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Der Conte Cesare Spontini stand einem dicken Chinesen im Kampfanzug gegenüber. Sie umtänzelten sich, näherten sich dabei allmählich dem Swimmingpool. Spontini hielt die Arme ausgebreitet, den Kopf leicht gesenkt. Der Chinese grinste ihn an, er schien sich seiner körperlichen Überlegenheit bewusst zu sein.

Dieser „Soldat“ hatte bei Mariangela Marelli eine „Leibesvisitation“ vornehmen wollen, obwohl das Mädchen nach wie vor den weißen Bikini trug und also weiß Gott nichts wie Waffen oder „andere gefährliche Gerätschaften“ an ihrem Körper verbergen konnte.

Der dicke Chinese hatte sich einen Spaß daraus gemacht, sie zu erschrecken und nach ihrem Oberteil und dem Höschen zu fingern, während drei seiner Landsleute die ängstlich zusammenrückenden Passagiere auf dem Deck mit ihren Maschinenpistolen in Schach gehalten hatten.

Keiner hatte sich getraut, Mariangela Beistand zu leisten - auch nicht die „netten Bordbekanntschaften“ des Mädchens. Feige hatten diese jungen Leute sich im Hintergrund gehalten.

Spontini war vorgesprungen und hatte dem beleibten Kerl einen Fausthieb in die Körperseite verpasst. Der Chinese hatte sich keuchend gekrümmt, und Mariangela, die vorher immer weiter in Richtung auf die Lido-Bar zurückgewichen war, hatte einen spitzen Schrei ausgestoßen.

Der dicke Chinese hätte Cesare jetzt mit seiner MPi über den Haufen schießen können. Aber er hatte die Waffe stattdessen gesichert und hatte sie sich umgehängt, um dem abruzzischen Grafen mit bloßen Händen zu Leibe zu rücken.

Dsou Taofen und Liu Pefu kletterten in diesem Moment über die Absperrung des Steuerbordniederganges von der Brücke auf das Sonnendeck hinweg.

Der dicke Chinese unternahm einen Ausfall zu Cesare hin. Der aber war auf der Hut, wich aus, ließ den Gegner, der durch den eigenen Schwung aus dem Gleichgewicht geriet, an sich vorbeistolpern und fuhr dann zu ihm herum, um zuzuschlagen.

Der Chinese gab einen flachen, ächzenden Laut von sich und schoss über den Beckenrand hinweg genau auf die glitzernde blaue Wasserfläche zu. Er landete bäuchlings in den Fluten, ging unter, nahm seine Maschinenpistole mit nach unten.

Ein paar Männer lachten, aber die Chinesen mit den Maschinenpistolen gestikulierten mit den MPis vor ihren Gesichtern herum, sodass sie sofort wieder verstummten. Einer vom Prisenkommando tat drei Schritte, hatte dann die Schussbahn auf Cesare Spontini frei, legte auf den schwer atmenden Mann an.

„Nein“, rief Mariangela.

Dsou wies mit der Hand auf sie, Liu verstand. Liu eilte zu Mariangela hinüber, zielte mit der Waffe auf sie und stellte ihr rasch ein paar Fragen in englischer Sprache.

Dsou rief seinem „Soldaten“ etwas zu, und dieser ließ die MPi sinken. Dsou trat zu Spontini, lächelte ihm zu - und Cesare fiel auf diese so menschlich, so entgegenkommend wirkende Geste herein. Er ließ die Arme sinken, traf keine Anstalten mehr, sich zu wehren.

Ein einziger Hieb Dsous aus der großen Trickkiste des Tai Chi Ch’uan, und Spontini brach zusammen.

Dsou trat an den Rand des Beckens und blickte zu seinem dicken Gefolgsmann, der gerade wieder aufgetaucht war und prustend auf eine Leiter zuschwamm.

Liu näherte sich mit Mariangela zusammen ihrem Geliebten und sprach, als sie dicht hinter ihm stand, ein paar Worte zu ihm.

Dsou nickte. Er ging zur Leiter, streckte die Hand nach dem Dicken aus. Dieser griff auch gern zu und ließ sich über die Sprossen auf Deck hieven - aber dann begriff er wie Spontini, dass er Dsou falsch eingeschätzt hatte.

Dsou schickte ihn auf ähnliche Weise, wie er auch Spontini bewusstlos geschlagen hatte, zu Boden.

Der schwere Mann wurde jedoch nicht besinnungslos, er lag nur da und keuchte. „Das wird dir eine Lehre sein“, sagte Dsou mit eisig unterkühlter Stimme. „Versuche lieber gar nicht erst, dich zu verteidigen, du Schwachkopf. Liu hat mit dem Mädchen gesprochen, ich weiß alles.“

Er hob den Kopf und blickte zu seinen Männern. „Wer sich an Frauen vergreift, wird auf der Stelle erschossen“, rief er. „Ich will noch mal Gnade vor Recht ergehen lassen, weil Bai Hsi sich nicht wirklich auf das schöne blonde Mädchen gestürzt hat - aber denkt daran, was ich euch gesagt habe. Ich dulde so etwas ganz einfach nicht, verstanden?“

„Ja“, antworteten sie.

