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Es lief genauso, wie ich es mir vorgestellt hatte - eine ganze Woche lang schwärmten wir in achtzehn Zweierteams aus und überprüften jeden Mann, der in New York City professionell mit Pferden zu tun hatte. Und danach hatten wir noch mal fast eine Woche lang zu tun, um alle Alibis zu überprüfen. Ein langweiliger, trockener Job - reine Routinearbeit, aber das gehört nun mal auch zu unserem Polizeialltag.

Am Ende hatten wir eine Liste mit sage und schreibe: sechsundsiebzig Namen. Alles Männer, die für ein oder zwei der Tage, an denen die Überfälle verübt wurden, kein Alibi hatten. Sie alle mussten mit besonderer Sorgfalt überprüft werden. Milo und ich knöpften uns diejenigen unter ihnen vor, die schon vorbestraft waren.

Ein Mann namens Juan Bezaretta erschien uns besonders verdächtig. Er war wegen Raubüberfalls vorbestraft und hatte für keines der fraglichen Daten ein Alibi. Wir wollten an seinem Arbeitsplatz mit ihm sprechen und fuhren in die Upper West Side, wo in der neunundachtzigsten Straße die Claremont Riding Akademie lag. Dort arbeitete Bezaretta als Pferdepfleger.

"He", sagte Milo überrascht, "ich wusste gar nicht, dass es bei dir um die Ecke eine Reitschule gibt!"

"Ich bin ein paar mal dran vorbeigefahren, aber richtig wahrgenommen hab ich Akademie nie."

"Wär doch was für deine Freizeit", sagte Milo, "soll gut für die Psyche sein."

Ich überhörte das höflich. "Apropos Freizeit und Psyche - was macht denn deine neue Flamme?" Ich setzte den Blinker und fuhr durch ein großes, aufgesperrtes Holztor in den Innenhof der Reitschule hinein.

Der missmutige Zug um den Mund meines Partners entging mir nicht. "Hellwaches Mädchen. Interessiert sich für alles. Kann gar nicht genug kriegen von meinen Schilderungen unserer Arbeit." Ich parkte in der letzten freien Parklücke auf dem Hof. Die Reitschule schien sich regen Zulaufs zu erfreuen.

"Allerdings kann sie auch von Männern nicht genug kriegen." Milo öffnete sein Gurtschloss.

"Was willst du mehr?", grinste ich und zog die Handbremse an.

"Interessante Frage." Milo machte keine Anstalten auszusteigen. Offenbar gab es da etwas, was man nicht jedem erzählt. "Was will ich eigentlich mehr ...?" Er wandte mir sein Gesicht zu. Ein verlegenes Grinsen spielte um seine Augen. "Ich habe rausgekriegt, warum sie so wenig Zeit hat - sie hat noch einen Zweiten."

"Oha! Den spritzigen Ex-GI?" Er nickte. "Und woher weißt du das?"

Er lachte trocken auf. "Sie hat es mir gesagt. Und sie hat vorgeschlagen, dass wir uns mal zu dritt treffen."

Ich konnte nicht anders, ich musste lachen. "Da hast du dir ja eine lustige Lady angelacht. Und wirst du dich auf dieses Abenteuer einlassen?" Milo tippte sich an die Stirn und stieg aus.

Kurz darauf wurde es hektisch: Unser Mann war schon seit Tagen nicht mehr an seinem Arbeitsplatz erschienen. "Am gleichen Nachmittag, als Ihre Kollegen hier waren, verschwand er", erklärte uns der Leiter der Reitschule. "Kein Brief, kein Anruf, nicht mal seinen Wochenlohn hat er sich abgeholt."

Wir veranlassten sofort eine Großfahndung. Für ein paar Stunden glaubten wir, dem ersten der drei Bankräuber dicht auf den Fersen zu sein.

Am späten Abend ging ein Hinweis des Nachtportiers eines kleinen Hotels in der Bronx ein. Er behauptete, Juan Bezaretta habe ein Zimmer in seiner Absteige gemietet.

Mit einem Greifkommando rückten wir nach Mitternacht in dem Hotel an. Unser Mann war in seinem Zimmer. Er schien schon zu schlafen, denn das Zimmer war dunkel. Während zwei Kollegen aus der Bank Robbery Task Force sich über die Feuerleiter an Bezarettas Zimmer heranpirschten, schlichen Milo und ich in den zweiten Stock des Hauses und postierten und rechts und links der Zimmertür.

Wir warteten ab, bis wir die Stimmen der Kollegen auf der Feuerleiter in unseren Walkie-Talkies hörten. "Wir haben Stellung bezogen."

Ich nickte Milo zu. Er nahm Anlauf, trat die Tür ein und riss seine SIG mit beiden Händen hoch. "Cool bleiben, Bezaretta! FBI! Wir haben 'ne Verabredung!" Breitbeinig stand mein Partner im Türrahmen. Ich hinter ihm.

Dann ging alles sehr schnell: Bezaretta rollte sich aus dem Bett, riss gleichzeitig eine Waffe hoch und drückte ab.

Milo und ich warfen uns fast gleichzeitig auf den stinkenden Teppichboden. Hinter uns schlug die Kugel über der Tür ein. Bezaretta hechtete auf das Fenster zu. Ich zielte auf die Beine. Wir wollten ihn unter allen Umständen lebend haben.

Er konnte das Fenster noch aufreißen, doch dann holte mein Schuss ihn von den Beinen. Er schrie auf und schlug lang hin. Im gleichen Moment erschien eine Gestalt mit Sturmmaske draußen vor dem Fenster. Mit einem Satz war der Kollege im Zimmer und trat Bezaretta auf die Schusshand.

Blitzschnell war ich auf den Beinen, entwaffnete den Burschen und legte ihm Handschellen an. Wir führten ihn ab.

Die halbe Nacht verhörten wir ihn in der Zentrale der Bank Robbery Task Force. Gegen Morgen waren wir um eine Illusion ärmer: Das vierundzwanzigste Revier der City Police faxte uns das Phantombild eines Mannes zu, der vor fünf Wochen einen Taxifahrer überfallen und getötet haben sollte. Es hatte verflixt viel Ähnlichkeit mit Juan Bezaretta.

Gegen Morgen gab es eine Gegenüberstellung. Ein Zeuge erkannte Bezaretta wieder. Er hatte den Taxifahrer auf dem Gewissen. Daher sein plötzlicher Drang, sich vor uns verstecken. Von einer heißen Spur zu unseren Bankräubern waren wir noch genauso weit entfernt wie zuvor.

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