie eine Zerreißprobe. Wenn Dsou jetzt wirklich anfing, verrückt zu spielen und sich einen der Passagiere vorzuknöpfen oder Paolo Lanerossi in die See zu befördern, wie er Mancini gegenüber angedroht hatte, dann konnte die Nuclear Task Force nur noch zurückstecken.

Dsou packte den Kapitän der „Ancona“ und zerrte ihn vor das Mikrofon. „Jetzt bist du dran, mein Freund. Mach denen richtig klar, wie ihr um euer Leben zittert und was sie tun sollen. Totaler Rückzug - das verlange ich. Wenn diese Schweine wieder abhauen, passiert hier nichts, aber auch wirklich gar nichts, verstanden?“

„Ja.“

„Kapitän“, sagte Seiichi, als Mancini sich bei ihm gemeldet hatte, „ohne lange Vorreden: Sie haben vielleicht von den neuen Taktiken gehört, die angewendet werden, um Luftpiraten und andere Entführer unschädlich zu machen. Das alles hängt nicht von mir ab, die Leitung des Stützpunktes von Kwajalein ist zu allem entschlossen, wenn Dsou nicht endlich konkret mit sich reden lässt.“

„Wie lautet denn Ihr Angebot?“, wollte der Italiener wissen.

„Das kann ich so nicht sagen ...“

„Mein Gott, spannen Sie uns doch nicht auch noch auf die Folter!“

„Kapitän, das ist es nicht.“

„Sondern?“ Mancini begann zu wanken, er fühlte sich der Lage plötzlich nicht mehr gewachsen. Himmel, warum versuchte er denn nicht diesem Dsou die Maschinenpistole zu entwinden und das Blatt auf diese Weise zu wenden?

Aber da war schließlich noch der andere chinesische Gangster mit der MPi, der bei einem ausbrechenden Handgemenge als erstes den Funker erschießen würde.

„Unsere Funkfrequenz kann aus der Umgebung abgehört werden, wir müssen es zumindest einräumen“, entgegnete Tanaka. „Der Vorschlag, den ich unterbreiten möchte, unterliegt der absoluten Geheimhaltung. Daher muss ich schon an Bord kommen, um Nägel mit Köpfen machen zu können.“

Da Seiichis Äußerungen durch den eingeschalteten Lautsprecher ins Funkschapp übertragen wurden, hatten auch die anderen drei Männer in dem engen Raum mithören können. Dsou Taofen starrte den Lautsprecher an, als wolle er ihn in seiner grenzenlosen Wut durch einen Feuerstoß zerfetzen - aber dann ging mit seinen Zügen plötzlich eine Veränderung vor.

Er entriss Mancini das Mikrofon und sagte überraschend gelassen: „Also gut, einverstanden, Tanaka. Du darfst auf das Brückendeck abentern. Aber nur du allein. Ich warne dich. Keine Tricks!“

„Das geht in Ordnung. Ich habe dir doch versichert, dass ich fair spiele, Dsou.“

„Ja. Noch etwas. Wir haben einen schwer kranken Mann an Bord. Den hieven wir, sobald du bei uns bist, in euren Hubschrauber - und ihr müsst mir versprechen, dass ihr ihn schleunigst nach 'Silver City' zur Klinik des Stützpunktes hinüberfliegt.“

„Okay, wir können sofort mit dem Manöver beginnen“, entgegnete Seiichi Tanaka auf Englisch, damit auch Giancarlo Mancini ihn verstehen konnte. „Bereitet alles vor, meine beiden Kollegen in der Maschine werden sich um den Kranken kümmern.“

Mancini blickte Dsou an. „Ich muss mich bei Ihnen entschuldigen“, sagte er. „Trotz der Tatsache, dass Sie unser Schiff gekapert haben, beweisen Sie, dass Sie auch menschliche Züge haben. Ich werde Ihr Verhalten nicht vergessen und sorge dafür, dass es zu keinen undisziplinierten, aufwieglerischen Handlungen der Besatzungsmitglieder und der Passagiere kommt.“

„Danke“, erwiderte Dsou Taofen. „Ich habe von Anfang an gewusst, dass Sie ein außergewöhnlich intelligenter Mann sind, Mancini.“

Ich werde einen unnötigen Ballast los, dachte er. Und ich bekomme eine Geisel in meine Gewalt, bei deren Tod ich mir nicht die geringsten Gewissensbisse zu machen brauche.

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