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Für den altersschwachen Amphibienklipper hatte der „Kwajalein International Airport“ eine ganz spezielle Start- und Landepiste im Hafenbecken reserviert. Von dort aus hatte die Maschine abgehoben, und unter ihr waren auf dem Kai die Gestalten des Commissioners, Colonel Mason Williams’, Lieutenant Colonel Simon Ferbers und der anderen Offiziere und Führungskräfte der „Trust-Territory“-Verwaltung zurückgeblieben.
Kurz vor diesem Start waren Bykow, Derringer und Fernau an Bord des Beil-Hubschraubers auf die Hauptinsel des Atolls zurückgekehrt und hatten sich sofort darangemacht, die Idee, die der Deutsche seinen beiden Begleitern noch während des Rückfluges auseinandergesetzt hatte, zu verwirklichen.
Neuville und Travis hatten derweil den herzkranken Paolo Lanerossi im Militärhospital der „Missile Range“ abgeliefert. Anschließend waren sie zu den drei Kollegen gestoßen, um die Maschine, die alles andere als vertrauenerweckend aussah, einem raschen Checkin zu unterziehen.
Das Wasserflugzeug gehörte einem Privatunternehmer der „Silver City“, der sich ihnen hemdsärmelig und in Bermudashorts präsentiert hatte. Der Mann hatte sich anfangs mächtig gesträubt, dass die Agenten seine Maschine einfach „beschlagnahmten“, aber dann hatte er jeglichen Protest eingestellt, weil Ed Travis ihm kurzerhand eine üppige Kaution in die Hand gedrückt hatte.
Der Klipper brummte über das Atoll hinweg, mit Kurs auf Norden. Das Letzte, was die Radarstation von „Kwaj“ ermittelt hatte, bevor sich die „Ancona“ und die „Lotung“ ihrem Empfangsbereich entzogen hatten, war, dass beide Schiffe diese Richtung eingeschlagen hatten.
Charles Neuville fungierte als Flugkapitän, Ed Travis als sein Copilot. Wassili Bykow, Ben Derringer und Harald Fernau hatten den achteren Teil der geräumigen Kanzel mit Beschlag belegt. Sie verständigten sich über die Bordsprechanlage.
„Wir werden östlich an den Schiffen vorbeifliegen und erst einmal Kurs auf Wake nehmen“, sagte Ed Travis. „Dann sehen wir weiter. Wir dürfen nie auf Sichtweite an die 'Ancona' und den Aufklärer herangeraten, dürfen uns andererseits aber auch nicht weiter als zwanzig, fünfundzwanzig Meilen von ihnen entfernen, weil wir sonst die Funkimpulse, die Seiichis Mikrosender abgibt, nicht mehr auffangen können.“
Ben, der am Funkgerät saß, hatte den UKW-Bereich sorgfältig abgetastet und gab den Kollegen jetzt ein Zeichen. Er hatte die schwachen, rhythmisch erklingenden Feinsignale aus dem Äther aufgefangen.
„Also immer hübsch im Tiefflug über den Pazifik hinweg, damit Dsou und seine Bande uns dank der leichten Erdkrümmung nicht überm Horizont erkennen können“, erwiderte Harald Fernau. „Vor Wake könnten wir eine Zwischenlandung vornehmen, da wir ja schneller als die Schiffe sind und auf sie warten müssen. Aber - ganz gleich, wohin Dsou sich wendet - ausschlaggebend ist, dass wir uns mal auf dem Wasser, mal in der Luft befinden und sie dadurch irritieren. Auch wenn die elektronischen Ortungsgeräte der 'Lotung' uns erfassen, wird die Gang annehmen müssen, dass sie es mal mit einem Flugzeug zu tun hat, mal mit einem Schiff. Bei dem Verkehr, der zwischen den Marshalls, Wake, den Marianen und den östlicher gelegenen Inseln herrscht, dürften sie nicht misstrauisch werden. Vielmehr dürften sie annehmen, dass sie es mit 'zufälligen Begegnungen' zu tun haben.“
„Brüder“, sagte Wassili Bykow. „Hoffen wir nur das eine - dass die Chinesen nicht den Minisender entdecken, den Seiichi an seinem Körper versteckt hat.“
„Mensch, das ist doch der Inhalt unserer Stoßgebete“, entgegnete Fernau.
