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Die Neuigkeiten waren umwerfend. So umwerfend, dass Miller nach Schalterschluss gar nicht schnell genug zum Schermerhorn Row kommen konnte. In diesem restaurierten Lagerhauskomplex am Seaport lag seine Stammkneipe: Der North Star Pub.

Dort setzte er sich wie immer ganz ans Ende der Theke, von wo aus er die Bar überblicken konnte. Und wie immer ließ er sich ein Guinness zapfen.

Bertrand war tot - auf einen Zug trank er das halbe Glas leer. Bertrand war tot - das musste er erst einmal verkraften.

Er hatte die Nachricht erst eine Stunde vor Schalterschluss bekommen. Einer der Direktoren hatte ihn im Vorübergehen von dem Überfall berichtet. Unglaublich: Vor zwei Tagen hatte Miller noch mit Bertrand gesprochen - oder gestritten, genauer gesagt - und jetzt war er tot!

Was Raymond Miller so elektrisierte an dieser Neuigkeit, war nicht allein die immer erregende Tatsache einer tödlichen Sensation - ein Überfall in der eigenen Firma, der Tod eines Menschen, den er kannte! Was ihn aus dem Häuschen geraten ließ, war der merkwürdige Zufall, dass er ausgerechnet jetzt in der Zentrale arbeitete.

Eigentlich hätte Bertrand den Filialleiter auf eine Schulung begleiten sollen. Und er, Miller, hätte dann die Verantwortung gehabt. Und vielleicht jetzt auch die Kugel im Kopf oder sonst wo. Aber weil die Zentrale ihn wegen eines personellen Engpasses vorübergehend versetzt hatte, war Bertrand jetzt tot. Und er saß hier und trank Guinness.

"Auf dein Glück", murmelte er und leerte sein Glas. "Noch ein Guinness bitte!" Die Bar füllte sich allmählich - Verwaltungsangestellte, Beamte aus der Stadtverwaltung, junge Banker und Manager.

Man konnte nicht sagen, dass Miller sonderlich erschüttert war. Er hatte Bertrand nie besonders gemocht. Nun gut - das wäre natürlich noch kein Grund gewesen, sich über seinen Tod zu freuen. Allerdings war nun der Platz des stellvertretenden Filialleiters unbesetzt ...

Das war der zweite Grund für Millers aufgekratzten Zustand, nach dem er von Bertrands Tod gehört hatte.

"Wer sollte sich besser für den frei gewordenen Posten eignen, als ein junger dynamischer Finanzwirt mit besten Zeugnissen, wie ich, Raymond Miller ..." Er lächelte versonnen in sich hinein.

"Hast du was gesagt?" Die Kellnerin stellte das frische Bier vor ihn hin.

"Nein, nein", grinste er und griff nach dem Glas. "Prost!"

Drei Männer seines Alters gesellten sich zu ihm. Junge Anwälte einer Mammutkanzlei in der South Street. Genauso karriereversessen wie er.

"Hi, Ray - deine Stimmung scheint im achtzigsten Stock angekommen zu sein!" Sie schlugen ihm auf die Schulter.

"Kann man so sagen!" Miller wandte sich an die Kellnerin. "Eine Runde auf mich!"

Witze wurden gerissen, Neuigkeiten ausgetauscht, Frauen, die sie gemeinsam kannten durchgehechelt. Beim vierten Bier schob sich ein beunruhigender Gedanke in Millers Hirn: Wenn es nun gar kein Zufall war, dass die Bank ausgerechnet während der Zeit seiner Abwesenheit überfallen worden war ...

Der Direktor hatte erzählt, dass man Bertrand mit seiner Familie unter Druck gesetzt hatte. Also mussten die Bankräuber wissen, dass er Familie hat ...

"Sie haben ihn beobachtet", dachte Miller. "Und wahrscheinlich wussten sie, dass man mich höchstens mit der Drohung unter Druck setzen kann, meinen nagelneuen Porsche zu zerkratzen." Ihm dämmerte langsam, dass die Männer, die hinter dem Überfall steckten, auch ihn beobachtet hatten ...

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