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Nach dem Schachabend hatte der Chairman des Clubs zu einem Drink eingeladen. Die Bar in der siebzehnten Straße war gemütlich. Und sie hatte lange auf. Es blieb nicht bei einem Drink. Aber das war Hong gewohnt. >Zu einem Drink< eingeladen werden, hieß im Schachclub: Saufen bis der Morgen graut. Etwa zweimal im Monat kam das vor.
In den frühen Morgenstunden wankte Hong zur Metrostation in der achtzehnten Straße, Ecke Seventh Ave. Eine Gestalt kam ihm entgegen. Eine schlanke Gestalt. Trotz der Dunkelheit, und trotz des Zustandes seiner Hirnzellen erkannte er sofort, dass es eine Frau war.
Etwa hundert Schritte, bevor sie sich begegnen würden, wechselte sie die Straßenseite. Hong war von Jugend an kurzsichtig. In der Küche trug trug er grundsätzlich eine Brille. Das übertriebene Schachspielen in den letzten Jahren hatte seine Augen wohl noch verschlechtert.
Jedenfalls hatte Hong sich früh angewöhnt, die Menschen an ihrem Gang zu identifizieren. Bevor er das Gesicht eines Bekannten erkennen konnte, erkannte er seinen Gang. So war das.
Und der Gang der Frau, die er hier kurz vor der Metrostation an der achtzehnten Straße die Straßenseite wechseln sah - dieser Gang kam ihm bekannt vor.
Er blieb stehen und sah der Frau hinterher. Er merkte bald, dass sie nicht aus Angst oder aus Vorsicht die Straßenseite gewechselt hatte, sondern weil sie auf der anderen Seite wohnte. Hong sah sie hinter dem Eingangsportal eines Hotels verschwinden.
Grübelnd setzte er seinen Weg zur Metro fort. Es wusste, dass er den Gang kannte. Aber er konnte nicht sagen woher. Die Information klemmte irgendwo in seinem benebelten Schädel fest und wollte nicht ums Verrecken in sein Bewusstsein dringen. Als er in der U-Bahn saß, sah er zwei chinesische Frauen. Sie waren in einem ähnlichen Zustand wie er. Er sprach sie an und vergaß die Frau mit dem seltsam vertrauten Gang.