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"Jetzt weiß ich endlich, was mir gefehlt hat in den letzten drei Wochen", sagte ich, während mir Mandy meine Tasse mit ihrem Kaffee füllte. Ich sog den Duft der dampfenden, schwarzen Brühe schnuppernd durch die Nase ein. "Wenn mich nicht alles täuscht, bin ich wieder zu Hause."

Mandy schenkte mir ein mütterliches Lächeln. "Freut mich, wenn ich Ihnen den ersten Arbeitstag ein bisschen leichter machen kann."

"Sie werden es nicht glauben, Mandy - Kaliforniens Sonne hat mir gut getan, aber ich freu' mich wieder hier zu sein."

"Hört, hört - der G-Man lag drei Wochen am Strand", höhnte Milo neben mir, "und jetzt will er uns weismachen, dass Kaliforniens Sonne ihn davon abgehalten hat, uns wenigstens mal eine Karte zu schreiben."

Ich grinste und dachte an die süße Lady aus Columbo/Ohio. "Eine einzige Karte mit einem einzigen kurzen Satz", fuhr Milo fort, ">es geht mir gut<, oder >geschieht euch recht, dass ihr im Big Apple schwitzen müsst< - aber er kam nicht dazu, die Sonne, die Sonne ...", er hielt Mandy die Tasse hin und mimte den Neidhammel. "Wie hieß sie denn, die kalifornische Sonne, die so viel Zeit beanspruchte?"

"Ich weiß gar nicht, wovon Sie sprechen, Special Agent", sagte ich und spielte den Ahnungslosen. "Erzählen Sie mir lieber, womit Sie die Zeit totgeschlagen haben während meines Erholungsurlaubes."

"Das will ich Ihnen gerne sagen, Mr. Trevellian - zunächst einmal war ich ein paar Tage lang damit beschäftigt, Verhörprotokolle, Beweisaufnahmen und Berichte zu schreiben. Über einen Fall, den wir gemeinsam gelöst haben, bevor Sie ihren Erholungsurlaub antraten", er hob den Zeigefinger seiner rechten Hand. "Ich wiederhole: Gemeinsam gelöst haben! Aber einsam und mutterseelenallein musste ich die schwere und verantwortungsvolle Aufgabe übernehmen, die Papiere für Washington und den Staatsanwalt zu schreiben. Der wollte ja schließlich den syrischen Gentlemen anklagen, den wir auf der Manhattan Bridge geschnappt hatten, gemeinsam geschnappt hatten, wohlgemerkt ..."

Mandy amüsierte sich köstlich, und ich stellte erleichtert fest, dass der gute Milo sich während meiner Abwesenheit genauso wenig verändert hatte wie der >Big Apple<. Seine wortreichen und ironischen Ergüsse, waren seine Art zu zeigen, wie froh er war, in der kommenden Zeit wieder mit mir zusammen losziehen zu können.

Der Chef trat ein. Er begrüßte mich mit ein paar kurzen Sätzen, und setzte sich zu uns in die Konferenzecke seines Büros. "Ich komme gerade von der City Police, deswegen meine Verspätung." Ich schielte nach der Uhr. Es war erst kurz vor acht, aber für Jonathan McKee schienen offizielle Arbeitszeiten keine Bedeutung zu haben. Oft war er schon vor sieben im Büro. Trotzdem sprach er von >Verspätung<. Er gehörte zu den Männern, denen es unangenehm war, wenn andere auf ihn warten mussten.

Er warf ein paar Unterlagen auf den Tisch. "Die Kollegen haben einen Mordfall an uns abgegeben. Vier schwarze Jugendliche - die Morde sind alle in dem vergangenen drei Wochen verübt worden." Er sah schon wieder auf seine Armbanduhr. "Ich habe am Wochenende eine Spezialistin für Serienmorde aus Los Angeles angefordert - unsere Leute dort haben sie mir wärmstens empfohlen. Sie wollte eigentlich um acht Uhr hier sein. Hoffentlich muss ich nicht alles zweimal erzählen."

"Und warum übernehmen wir den Fall?", wollte Milo wissen. Die angekündigte Spezialistin schien ihn nicht weiter zu interessieren.

"Eine der Leichen wurde im Staatsgebiet von New Jersey gefunden - und damit haben wir ein grenzübergreifendes Verbrechen."

Ich erinnerte mich an die Sonntagsausgabe der >New York Times<, die ich gestern Morgen im Flugzeug gelesen hatte. "Die Presse berichtet nur von drei Leichen."

"Dann haben Sie am Sonntag zuletzt Zeitung gelesen, Jesse", der Chef legte mir ein Blatt Papier vor die Nase. Eine Tatortanalyse, >Mordfall Terry Anderson< stand fett gedruckt und unterstrichen über dem Text. "Am Samstagabend wurde die vierte Leiche entdeckt. Neben dem Roosevelt Drive, am Rande des East River Parks."

Milo hatte inzwischen die Tatortfotos aus der Mappe gezogen. Ich beugte mich zu ihm hinüber. Der Tote war nackt und lag verkrümmt auf dem Bauch. Die untere Hälfte seines Rückens und vor allem das Gesäß waren von grässlichen Wunden übersät.

Ich wandte mich ab. Ein paar Bilder schossen mir durch den Kopf: Weißer Sand, haushohe Wogen und ein nackter, braun gebrannter Rücken, den ich fast drei Wochen lang mit Sonnenmilch - Lichtschutzfaktor 24 - eingecremt hatte.

"Der Junge war siebzehn Jahre alt. Letzte Highschoolklasse. Seine Eltern haben ein Schuhgeschäft in Stuyvesant."

"Und wie alt waren die anderen?", erkundigte ich mich.

"Der erste Junge sechzehn, der zweite einundzwanzig", der Chef suchte uns die Berichte der Pathologie heraus. "Tod durch einen Stich ins Herz, Tod durch zwei Schüsse in den Kopf", nacheinander blätterte er die Bericht auf den Tisch. "Und Tod durch Erdrosseln."

Milo und ich überflogen die Berichte. "Der Tote im Wald von New Jersey wurde erschossen. Das sieht doch ganz nach mindestens zwei verschiedenen Tätern aus?" Milo war skeptisch. Vielleicht suchte er auch nach Gründen, den Fall wieder zurück zur City Police zu schieben.

Einen Serienmörder zu fangen, war eine heikle Sache. Noch dazu, wenn die Opfer dunkle Hautfarbe hatten. Die Presse würde uns in den nächsten Wochen fast genauso intensiv beschäftigen, wie die Ermittlungen.

"Auf die Frage warte ich schon die ganze Zeit, Milo", unser Chef hob ein Foto hoch, auf dem eine helle, in Zellophan eingeschweißte Faser zu erkennen war. "Das hier ..."

In dem Moment öffnete Mandy die Tür und schaute herein. "Dr. Westmount ist da, Sir."

"Ah, endlich!" Jonathan McKee erhob sich und ging mit ausgebreiteten Armen auf die Tür zu.

Niemand hatte mich vorgewarnt. Und deswegen muss ich wohl ziemlich dumm geguckt haben als eine zierliche, schwarzhaarige Lady plötzlich im Türrahmen stand. Braun gebrannt und in einem engen, schwarzen Lederkostüm. Der herbe Schönheit aus dem TWA-Jet ...

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