Eine Stunde später bewahrheitete sich ihre schlimmste Befürchtung: Die UKW-Signale endeten schlagartig. Ben hantierte am Funkgerät, aber das brachte ihm überhaupt nichts ein. Charles nahm ein paar leichte Kurskorrekturen vor, für den Fall, dass die „Ancona“ und der Trawler ihre Route geändert hatten und sich damit außer Reichweite befanden - aber auch das brachte keinen Erfolg.
„Da muss was passiert sein“, sagte Ed Travis. „Hölle und Teufel - Ben, nimm Verbindung mit dem Commissioner auf.“
Vom Commissioner erfuhren sie wenig später Folgendes: Solange Seiichi Tanaka außer dem Schuss in seine linke Schulter nichts Schlimmeres zugestoßen war, war der Verlust des Minisenders kein Beinbruch. Das Treuhandgebiet der Vereinigten Staaten von Amerika im Pazifik reichte bis zu den Marianen, im Osten sogar bis nach Hawaii, und da die Entführer und Killer sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zumindest innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden noch in diesem Bereich aufhielten, waren ihre Beobachtung und das Verfolgen ihres Kurses keine große Schwierigkeit.
Das hing mit dem ASW-Programm ('Antisubmarine Warefare') zusammen, das die US-Marine gerade in diesem Gebiet während der letzten Jahre mit erheblichem Kostenaufwand ausgebaut hatte. Nicht nur ein Schiff wie die „Lotung“ konnte dank ihrer Anlagen erlauschen, was sich im Umkreis von Meilen, auf, über und unter der Wasserfläche bewegte - das konnten auch die speziell für diesen Zweck eingerichteten Stationen auf den Inseln des „Trust Territory“.
Unterwasser-Horchgeräte waren installiert worden, eine Art Frühwarnnetz. Zu den Neuerungen gehörten ein 130 Yards hohes Unterwasserturm-Sonar bei Tinian, das unter anderem auch den Weg von und zu den Philippinen kontrollierte. Noch größer war „Sas“, das „Suspended Array System“, ein Sonargerät auf einem Dreifußgerüst, dessen Bein-Enden auf dem Meeresgrund jeweils weit auseinander standen. Das Sas-System war noch nicht voll ausgebaut, aber die Horchstationen konnten bereits „ungewöhnliche Bewegungen“ bis zu den Caroline Islands hinab aufspüren.
„Chef“, sagte Ben Derringer. „Wir bleiben am Ball und suchen nach einer Möglichkeit zum Einsatz. Haben Sie inzwischen etwas über diesen mysteriösen Dsou herausbekommen, von dem wir leider nur den Vornamen erfahren haben?“
„Es gäbe da einen Anhaltspunkt.“
„Aber Sie halten ihn noch für zu vage?“
„Ja, Ben. Trotzdem: Dsou könnte mit Dsou Taofen identisch sein, einem Ex-Marinesoldaten von Taiwan, der wegen seiner subversiven Umtriebe aktenkundig geworden ist. Man hat ihn aber nur einmal wegen Plakatklebereien bestraft.“
„Wie ist seine Tendenz?“
„Ausgesprochen chauvinistisch. Ein Nationalist, der wirre Theorien verkündet hat, wie man ein 'Großchinesisches Reich' nach seinen Vorstellungen wiederaufbauen könnte.“
„Ein ausgesprochener Fanatiker also.“
„Mit Sicherheit. Seit etwa einem Jahr ist er weder in Taipeh noch sonst wo irgendwie aufgefallen, was aber nicht unbedingt ein gutes Zeichen zu sein braucht. Er könnte seine Aktivitäten aufgegeben haben ...“
„... oder aber den Coup seines Lebens vorbereitet haben“, entgegnete Ben. „Was immer er plant, es wird gegen die Chinesische Volksrepublik gerichtet sein.“
„Wenn dieser Dsou Taofen mit unserem Dsou identisch ist“, sagte der Commissioner.
„Ja. Nur einer von uns hat ihn aus der Nähe gesehen und könnte bestätigen, dass die Beschreibung, die man Ihnen sicherlich übermittelt hat, auf diesen Dsou zutrifft - Seiichi Tanaka.“