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»Aua.«

»Was ist?«

Der junge und der etwas ältere Mann lehnten nebeneinander am Zaun und rauchten ihr Friedenszigarettchen.

»Wenn ich gleich gewusst hätte, wer Sie sind, wäre ich gar nicht erst davongerannt.«

»Hm. Dann könntest du jetzt sitzen.«

»Als Sie von Dad weg waren, sagte er mir nur, nun würden uns die Monzarones auch noch Schläger ins Haus schicken. Mom pflichtete ihm bei. Ihr Name ist nicht gefallen, aber den hätte ich gekannt.«

Er rieb das lädierte Hinterteil und stöhnte.

»Ich lese nämlich Zeitung. Er nie. Er lässt sich ein Provinzblatt aus Sizilien schicken. Es erscheint nur wöchentlich, doch die italienische Post schafft es, dass er’s auch noch erst mit einem halben Jahr Verspätung kriegt. Dad lebt in einer anderen Welt.«

»Und trotzdem hast du diesen Blödsinn mitgemacht?«

Silvio Benedotti inhalierte.

»Mir schwirrt der Kopf«, sagte er. »Der Staatsanwalt verlangte, dass auch ich noch die Leiche meines Bruders identifizieren solle, wenn ich schon mal da sei. Also gab er mir einen Beamten mit, der mich in den Kühlkeller führte.«

Der Junge schauderte, fuhr sich mit der Hand über die Stirn, als könne er so die Bilder löschen, die in seinem Inneren aufstiegen. Er hatte seinen toten Bruder in all der Grausamkeit sehen müssen, und das machte ihm noch immer zu schaffen.

»Aber dort verpackten sie Mercurio gerade fürs Beerdigungsinstitut. Ich kam erst wieder zu mir, als es krachte. Ich habe alles Mögliche geglaubt, aber ...«

»Und da hast du durchgedreht.«

Silvio nickte.

»Seine untere Hälfte lag schon im Blechsarg und die obere noch auf der ... Mein Gott! Der Club der Sizilianer von Hoboken lebt nach eigenen Gesetzen. Das ist eine Frage der Ehre. Ich setzte mich ins Auto und wollte wegfahren. Doch dann bin ich ausgestiegen und habe gekotzt wie noch nie in meinem Leben. Danach taumelte ich zu Renato ins Café und habe mich abgefüllt bis zum Rand. Einen Grappa nach dem anderen.«

Reiniger hörte aufmerksam zu, diese Reaktion konnte er verstehen.

»Ich war so stockbesoffen, dass ich in den Kofferraum klettern und dort schlafen wollte, aber so einfach war das nicht. Dann musste ich meiner Aufgabe als Vollstrecker nachgehen, auch das verlangte die Ehre. Da lag die Lupara meines Bruders. Mercurio ging mit ihr zur Jagd. Er hatte einen Schein dafür. Sie wurde mir mit dem Wagen ausgehändigt. Ich hätte es nüchtern vermutlich nicht geschafft, gegen Gino vorzugehen. Ich sah Gino fallen, bin tödlich erschrocken. Und rannte, was die Beine hergaben. Von Schritt zu Schritt wurde ich nüchterner. Doch ich wusste nur,  jetzt hast du Gino umgebracht, und da ist einer hinter dir. Zu mehr taugte mein Verstand noch nicht.«

Bount legte ihm fürsorglich die Hand auf die Schulter.

»Aber wo kamst du so plötzlich her?«, wollte Silvio wissen.

»Die Kneipe, in der ich saß, ist gleich bei Gino um die Ecke. Man sieht sie nicht von der Straße aus. Der Chrysler stand auf der Straße. Eigentlich ist’s mehr ein Club.«

Der junge Mann grinste unsicher. »Ich glaube nicht, dass Renato ’ne  Lizenz für den Alkoholausschank hat.«

»Das spielt jetzt keine Rolle. Erspar′ dir den Rest«, meinte Bount.

»Dann war′s also reiner Zufall, dass du ausgerechnet in jenem Moment aufgetaucht bist, in dem ich aus dem Haus kam.«

»Du hast Glück gehabt, dass Gino nichts passiert ist, sonst würde sich die Blutrache jetzt weiter durchziehen bis in alle Ewigkeit«, erklärte Reiniger.

»Was? Ich habe ihn nicht umgebracht? Aber er hat mich gesehen und wird sich trotzdem an mir rächen wollen.«

»Wohl kaum, lass uns jetzt gehen.«

»Wohin? Ist Gino wirklich nichts zugestoßen?«

»Du kannst dich in ein paar Minuten selbst davon überzeugen.«

»Sie wollen doch nicht etwa, dass ich ...«

»Komm jetzt. Er hat dich kaum erkannt. Und wenn wir schon, mal in der Gegend sind, warte nur, was ich den Monzarones für ’ne blitzsaubere Story auftische. Du hast nichts zu tun, als ab und an zu nicken und im Übrigen den Mund zu halten.«

»Aber meine Schwester ... Ich ließ Gianna allein nach Hause fahren ...«

»Ich schau mir das mal an«, meinte Reiniger.

Bount Reiniger hakte Silvio Benedotti unter.

»Ein Opfer allerdings hat deine Omerta doch gekostet«, sagte Bount.

Silvio verhielt entsetzt den Schritt.

»Was?«

»Ginos Regenschirm ...«

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