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Die Staatsanwaltschaft gab Georgs Leiche erst eine Woche nach seinem Tod frei. Dem Obduktionsbericht nach hatte ihn ein Faustschlag ins Gesicht betäubt. Demnach war er bewusstlos gewesen, als sein Mörder ihn mit seiner eigenen Waffe erschoss.
Rätsel gab vor allem der Mageninhalt auf, der auf seinem Bett gefunden wurde. Er entsprach in keiner Weise dem, was die Pathologen in Georges Magen gefunden hatten. Niemand von uns wollte so recht an einen Mörder glauben, der sich angesichts seines Opfers übergibt. Das widersprach einfach unserer Erfahrung.
Außerdem fand die Spurensicherung blonde, lange Haare an der Wand neben dem Bett. Das war nicht weiter aufregend, denn wir alle wussten, dass George mit einer Nackttänzerin aus >Nickie's< angebändelt hatte. Merkwürdig war allerdings, dass diese Frau spurlos verschwunden war.
Also gingen wir mit Prewitt, unserem Zeichner, in die Bar des toten Rispolli, befragten die Gäste und ließen ein Phantombild veröffentlichen. Diese Frau war im Moment unsere einzige heiße Spur.
George wurde auf einem Friedhof im Nordwesten Brooklyns bestattet. Er war alles andere als ein frommer Mann gewesen. Trotzdem bestanden seine Eltern auf ein religiöses Ritual. Der Rabbi, den sie engagierten, beließ es glücklicherweise bei einem knappen Zeremoniell und sparte sich große Worte.
Die Trauergesellschaft war nicht eben groß. Ein paar Freunde von George, ein paar Verwandte und die Jungs von der Bank Robbery Task Force, und eben wir.
Etliche junge Frauen entdeckte ich am Grab. Jede von ihnen hätte gut als Witwe durchgehen können. So spiegelte sich das bewegte Liebesleben unseres Kollegen noch in der Trauergesellschaft wider. Auch Cynthia Parker war gekommen. Sie stellte sich zu Milo und mir. Georges Tod nahm sie ziemlich mit.
Norman Ruther, Georges direkter Vorgesetzter, hielt eine kurze Rede. Er sagte nicht viel. In seiner schnoddrigen Art erwähnte er ein paar Eigenheiten seines toten Mitarbeiters - seine weißen Anzüge, seine eigenwillige Frisur und seine selbstständige und freiheitsliebende Art. Einige mussten schmunzeln. Denn mit dieser Umschreibung wollte Ruther andeuten, dass George sich nie gern etwas sagen ließ. Auch von Ruther nicht, seinem Chef.
"Captain George Sarotti ist einer prächtigsten Polizisten gewesen, die ich gekannt habe, und ich werde keine Ruhe geben, bis sein Mörder hinter Gittern sitzt. Das verspreche ich Ihnen." So schloss er.
Nach der Beerdigung fuhren wir mit Cynthia nach Manhattan hinüber und setzten uns in eine Bar in Seaport. Wir mussten ihr haarklein erzählen, was wir von Georges letzten Tagen wussten. Sie versprach, nur das zu veröffentlichen, was wir ausdrücklich erlaubten. Außerdem hatte sie Takt genug besessen, ihren Kameramann nicht mit auf die Beerdigung zu schleppen. Das rechneten wir ihr hoch an und ließen auch ein paar Insider-Informationen heraus.
"Ihr meint also, die Wanze, die er versucht hat in dem Koffer unterzubringen, sei das unmittelbare Tatmotiv gewesen?"
"Sieht ganz so aus, als wäre er dadurch aufgeflogen", sagte ich.
"Und ihr glaubt, das steht im Zusammenhang mit diesen Banküberfällen?"
Milo zuckte mit den Schultern. "Das fragen wir uns auch. Eigentlich waren die Ermittlungen in dieser Sache schon abgeschlossen, als George starb."
"Du warst ja mit deinem Kameramann am Tatort und hast die Leichen der Bankräuber gesehen", ich bestellte noch einen Kaffee. "Wenn Georges Tod mit den Überfällen in Zusammenhang steht, hieße das: Der Fall ist ganz und gar nicht abgeschlossen."
"Ihr Cops haltet ganz schön zusammen", Cynthia runzelte skeptisch die Stirn. "Wisst ihr, was ich nicht rausbekommen habe?"
"Na?"
"Die Namen der beiden Cops, die die Todesschüsse abgaben. Niemand hat sie herausgerückt."
"Es gibt eben noch Disziplin in unseren Reihen", sagte Milo halb scherzhaft. "Anweisung von oben. Die beiden sollen nicht dem Druck der Öffentlichkeit ausgesetzt werden. Sie wurden übrigens degradiert."
"Es waren dieselben, die auch zwei Wochen zuvor als Erste zur überfallenen Bank kamen."
"Wissen wir", seufzte Milo, "die armen Kerle. Kein Wunder, dass sie die Nerven verloren haben." Er deutete auf Cynthias Notizblock. "Schreib den Satz auf, Mädchen!"
Sie tat ihm den Gefallen. "Und ihr wisst auch, dass sie bei dem Überfall davor auch als Erste zur Stelle waren?"
"So?" Milo und ich sahen uns an.
"Ja - ich habe mein Filmmaterial noch einmal durchgesehen. Dieser große Blonde, und der dunkle Hagere waren auch beim vorletzten Mal die ersten am Tatort."
Wir konnten Cynthia bewegen, das Thema zu wechseln. Plötzlich hatten wir es plötzlich ziemlich eilig. Ohne erst in die Federal Plaza zu fahren, steuerten wir das Revier zehn in der zwanzigsten Straße an. Vanessas und Halifax' Dienststelle.
Den leitenden Captain verpflichteten wir zum Stillschweigen und beschlagnahmten das Dienstprotokollbuch der letzten drei Monate. Bis in die frühen Abendstunden brüteten wir über den Aufzeichnungen. Cynthia hatte mehr als recht - bei allen fünf Überfällen in Chelsea hatten Vanessa und Halifax Dienst geschoben. Und nicht allein das: Sie waren immer die Ersten gewesen, die am Tatort eintrafen ...