![]() | ![]() |
Reichlich seltsam war es ja schon, was Gino Monzarone ihm zumutete. Normalerweise wickelten sie selbst die dunkleren Geschäfte noch in den hellen Straßen ab.
In New York wurden täglich über hundert Autos geklaut. Was war schon dabei?
Da mussten sie dem Sohn eines Gemüsehändlers aus der Henderson Willow Street tatsächlich mal ein besonders heißes Gefährt angeliefert haben, wenn er ein solches Geheimnis daraus machte.
Gino Monzarone hatte am Telefon merkwürdig gehemmt geklungen, so als hätte er ein Taschentuch auf die Muschel gepresst. Mercurio Benedotti hatte seine Stimme kaum wiedererkannt.
Der junge Mann – in einem Monat wollte er den 26. Geburtstag feiern – fluchte still in sich hinein. Zu dumm, dass er keine Gummistiefel angezogen hatte.
In den eleganten Halbschuhen quietschte das Wasser. Eis taute früh in diesem Jahr! Nur in den Nächten sanken die Temperaturen hin und wieder unter den Gefrierpunkt
Heute war so eine Nacht.
»Warum bloß in dieser Wildnis?«, führte Mercurio das geknurrte Selbstgespräch fort. »Soll ich ihm etwa ’nen Lamborghini auf ’nen Maserati umfrisieren?«
Das gehüstelte Lachen bellte trocken in die Dunkelheit.Vor seinen Lippen kondensierte es zu Nebelwölkchen, um seitwärts an den Büschen zu zerfasern.
Er schaltete die Taschenlampe ein.
Baumwipfel teilten das Licht des Monds, und abweisend glitzerten die Sterne.
Manchmal blitzten Scheinwerfer vom nahen Hackensack Circle, einem Kreuzpunkt zweier Highways durch die Schwärze.
Die Straßen kamen hier auf Betonstelzen daher und waren tief im Grund verankert. Das ferne Summen von Motoren klang zu Mercurio herab.
Andererseits war die Wahl des Geländes als Treffpunkt so ungewöhnlich auch wieder nicht. Als Jugendliche hatten sie häufig hier gecampt. Weder Papa Miguele Benedotti, noch Papa Carlo Monzarone wäre es jemals eingefallen, den Söhnen auch nur einen müden Dollar für ’nen Trip in die Adironducks zu spendieren.
In beiden Familien wurde der Cent vor dem Ausgeben zehnmal umgedreht.
In den vergangenen paar Jahren hatte sich die finanzielle Lage beider Sippen dann entscheidend verbessert. Und das war vor allem auf die Aktivitäten Mercurios und Ginos zurückzuführen.
Die Väter drückten dabei beide Auge zu, denn sie wünschten sich nichts sehnlicher, als auf ihre alten Tage nach Sizilien heimzukehren.
Der angebliche »Melting Pot« New York hatte sie nie einschmelzen können.
Zu Hause sprachen sie auch nach vierzig Jahren noch ausschließlich italienischen Dialekt.
»Gino?«
Mercurios Stimme klang dünn in der kalten Luft. Keine Antwort.
Wenn der Freund und Partner sich wenigstens deutlicher ausgedrückt hätte, als nur zu nuscheln: »Nimm die erste Ausfahrt nach Bergen!«
Bene. Da stand er nun und fror.
Und weit und breit war kein Gino Monzarone zu entdecken, von einem fremden Wagen ganz zu schweigen.
»Hallo!«
Wieder nichts. Über dem nahen Teterboro Airport schwebte der klobige Rumpf einer Noratlas ein. Die Tragflächenlichter zuckten grün und rot. Dumpf röhrten die Maschinen.
Es war genau 21 Uhr, Mercurio Benedotti hatte noch drei Minuten zu leben.
Die doppelte Ladung aus der Lupara, dem beliebtesten Mordinstrument der Sizilianer, sägte ihn danach in der Mitte förmlich auseinander.