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Sharon kehrte erst um die Mittagszeit in ihr Hotel zurück. Sie hatte Vanessa angerufen und dann in einem Bistro in Little Korea ausgiebig gefrühstückt. Sie fühlte sich so zufrieden und entspannt wie lange nicht mehr.

Nach einem heißen Bad wollte sie ein wenig schlafen. Für den späten Nachmittag hatte sie einen Flug nach Miami gebucht. Heute Abend würde sie den ganzen Sumpf hinter sich lassen und alles vergessen können, was sie in dieser verdammten Stadt erlebt hatte.

Mit dem Geldkoffer in der Hand ging sie die Treppe zum ersten Stock hinauf und schloss ihre Zimmertür auf. Den Trenchcoat hängte sie an die Garderobe neben dem Bad, den Koffer nahm sie mit in den Schlafraum.

Sie schob den Vorhang beiseite, der Schlafraum und Flur trennte - und erstarrte. Auf dem Bett saß ein Mann. Brookman.

Für Sekunden sahen sie sich nur schweigend an. Brookman war blass, schwarze Schatten lagen unter seinen geröteten Augen. "Du kommst spät." Er sprach heiser und leise. "Ich warte seit vierzehn Stunden auf dich."

"Wie kommst du hier rein?" Sharon stand immer noch wie festgewachsen im Türrahmen, in der einen Hand den Koffer mit dem Geld, in der anderen den Vorhang.

"Der Nachtportier", krächzte er. "Für Geld machen die Menschen alles. Das weißt du doch, Sharon."

Sie wirbelte herum und griff nach ihrem Trenchcoat, um sich die Magnum zu holen. Mit einer Schnelligkeit, die sie ihm niemals zugetraut hätte, sprang er auf und riss sie zu Boden. Mit einer Pistole in der Hand stand er über ihr.

"Steh auf." Sie gehorchte. "Nimm den Koffer und leg ihn aufs Bett." Sie tat es. "Und nun öffne ihn."

Ihr Brustkorb schien sich zu verengen. "Nocheese war es. Ich komme gerade von einem seiner Handlanger ..."

"Öffne den Koffer", unterbrach er mit heiserer aber ruhiger Stimme. Sharon spürte den Hass hinter dieser Stimme. Seine äußere Ruhe war weiter nichts als ein vorläufiger Damm vor dem zerstörerischen Chaos mühsam unterdrückten Hasses. Ihr Atem flog plötzlich, die Innenflächen ihrer Hände wurden nass. Sie klappte den Deckel des Koffers auf.

"Ich hab ihn fertiggemacht, es ist dein Geld ..." Er warf nur einen kurzen Blick auf das Geld. Dann bohrten sich seine Blicke wieder in ihre Augen. "Glaub mir, Ron, ich ..." Unbeweglich stand er da. Fast wie eine Statue.

"Weißt du noch, Sharon - unsere Tage in Florida?" Sie wollte ihm irgendeine Geschichte auftischen, aber ihr Hirn war auf einmal wie verklebt. "Unsere Küsse, unsere Nächte - weißt du noch?" Seine Stimme wurde leiser. "Weißt du noch, wie du mir sagtest >ich liebe dich, Ronnie<?" Er flüsterte nur noch. "Ich habe dir vertraut, Sharon."

Sie glaubte, er würde jeden Moment schießen. Doch er schoss nicht. Er ließ die Pistole fallen. Sie wollte aufatmen. Und dann brach der Damm: Sein Gesicht verzerrte sich. Mit einem heiseren Schrei stürzte er sich auf sie. Seine Hände schlossen sich um ihren Hals, und der unsagbare Hass, der sich in ihm aufgestaut hatte, strömte in seine Hände. Sie verwandelten sich für fast drei Minuten in lebendige Wesen, die taten, was sie wollten. Und sie wollten töten.

Sharon trat um sich, schlug zu - doch die dämonische Kraft des Hasses schien den weichen, unförmigen Ronald Brookman in einen Felsblock verwandelt zu haben.

Als alles vorbei war, ließ er ihren Körper aufs Bett fallen. Er betrachtete ihr blau angelaufenes Gesicht, ihre toten Augen, ihren aufgerissenen Mund, als würde er ein Foto aus uralten Zeiten betrachten.

Schließlich wandte er sich ab und ging ein paar Minuten lang seufzend im Zimmer auf und ab. Dann rief er die Rezeption an und ließ sich die Nummer des FBI-Office geben.

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