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Ronald Brookman konnte kaum noch arbeiten. Ständig wanderte sein Blick vom Monitor zur Uhr. Mit unendlicher Langsamkeit wanderte der Zeiger der Sechs entgegen. Brookman fieberte diesem Zeitpunkt entgegen. Peter Nocheese, sein neuer Geschäftspartner, hatte seine Nichte für sechs Uhr angekündigt.
Als endlich der Summton ertönte, der anzeigte, dass jemand am Eingang in der Tiefgarage klingelte, sprang er auf und hastete zur Tür. Mit einem Blick auf die Monitoren der Videoüberwachungsanlage überzeugte er sich davon, dass es auch wirklich Sharon war, die dort unten, im Halbdunkel der Tiefgarage wartete.
Er schaukelte die Treppen hinunter, schloss die Sicherheitstüren auf und schloss die Frau unbeholfen in die Arme. "Endlich." Sie sah blass aus und wirkte nervös. "Geht es dir nicht gut?"
"Nichts Besonderes", sagte sie. Brookmans Welt bestand aus Zahlen. Er hatte nie gelernt auf die Signale zu achten, die Menschen unbewusst durch Stimme und Körperhaltung aussendeten. So entging ihm, dass Sharon sich zu einem Lächeln zwingen musste und dass ihr Gang schleppender war als sonst. Auch ihre hochgezogenen Schultern fielen ihm nicht auf.
Stolz wie ein kleiner Junge führte er sie durch seine Bank. Jede Kleinigkeit zeigte er ihr: Schalterräume, Empfangshalle, Büros und das Herz der Bank - die Tresorräume.
Sharon bot alle Kraftreserven auf, um lächeln zu können, um zu schmeicheln und interessiert nachzufragen, und sich gleichzeitig einige der wichtigsten Schlüssel an seinem Schlüsselbund einzuprägen.
Bevor sie in die Tresorräume hinabstiegen, entschuldigte sie sich und verschwand auf der Toilette. In aller Eile trug sie Einzelheiten der großzügigen Hausführung in ein Notizbuch ein: Die Lage und Funktion von Räumen, die zentrale Schaltung der Alarmanlage, Besonderheiten einzelner Schlüssel und die Räume, zu denen sie gehörten.
Die wichtigste Gedächtnisleistung lag noch vor ihr. Sie holte Spiegel, Röhrchen und Kokain heraus und zog sich eine Dosis in die Nase. Freundlich lächelnd kehrte sie zu Brookmans Büro zurück, wo der aufgekratzte Mann auf sie wartete.
"Im Keller ist es sicher kühl", sagte sie und ließ sich von ihm in ihren Trenchcoat helfen. Mit den Händen in der Manteltasche folgte sie ihm in die Tresorräume. Zwei Bleistifte und zwei leere Karteikarten steckten in ihrer rechten Tasche.
Sie näherten sich der ersten von drei Stahltüren, die durch einen Code geöffnet werden mussten. Einen Code, den nur Brookman und zwei enge Mitarbeiter kannten. Sharons rechte Hand griff nach dem Stift in ihrer Manteltasche und presste die Karteikarte gegen die Außenseite des Oberschenkels. Ihr Kopf fühlte sich an, als hätte sie ihn gerade aus einem Eisbad gezogen.
Während Brookman die Zahlen in die kleine Tastaturen rechts neben den Stahltüren tippte, schrieb sie mit. Ziffer für Ziffer. Und blind, in der Manteltasche. Sie hatte das mit Nocheese ein paar Mal geübt. Gleichzeitig versuchte sie, sich die sechsstelligen Zahlen einzuprägen.
Als sie später wieder in seinem Büro waren und Brookman sich über seinen PC beugte, um ihn auszuschalten, trat Sharon mit ihrer Handtasche ans Fenster. Sie zog die bekritzelte Karteikarte aus dem Mantel und verglich die Zahlen mit denen in ihrem Kurzzeitgedächtnis. Für die letzte Tür hatte sie eine andere Zahlenkombination im Kopf, als auf der Karte. Sie notierte sie in Klammern und ließ die Karte in der Handtasche verschwinden.
Am Abend ließen sie sich von Hong in Brookmans Lincoln zum Kennedy Airport fahren. Selig lächelnd nahm Brookman Sharons Hand. "Wenn du wüsstest, wie glücklich ich bin dich getroffen zu haben."