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Sharon atmete tief durch, bevor sie das Mietshaus in der Mott Street betrat. Sie war vom Columbus Park aus zu Fuß hierher gekommen. Nocheese wollte nicht mit seinem auffälligen Wagen durch diese Gegend fahren. Außerdem musste er auf den Mann warten, der die Sache erledigen sollte. Einen Mann, den Sharon nicht zu kennen glaubte.

Leise schlich sie durch das Treppenhaus. Es roch nach Tomatensoße und Kohl. Sie trat auf den Hinterhof. Er war menschenleer. Hinter den offenen Fenstern hörte sie Kinder schreien und Frauen zetern. Die Leute saßen am Mittagstisch.

Sie wollte Wills Absteige über die Hinterhöfe des Häuserblocks zwischen Mott Street und Doyers Street erreichen. Nocheese rechnete damit, dass die Pension von den Kollegen Wills - oder wie auch immer der Mann tatsächlich hieß - beobachtet wurde.

Durch den Hintereingang gelangte Sharon in das Haus. Sie hatte in der vergangenen Woche einmal hier bei Will übernachtet. Die Wut stieg wieder in ihr hoch, als sie sich daran erinnerte. Auf der ausgetretenen Holztreppe lehnte sie sich an die gekalkte Wand. Sie holte das Handy heraus und wählte Nocheeses Nummer. "Ich bin drin", flüsterte sie.

"Gut. Unser Mann ist auch so weit. Er macht sich jetzt auf den Weg zu dir." Sie unterbrach die Verbindung, schloss die Augen und zwang sich ruhig und gleichmäßig zu atmen. Wenn Will ein Cop war, würde er jede Veränderung ihres Verhaltens wahrnehmen. Sie musste ihre Rolle so perfekt wie möglich spielen.

Endlich hatte sie sich einigermaßen unter Kontrolle. Sie stieß sich von der Wand ab und ging leise in das dritte Stockwerk hoch. Vor Wills Tür blieb sie stehen. Noch einmal durchatmen, noch einmal alle Nervenkraft zusammenraffen.

Dann klopfte sie. Eine Matratze knarrte, Bettzeug raschelte. "Ja? Wer ist da?"

"Ich bin's, Sharon."

Wieder Knarren, wieder Rascheln, dann Schritte - die Tür wurde aufgeschlossen. Ein unrasiertes, grinsendes Gesicht erschien im Türrahmen. "Hey, Baby! Das nenn' ich eine gelungene Überraschung!" Er zog sie hinein und umarmte sie. "Bist du noch sauer?"

"Nein." Sie schmiegte sich an ihn, und er küsste sie.

"Hast du deine beruflichen Angelegenheiten schon erledigt?"

"Ja", sie schob ihn zum Bett und zog ihn mit sich auf die Matratze. "Hatte Sehnsucht nach dir."

"Dann ging's dir genauso wie mir", brummte er, "ganz genau wie mir ...", seine Hände schoben sich unter ihre Bluse.

Sharon fühlte nichts in diesem Moment. Absolut nichts - nicht einmal Wut. Sie wünschte nur, dass die Tür sich endlich öffnete, und der Nervenkrieg ein Ende hatte.

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