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Bount fuhr mit ihm zurück ins Erdgeschoss. Dem Priester wich er aus. Er wartete lieber in der Küche bei der schwarzen Lizzy. Sie braute wirklich einen verdammt guten Kaffee.
Kurz darauf gesellte sich Jeanny zu ihnen. Ihr Gesicht war gerötet.
»Dieser schreckliche Mensch«, sagte sie und sank auf einen Stuhl. »Ich hatte keine Ahnung, dass er immer noch hier verkehrt.«
Die Köchin seufzte.
»Es wurde in den letzten Wochen sogar noch schlimmer. Manchmal kommt er sogar zweimal am Tag. Er behauptet, meine Zimtplätzchen schmeckten scheußlich.« Lizzy schüttelte sich vor Missmut. Ihre großen Augen rollten. Bestimmt backte sie die besten Zimtplätzchen zwischen Key West und Banchory. So durfte man einer Frau wie ihr natürlich nicht kommen.
»Ist die Rede von diesem Reverend?«, schaltete Bount sich ein. Die beiden Frauen wackelten gleichzeitig mit den Köpfen. Zornig Miss Lizzy, verärgert Jeanny Denver.
»Ein unmöglicher Kerl«, meinte die Erbin. »Jedes Mal, wenn ich ihn sehe, läuft es mir kalt den Rücken hinunter. Ein Parasit ist er, nichts weiter. Er spuckt große Töne und lässt sich hier durchfüttern.«
»Warum duldet man ihn dann im Haus?«
Sie zuckte mit den Schultern.
»Dad war ein gütiger Mensch«, sagte sie. »Besonders nach seinem Infarkt. Leben und leben lassen, lautete seine Devise, nachdem der große Gleichmacher auch bei ihm an die Tür geklopft hatte. Er hat Tante Phil ihre Schrullen schon immer nachgesehen.« Jeanny schaute Reiniger forsch an. Um die Anwesenheit der schwarzen Köchin kümmerte sie sich nicht die Bohne.
»Zwar habe ich keinerlei Beweise, doch ich nehme an, dass er meine Mutter früher mit ihr betrogen hat. Jedenfalls kriegte ich als Kind ein paarmal böse Streitereien mit. Tante Phil war einst eine recht passable Frau. Ich habe sie auch immer gern gemocht.«
Bount zündete sich eine Zigarette an.
»Sie lebt schon immer hier?«
»Ihr Verlobter kam aus dem Koreakrieg nicht zurück. Danach hat sie zu lange um ihn getrauert und dadurch wohl den Anschluss verpasst. Und Dad wiederum ist in jüngeren Jahren kein Kind von Traurigkeit gewesen. Er ließ nichts anbrennen.«
»Wann starb deine Mutter?«
»Schon vor mehr als zehn Jahren. An Krebs. Ihrem Tod ging ein längeres Siechtum voraus. Sie kapselt sich immer mehr ab und wurde etwas wunderlich. Tante Phil erinnert mich an sie. Wahrscheinlich mag ich sie deshalb so gern.«
»Nur diesen Reverend Caution nicht.«
»Er ist ein Schleimer«, beschrieb Jeanny den frommen Mann ungerührt.
»Und deine Tante hat kein eigenes Vermögen?«
»Das von Graham und meiner Mutter stammte auch nicht direkt von ihr. Sie hatte es erheiratet. Ihr erster Mann, die Ehe blieb kinderlos, kam bei einem Autounfall ums Leben. Dann lernte sie Dad kennen. Der verdreifachte ihre Mitgift. Den Rest kennst du ja wohl. Mom hat für uns gesorgt, im Fall Grahams leider vergeblich. Doch sie hatte damals wohl noch nicht ahnen können, dass er von Dad nur das Talent zur Leichtlebigkeit mitbekam, nicht aber dessen Geschäftssinn.«
Bount hatte genug erfahren.
Tante Philipa Madrigan gab für weitere Recherchen wohl nicht viel her. Außerdem erinnerte sich Bount Reiniger daran, dass er vergangene Nacht kaum ein Auge zugetan hatte. Plötzlich saß eine ungeheuere Müdigkeit ausnahmslos in allen seinen Gliedern. Nur mühsam konnte er ein Gähnen unterdrücken.
Jeanny grinste wissend.
»Brechen wir auf?«, fragte sie. »Du brauchst dich nicht länger um mich zu bemühen, du Armer. Ich nehme mir ein Taxi nach Hause. Außerdem muss sich ja irgendjemand um die Beisetzung meines Vaters kümmern. Ich denke doch, dass die Leiche inzwischen freigegeben wurde.«