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"Wo hast du den kleinen Finger und den halben Ringfinger gelassen?" Trisha hielt Herbys verstümmelte Hand fest und betrachtete sie neugierig.
"Bei einer Wette verloren." Herbert Moriga machte seine Hand los und fuhr fort, sie über Trishas nackten Körper tanzen zu lassen.
Trisha setzte sich ruckartig auf. "Bei einer Wette?" Herbert nickte. "Wo?"
"Irgendwo in einem Sumpf in Louisiana", grinste Herby und stützte sich in sein Kopfkissen. Sie zog fragend die Augenbrauen zusammen. "Willst du die Geschichte wirklich hören?" Er ließ sich auf den Rücken fallen.
"Ja, ich will", das Mädchen verschränkte seine Arme auf der schwarz behaarten Brust Morigas und sah ihn auffordernd an.
"Wir hatten da ein Manöver, schon ein paar Jahre her", erzählte Herbert Moriga. Er überlegte. "Klar - sieben Jahre ist das jetzt her. Meine Einheit musste eine Panzerbrücke über den Mississippi bauen."
"Du hast mir noch gar nicht erzählt, dass du Soldat warst?", staunte Trisha.
"Ich kam ja nicht dazu", grinste er. "War ja ständig damit beschäftigt, dir zuzuhören und dich zu vögeln ..." Sie stieß einen spitzen Schrei aus und schlug ihm mit der Faust auf seinen Brustkorb.
"Erzähl weiter, du Mistkerl."
"Wir lagen also in den Sümpfen nördlich von New Orleans, und eines Abends kroch uns ein Alligator über den Weg." Trisha schlug die Hand vor den Mund. Ihre Augen weiteten sich erschrocken. "Und dann kam unser Sergeant auf die Idee, das Biest mit Whisky abzufüllen."
"Nein!", entfuhr es Trisha. "Das glaub ich nicht!"
"Dann lass es bleiben." Er strahlte sie an und fuhr ihr mit der Linken über das blonde Stoppelhaar. Seine Rechte tastete nach einer blauen Zigarettenschachtel auf dem Nachttisch. "Der Sergeant setzte jedenfalls zweihundert Dollar aus. Und ich hab sie mir verdient."
"Bist du wahnsinnig?!", rief Trisha entsetzt. "Wieso hast du so etwas Verrücktes getan?!"
Herby zuckte mit den Schultern. "Hat mich gereizt ... Mit einem Alligator catchen - wollte ich einfach mal erleben. Jedenfalls hat's das Biest sein Leben gekostet, den Sergeant zweihundert Dollar und mich anderthalb Finger." Er lachte laut und zündete sich eine Gitane an.
Trisha war fassungslos. "Machst du öfter so verrücktes Zeug?"
Herby zuckte mit den Schultern. "Nicht oft, alle sieben Jahre etwa." Er grinste breit. "Tu nicht so entrüstet", schimpfte er scherzhaft. "Denk' daran, wo wir uns kennengelernt haben - in einer Bank zu arbeiteten ist viel gefährlicher. Und du gehst nicht nur alle sieben Jahre an deinem Kassenschalter."
Sie zog die Decke von seinem muskulösen Körper und schob sich auf ihn. "Da hast du auch wieder recht."
"Bist du schon einmal überfallen worden?"
Sie schüttelte den Kopf. "Komisch eigentlich. Ganz am Anfang habe ich in der Filiale in Chelsea gearbeitet. Da war häufig jede Menge Geld im Tresor - die Geschäftsleute vom Herald Square brachten ihre Einnahmen immer zu uns, weil sie die Filiale für sicher hielten. Und donnerstags lagern immer die Lohngelder für die Arbeiter in den Markthallen. Trotzdem ist die Filiale noch nie überfallen worden. Aber ich hatte immer ganz schön Schiss."
"Und wo hast du danach gearbeitet?"
"In Civic Center, in der Zentrale. Liegt nicht weit vom Seaport entfernt."
"Ich kenn' sie", sagte Herby, der aufmerksam zuhörte. "Bin ab und zu dort."
"Ach ja", lächelte Trisha, "du bist ja Kunde bei uns." Ihr fiel der konzentrierte Ausdrucke um seine Augen nicht auf. Wenn sie einmal in Fahrt war - und sie kam schnell in Fahrt - erzählte sie drauflos, ohne überhaupt einen Gedanken daran zu verschwenden, ob sich ihr zum Schweigen verurteilter Gesprächspartner für ihre endlosen Geschichten interessierte.
Herbert Moriga interessierte sich sehr dafür.
"In der Zentrale hatte ich mich dann schon an die Möglichkeit gewöhnt. Man denkt irgendwann einfach nicht mehr dran, dass man überfallen werden könnte. Und in der Zentrale rechnet sowieso niemand mit einem Überfall."
"Wieso nicht?" Herbert reckte das Kinn nach oben, um ihr den Rauch nicht ins Gesicht zu blasen.
"Weil ganz in der Nähe eine Sondereinheit der Polizei stationiert ist. Die ist für Banküberfälle zuständig. Außerdem ist immer so viel Publikumsverkehr im Geschäftsraum - kein Mensch würde auf die Idee kommen, diese Bank zu überfallen. Jedenfalls kein vernünftiger."
Mit gezielten Fragen und kurzen Bemerkungen brachte Herbert sie dazu, mehr zu erzählen. Er hatte nie geplant, sie über die Banken auszufragen, die sie kannte. Er hatte sich verliebt und wollte mit ihr schlafen - weiter nichts. Aber durch ihre Gesprächigkeit hatte sie die Idee wieder angefacht, die er nun schon seit fast zwei Wochen mit sich herumtrug.
Stunden später lag sie schlafend in seinen Armen. Er starrte in das schummrige Licht, das der dreiarmige Leuchter auf dem runden Tischchen vor dem Bett verbreitete. Und er rauchte. Was Trisha ihm über die Banken erzählt hatte, rotierte in seinem Kopf.
Irgendwann stand er auf. An seinem Sekretär zog er eine Schublade auf und kramte ein frisches Notizbuch heraus. Jede Einzelheit, die sie erwähnt hatte, notierte er. Danach wurde er ruhiger. Er trank einen Whisky und legte sich wieder zu Trisha. Das Karussell in seinem Kopf kam erneut in Schwung. Der tote Bertrand geisterte durch seine Hirnwindungen, der Zettel in der zitternden Hand der rothaarigen Kollegin Trishas, und die beiden stummen Bankräuber mit den verschleierten Gesichtern und den Maschinenpistolen.
Gesichter alter Freunde zogen ihm durch den Kopf. Männer, die er teilweise Jahrelang nicht gesehen hatte. In Gedanken ging er alle Einzelheiten durch, die er aus ihrem Leben wusste. Keinem war so etwas Hirnverbranntes wie ein Banküberfall zuzutrauen. Keinem - bis auf einen. Sein alter Sergeant. Bruce Striver.
Im Morgengrauen stand er auf. Während in der Küche die Kaffeemaschine brodelte, suchte er Strivers Nummer heraus. Mit einem Pot dampfenden Kaffees und einer Gitane saß er eine Viertelstunde später neben seinem Telefontisch ...