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Die gute Trisha war auf ihre Art ein entzückendes Mädchen: Sie versprühte einen verführerischen Charme, schien ein hitziges Temperament zu haben, und verfügte über eine witzige Schlagfertigkeit, die das Zusammensein mit ihr zu einem Vergnügen machten.

Ich konnte meinen Partner verstehen. Von so einer Frau trennt man sich nicht freiwillig.

Wir waren zu dritt unterwegs an diesem Freitagabend. In SoHo, im >Mezzogiorno<, aßen wir zusammen. Milo hatte uns eingeladen. Lange nach Mitternacht landeten wir nach Umwegen über vier oder fünf Bars in einer unserer Lieblingskneipen - in >McSorley's Old Alehouse<. Der Wirt dieser Spezialkneipe behauptet standhaft, die älteste Bar in New York City zu führen. Wir hatten das noch nicht nachgeprüft. Jedenfalls ist es die Kneipe mit der besten Atmosphäre und mit verdammt gutem Bier.

Milo und ich dachten mit keinem Gedanken an unseren Job, als wir zu dritt die abgewetzten Barhocker an der Theke von >McSorley's< bestiegen. Und ehrlich gesagt: Wir waren nicht mehr ganz nüchtern. Eben hatten wir angestoßen und tranken von dem fetten, dunklen irischen Bier, da hatte Trisha nichts Besseres zu tun, als uns an die Bankräuber zu erinnern, die wir hinter Gitter bringen wollten.

"Guckt mal die Typen da hinten an dem Tisch", kicherte sie, "die sehen aus, wie die beiden Kerle, die meine Bank überfallen haben."

Synchron fuhren unsere Köpfe herum. Fehlanzeige: Das Einzige, was die beiden Männer mit den Beschreibungen der beiden Bankräuber gemeinsam hatten, waren ihre Klamotten. Aber selbst das nur entfernt. Dem smarten, dürren Burschen mit dem dunklen Nadelstreifenanzug fiel sein langes, welliges Haar bis über die Schulterblätter hinab. Und der andere, der ihm gegenüber am Tisch saß, trug zwar eine sportliche Kombination, hatte aber schwarze Hautfarbe und war groß und breitschultrig, wie ein Basketball Star.

"Mensch, Trisha!" Milo machte ein weinerliches Gesicht. "Kannst du uns nicht mal wenigstens zwei Stunden lang mit dieser leidigen Geschichte in Ruhe lassen?"

"Nein, das kann ich nicht", kicherte sie, "ihr seid Polizisten, und Polizisten sind immer im Dienst."

"Stimmt, Mädchen", sagte ich gönnerisch. "Höre also mein dienstliches Urteil: Wir werden die beiden nicht überprüfen. Der eine ist nämlich zu dürr, zu jung und zu langhaarig, und der andere zu schwarz."

Trisha schnitt eine skeptische Grimasse. "Hast du nicht gesagt, dass auch bei dem letzten Banküberfall nur noch die Kleiderordnung gestimmt hat?", hakte sie an Milo gewandt nach.

"Richtig", nickte ich.

"Plötzlich steht der mittelgroße Schmale in buntem Sakko an der Tür und hält die Belegschaft und die Kunden in Schach, und der untersetzte Athlet trägt den dunklen Anzug und verschwindet mit dem Direktor im Tresorraum." Sie hatte recht - so lauteten die Zeugenaussagen, und so konnte man es auch in der Presse nachlesen.

"Hat uns zunächst auch Kopfzerbrechen bereitet", räumte ich ein und nahm die Zigarette an, die Milo mir anbot. "Inzwischen glauben wir, dass die sogenannte Schleierbande einfach mal zur Abwechslung die Rollen getauscht hat." Milo gab mir Feuer. "Nur um Verwirrung zu stiften, verstehst du, Trisha?"

"Ach so." Trisha nickte nachdenklich.

"Der kleine Kleiderschrank in dem dunklen Anzug hatte sich sogar mit dergleichen penetranten Duftwolke umgeben, wie sonst immer der dünne Hänfling."

"Ach ..." Eine kleine Falte erschien zwischen Trishas Augenbrauen.

Milo und ich sahen uns an. Und wurden uns wortlos einig, sofort das Thema zu wechseln. Freie Abende wie dieser waren selten genug.

"Auf meinem Motorradtrip durch die Rocky Mountains war ich vor zwei Monaten in einer Bar, die erinnerte spontan mich an >McSorley's< ..." Milo begann von seinem Sommerurlaub zu schwärmen, und bald klapperten wir in Gedanken die Kneipen ab, die wir in den verschiedenen Bundesstaaten kennengelernt hatten. Nur Trisha war plötzlich merkwürdig wortkarg ...

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