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Eigentlich war keine Zeit, irgendwo essen zu gehen. Wir waren den ganzen Tag damit beschäftigt, Leute zu verhören, die zum näheren Umkreis der vier Mordopfer gehörten: Verwandte, Freunde, Nachbarn, Mitschüler. Insgesamt etwa vierhundertzwanzig Personen. Alle sechsunddreißig Mitglieder der Sondereinheit >Youbmek< waren pausenlos im Einsatz. Es ging ja nicht nur darum, die Verhöre zu führen - sie mussten protokolliert und ausgewertet werden. Die neuen Fragen, die sich aus ihnen ergaben, mussten aufgegriffen, neue Spuren bewertet werden.
Es war ein organisatorischer Aufwand, der jeder Beschreibung spottete. Den ganzen Tag lang saß Orry zusammen mit einem Spezialisten aus Washington am PC. Sie schrieben ein Computerprogramm, dass den schnellen Zugriff auf alle Daten und einen gezielten Vergleich der aberhundert Aussagen erlauben sollte. Am frühen Abend waren sie fertig.
Wir hatten einen Katalog von Kriterien zusammengestellt, der uns erlaubte, gleichlautende Aussagen sofort auf den Bildschirm zu holen.
"Tolle Arbeit", lobte Milo und klickte das Stichwort >PKW< an. Sofort zauberte unser elektronischer Special Agent sämtliche Fahrzeugmodelle auf den Monitor, die von den Leuten, die wir bisher vernommen hatten, im Zusammenhang mit den toten Jungens erwähnt worden waren. Und zwar unterteilt in vier Tabellenspalten - für jedes Mordopfer eines.
"Das sind ja dreiundvierzig Autos", staunte Milo. Er klickte ein Modell aus der ersten Spalte an - >Chevy, grün<. Sofort verriet uns der Computer, welches Mordopfer noch mit einem grünen Chevy in Zusammenhang gebracht wurde - nämlich keines. Ein silbergrauer Ford älteren Baujahrs dagegen wurde in vier Verhören im Zusammenhang mit zwei Opfern erwähnt. Eine Spur also, der wir nachgehen mussten, wenn auch nur eine dünne.
Und ähnliche Informationen spuckte Zeerys Programm aus, wenn wir wissen wollten, ob die Mordopfer die gleichen Kneipen und Tanzclubs besucht oder die gleichen Leute gekannt hatten.
Natürlich mussten die zahllosen Informationen aus den Verhörprotokollen erst einmal in den Computer eingetippt werden. Ohne Datenbank läuft auch das schönste Ermittlungsprogramm nicht. Wir mobilisierten also sämtliche verfügbaren Schreibkräfte unseres District Office. Am Spätnachmittag saßen dreizehn Frauen und Männer vor den Bildschirmen und hämmerte auf den Tastaturen herum. Auch Mandy schrieb sich die Finger wund.
Wir schätzten, dass die Verhöre bis zur Mittagszeit des folgenden Freitags abgeschlossen sein könnten. Bis die Daten auf der Festplatte schlummerten, würden noch einmal sechs bis acht Stunden vergehen. Zeerys Programm würde also frühestens morgen Abend voll einsatzfähig sein.
"Arbeit hin, Arbeit her", sagte Milo am Spätnachmittag. "Irgendwann muss der Mensch etwas essen. Sonst kann er nicht mehr arbeiten. Hast du irgendwo einen Tisch bestellt?"
"Im >Carmine's<." Ich auf die Uhr. "Aber erst in einer Stunde." Ich hatte mich für das sizilianische Restaurant am Broadway entschieden, weil mir die ungezwungene Atmosphäre dort gefiel. Und die würden wir brauchen, um unseren Eisberg aufzutauen.
"Bisschen weit, oder?" Milo machte ein skeptisches Gesicht. "Andererseits gibt's dort Portionen, die für eine ganze Footballmannschaft reichen würden. Seine Augen begannen zu leuchten. Man konnte fast hören, wie ihm das Wasser im Mund zusammenlief. Er winkte ab. "Nehmen wir uns einfach ein bisschen Arbeit mit."
Eine Stunde später parkte ich meinen roten Schlitten - im Hinblick auf den Abend hatte ihn in der Mittagspause aus der Garage geholt - am Rande der Upper West Side. Milo hatte Diana in einem Dienstwagen abgeholt. Wir trafen uns zufällig vor dem Restaurant. Sie begrüßte mich einerseits reserviert, andererseits zog ein weicher Schleier durch ihren Blick, als ich ihr charmant lächelnd in die Augen schaute.
Sie und Milo gingen voran, und mir blieb der Vorzug, ihr ärmelloses, raffiniert geschnittenes Kleid zu bewundern - natürlich wieder schwarz - oder besser das, was es von ihrem sonnengebräunten Körper frei ließ. Und da sich bei jedem Schritt rechts ein Schlitz bis fast an die Grenzregionen ihres braun gebrannten Oberschenkels öffnete, war das nicht wenig. Der Vogelschwarm unter meinem Zwerchfell flatterte auf.