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Wir arbeiteten uns durch die umfangreichen Akten, die sich im Laufe eines Jahres angesammelt hatten: Die Banküberfälle schienen tatsächlich von ein und derselben Bande ausgeübt worden zu sein. Die Parallelen waren mehr als auffällig: Ein kleiner, kräftig gebauter Mann, der weiter nichts tat, als Belegschaft und Kunden mit einer MP zu bedrohen, ein mittelgroßer, hagerer Mann, der den Filialleiter zwang, mit ihm in den Tresorraum zu gehen. Letzterer immer im Anzug. Mal dunkel, mal sportlich, mal elegant. Und obwohl sie die Masken erst herunterließen, wenn sie zur Sache gingen, gab es keine brauchbare Beschreibung der Burschen. Irgendwie verstanden sie es, ihre Gesichter zu verbergen, sobald sie sich im Bereich der Videokameras aufhielten.

Profis jedenfalls. Profis, die nicht lange fackelten. Bertrand war bereits der zweite Filialleiter, der sein Pflichtbewusstsein mit dem Leben bezahlen musste.

Und natürlich hatten sie noch einen dritten Mann im Hintergrund. Einen Fahrer. Zeugen hatten die beiden in einen grauen Ford-Kombi springen sehen. Niemand konnte ein Kennzeichen nennen. Und keine Spur von dem Fahrzeug.

Wir konnten nicht ungestört an dem Fall arbeiten. Ständig kam etwas dazwischen. Mal wurden wir zu einer Geiselnahme gerufen, mal spannten uns Jay Kronburg und sein Partner Leslie Morell für eine Personenüberwachung ein, mal engagierten uns Medina und Stev Dillagio für die Verhaftung eines Drogenhändlers und seiner Handlanger.

Immer wieder kehrten wir an unsere Schreibtische zurück und versuchten neue Mosaiksteine zusammenzutragen, die uns die Spur zu den Bankräubern deutlicher zeigen sollte. Aber es war mühsam. Verdammt mühsam.

Nicht ganz zwei Wochen nach dem Überfall auf die New York Traffic Bank hatten wir eine ausführliche Computeranalyse aller vorliegenden Fakten zusammengestellt. Wir klemmten uns den Papierkram unter den Arm und fuhren hinüber zu Norman Ruther.

Dessen Büro lag im Stadtteil Civic Center, in der Centre Street. Die Zentrale der >Bank Robbery Task Force< war im gleichen Gebäude untergebracht, wie das Manhattaner Untersuchungsgefängnis für Männer und diverse Räume der Justiz - im Criminal Court Building.

"Knifflige Angelegenheit", begann Milo als wir mit Ruther in dessen Konferenzecke saßen. "Die Burschen schnappen zu wollen, ist wie ein Puzzlespiel, das zu neunzig Prozent aus weißen Teilen besteht."

"Legen Sie einfach mal los." Ruther zündete ein West an und lehnte sich in seinem Sessel zurück.

"Wir haben die wenigen Fakten, die wir kennen mal auf ein paar Tabellen zusammengestellt." Ich reichte ihm unsere Analysepapiere. "Gegliedert nach Vorgehensweise, Fluchtwagen, Waffen, Personenbeschreibungen, Auswahl der Bankfilialen."

Ruther überflog die Blätter und grunzte irgendetwas Zustimmendes.

"Über den Fahrer ist überhaupt nichts bekannt - kein Zeuge hat ihn beschreiben können. Von den anderen beiden kennen wir nur Größe und Statur. Trotzdem haben wir die spärlichen Angaben in den Computer gesteckt. Der Rechner hat die Daten mit denen sämtlicher Männer verglichen, die in den letzten Jahren wegen Bankraub vor Gericht erscheinen mussten. Und zwar im ganzen Gebiet der Vereinigten Staaten."

Norman Ruther sah mich fragend an. "Wir konnten etwa fünfzehn Männer herausfiltern. Die vier, die nicht im Gefängnis sitzen, werden gerade von unseren Dienststellen in Oklahoma, Minnesota, Maine und Utha unter die Lupe genommen."

Ruther nickte anerkennend. "Und der Wagen?"

"Ein Allerweltstyp", sagte Milo, "führt uns im Augenblick nicht weiter."

"Anders als die Waffen", warf ich ein. "Wenn man nicht gerade ein FBI-District Office überfällt, kommt man an diese Waffe ja nicht so ohne Weiteres heran. Wir gehen mal davon aus, dass die Täter sich die Maschinenpistolen über dunkle Kanäle besorgt haben. Wir haben sämtliche Beamte im Stadtgebiet New York Citys angewiesen, ihren Verbindungsleuten in die Unterwelt auf den Zahn zu fühlen."

Ruther nahm eines der Papiere hoch und las aufmerksam. "Ihr glaubt, dass die Burschen in New York City wohnen?" Kritische Falten erschienen auf seiner Stirn. "Wir kommt ihr darauf?"

"Ist zunächst nur eine Arbeitshypothese, die völlig daneben liegen kann." Ich formulierte es vorsichtig.

"Untertreib nicht, Partner", fuhr Milo mir in die Parade. "Ein bisschen mehr ist das schon." Er wandte sich an Ruther. "Einmal liegen die ersten drei überfallenen Banken in einem Radius von circa 80 bis 100 Meilen von New York City entfernt." Ruther schüttelte zweifelnd seinen großen Schädel. "Und zum anderen liegt die dritte überfallene Bank direkt im Herzen Manhattans. Wir glauben nicht, dass Leute, die nicht zu Hause sind in diesem Labyrinth, dort eine Bank überfallen."

"Noch dazu mit einem Auto als Fluchtwagen", ergänzte ich.

"Überzeugt bin ich nicht", Ruther drückte seine Zigarette aus. "Aber einen Ansatzpunkt braucht man ja. Und was habt ihr jetzt vor?"

"Den üblichen Kleinkram - Mietwagenfirmen und Autohäuser nach grauen Ford-Kombi-Modellen abklappern, mit der Beschreibung der verschiedenen Anzüge und Sakkos der Burschen bei den Mode- und Kaufhäusern anklopfen ..."

"Und die Bankangestellten noch einmal differenziert verhören", schloss Milo.

"Na dann mal los", brummte Norman Ruther. Er schaute auf seine Uhr. "Gleich Feierabend." Sein kleinen Augen funkelten verschmitzt. "Kommt, ich lad euch zu 'nem Bier ein."

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