„Bai Hsi, steh auf“, sagte Dsou.

Der dicke Bai Hsi erhob sich und blickte seinen Befehlshaber reumütig an. „Es wird nicht wieder vorkommen“, flüsterte er. „Es war nur ... sie ist zu schön. Sie ist eine offene Herausforderung für jeden Mann.“ Dsou ging nicht darauf ein. „Sag mir lieber, ob ihr bei der Durchsuchung des Schiffes und der Leute fündig geworden seid.“

„Ein paar kleinere Pistolen und Revolver“, meldete Bai Hsi, froh, dass er den Vorfall einigermaßen glimpflich überstanden hatte. Triefend nass stand er da und fingerte an seiner MPi herum. „Die haben wir uns natürlich zugesteckt. Einige Radios, Walkie-Talkies, Filmkameras, Fotoapparate und andere Kleinigkeiten haben wir kurzerhand über Bord befördert.“

„Gut.“ Dsou blickte zu Liu und sagte: „Man sollte gar nicht glauben, was bei so einer gründlichen Filz-Aktion alles zum Vorschein kommt, nicht wahr?“

„Ja, ich staune selbst“, erwiderte sie.

Dsou wies auf den bewusstlosen Grafen. „Schafft diesen Helden weg und steckt ihn in Einzelhaft, er könnte uns fast ebenso gefährlich werden wie der Japaner.“ Ungeachtet der Gefahr, in der auch sie schwebte, hatte Mariangela Marelli sich genähert. „Bitte, lassen Sie ihn in Ruhe“, sagte sie auf Englisch. „Er hat mich nur verteidigt, können Sie das nicht verstehen? Was hätten Sie denn wohl getan, wenn man Ihre Freundin belästigt hätte?“

Dsou drehte sich zu ihr um. Sein Blick glitt an ihr auf und ab, aber seine Züge drückten nicht aus, was er dachte. „Wie Sie gesehen haben, habe ich Bai Hsi bereits zur Rechenschaft gezogen. Wir führen einen Krieg, von dem Sie nie etwas begreifen werden, aber wir verhalten uns korrekt, und ich lasse nicht zu, dass Frauen misshandelt werden. Andererseits hatte ich aber auch bereits angedroht, dass ich jeden hier an Bord bestrafen werde, der sich uns gegenüber aufsässig zeigt.“ Er wies mit der Maschinenpistole auf Spontini, der jetzt von zwei Männern des Prisenkommandos aufgehoben und fortgetragen wurde. „Der Graf hätte sich besser direkt an mich gewandt. Ist er ... Ihr Geliebter?“

„Nein.“

„Warum verteidigen Sie ihn dann?“

„Das verstehen Sie nun wieder nicht, Mister“, erwiderte Mariangela. „Aber das wäre von einem Militaristen wie Ihnen wohl auch zu viel verlangt, oder?“

Dsou lächelte hintergründig. „Sie unterschätzen mich, werte Lady. Aber lassen wir dieses Wortgeplänkel. Ich habe auch in Bezug auf Ihre geschätzte Person meine Entscheidung getroffen. Ich habe mich hier auf Deck umgeschaut und muss feststellen, dass sie mit Abstand die schönste Frau von allen sind.“

„Soll das ein Kompliment sein?“

„Fassen Sie es meinetwegen auf, wie Sie wollen. Nur dies: Bai Hsi hat recht mit seiner Behauptung, Sie seien eine offene Herausforderung für jeden Mann.“

„Ich ziehe mir etwas über, damit sich Ihre Leute beruhigen“, sagte sie frostig. „Genügt das?“

„Nicht ganz. Sie kommen mit auf die Brücke, da kann ich Sie unter ständiger Beobachtung halten. Und dort oben geben Sie weniger 'Zündstoff' ab, Lady.“

„Aber das ist ...“

„Schweigen Sie. Kommen Sie.“

Mariangela widersprach nicht mehr, sie fügte sich. Sie las es aus seinem Blick ab, dass er ganz unvermittelt seine scheinheilige Freundlichkeit verlieren und äußerst gefährlich werden konnte - auch ihr gegenüber.

Sie schritt also vor Dsou und Liu zum Steuerbordniedergang, der auf das Brückendeck hinaufführte, und nahm nur noch einen leichten Bademantel entgegen, den Vittorio, der Deckskellner, ihr rasch zu warf.

Den Blick, den Liu Pefu sowohl auf sie als auch auf Dsou Taofen abschoss, bemerkte Mariangela nicht. Mehr als Wut und Eifersucht lag in diesem Blick. Hass loderte in Lius Mandelaugen, denn sie hatte begriffen, dass Dsou die schöne Europäerin nicht nur aus Gründen der Disziplin zu sich auf die Brücke holte.

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