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Bount kam nach etwa einer Stunde wieder. June schaute ihm beinahe feindselig entgegen. Entweder ihre Recherchen waren bislang erfolglos geblieben, oder sie hatte was gegen Sandwiches am Morgen.
»Du stinkst nach Bier«, blaffte sie.
»Lenk nicht ab«, fauchte Bount zurück. »Irgendwelche Ergebnisse?«
»Ranhat schon zweimal nach dir gefragt.«
»Danke. Sonst noch was?«
»Ich hasse Trinker.«
»Ich auch. Aber wie hätte ich hier konzentriert nachdenken können, bei diesem Bimmeln und Piepsen, das du jedes Mal beim Telefonieren veranstaltest.«
Nachgedacht hatte Bount Reiniger in der Tat. Leicht storchbeinig stakste er in sein eigenes Büro.
Ihm waren in der Zwischenzeit schwere Bedenken gekommen, was seine Pläne in Bezug auf die Bekehrung Miguele Benedottis anbelangte. Wenn so ein Sizilianer sich mal stur stellte, dann hielten ihn auch die in Betonsockeln verankerten Stahlpuffer des Grand-Central-Kopfbahnhofs nicht auf.
Er wählte Myers Nummer und kam sofort durch.
»Howdy«, grüßte Bount.
»Wie? Was? Hast du dir wieder mal eine von unseren zahllosen Fernseh-Wiederholungen reingezogen und bist dabei über einen Western mit Tom Mix gestolpert?«
»Als ob du ’nen Western von ’nem Hitchcock-Krimi unterscheiden könntest.«
»By gosh! Wollen wir uns jetzt gegenseitig anpflaumen?«
»Seit wann so ernst?«
»Seit ich mit dem Revier in Bergen telefonierte.«
Sie konnten es eben nicht lassen, die beiden. Ohne solche Vorgeplänkel ging’s nie bei ihnen ab. Sie trafen sich leider viel zu selten.
»Du hast was herausgefunden?«
»Viel ist es nicht, dafür aber reichlich seltsam?«
»Die Tatzeit stimmt?«
»Anzunehmen, denn laut Polizeitagesbericht von gestern Abend wurden die Kollegen eine Viertelstunde später durch einen anonymen Anruf erst auf die Leiche aufmerksam gemacht. Die Gegend unter dem Hackensack Circle zählt nicht gerade zu den beliebten Naherholungsgebieten. Saukalt im Winter, ein Sumpf im Frühjahr, und im Sommer fressen dich die Mücken. Der Leichnam wäre sonst vermutlich verrottet.«
»Das heißt, irgendwer wollte nicht bis zum Herbst warten. Er wollte, dass die Leiche rasch gefunden wird. – Steht die Identität übrigens zweifelsfrei fest?«
»Jep. Im Handschuhfach eines unweit abgestellten Chrysler fanden sich die Papiere Mercurio Benedottis.«
»Wie steht’s mit weiteren Spuren? Fußabdrücke? Die Reifenprofile eines zweiten Wagens?«
»Fehlanzeige. Sieht ganz danach aus, als habe sich dort der Tarzan von Hoboken von Ast zu Ast geschwungen.«
»Glaub ich nicht. Tarzan hat seine Jane, und somit Besseres zu tun, als Leute abzuknallen.«
»Auch wieder wahr. Doch irgendeiner muss es wohl gewesen sein.«
»Wieso irgendeiner?«, wandte Reiniger ein.
»Es soll auch Frauen geben, die kräftig genug sind, den Stecher einer Schrotflinte durchzuziehen.«
Bount sah den schlaksigen Officer vor sich, wie er hinter seinem Desk lümmelte und sich nachdenklich den Hinterkopf kratzte.
»Das hört sich an«, sagte er nach einer Weile; »als ob du schon wieder mal mehr wüsstest als die Kollegen jenseits des Hudson River.«
»Nichts als eine haltlose Vermutung deinerseits«, behauptete Bount.
»Wie kommst du überhaupt an den Fall? Ist doch gar nicht deine Kragenweite.«
»June kannte diesen Mercurio Benedotti persönlich. Und was den sogenannten Fall betrifft – wir erfuhren erst aus den Morgenzeitungen davon.«
»Die March ist sozusagen deine Klientin?«
Ron Myers kicherte verhalten. »Dann wirst du die Rechnung an sie wohl eigenhändig tippen müssen.«
»Seh′ ich wie ein Selbstmörder aus?«
»Du arbeitest doch nicht etwa ohne Honorar?«
»Ich fürchte, ich komm nicht drum herum.«
»Dann tust du mir jetzt schon leid.«
»Ich mir auch. Aber noch was: Haben deine Kollegen ’ne Ahnung davon, was diese Initialen auf dem Kolben bedeuten?«
»Nicht die geringste. Da tappen wir völlig im Dunkeln. Hast du einen Verdacht?«
»So fragt man Leute aus, Amigo.«
»Du weißt doch, was bei einem Privatdetektiv auf Fundunterschlagung steht?«
»Auf das Zurückhalten von Informationen? – Fragst du jetzt als Mensch oder als Bulle?«
»Als beides.«
»Mit einem eventuellen Lizenzentzug kann ich leben, Officer und Schafskopf. Wenn ich’s genau betrachte, tu ich das schon während meiner gesamten Laufbahn.«
»Ich wollte dich nur gewarnt haben, Bount. Auf Tobys und meinen Rückhalt musst du verzichten. Und sollte sich rausstellen, dass die Sache nach Manhattan herüberspielt, schaltet sich das FBI ein.«
»Mal den Teufel nicht an die Wand.«
»Du weißt, die Jungs fackeln nicht lang.«
Bount Reiniger seufzte ergeben. »Ich hörte schon davon. Die Burschen kultivieren noch mehr Standesdünkel als die Halbgötter im blutbefleckten Weiß.«