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"Shit, Shit, Shit!" Ben stand vor dem Spiegel und betrachtete den langen Schnitt quer über seine Stirn. "Dieses Miststück hat mich erwischt!"
Er stand in der Nasszelle seines kleinen Schlafzimmers. Nebenan, in seinem Kellerloch, lag die nackte, zerfleischte Leiche Sidneys.
Bens Kleider waren über und über mit Blut besudelt. Er hatte seine Wut an dem toten Jungen ausgelassen.
Er stellte sich in die fleckige Duschwanne und schälte sich aus seinen Kleider. Bis auf die Unterwäsche stopfte er sie in einen Müllsack. Dann drehte er den Wasserhahn auf. Der kalte Strahl spritzte auf ihn herab. Zu seinen Füßen sammelte sich rot gefärbtes Wasser und floss nur langsam ab.
Erst als Ben sich abgetrocknet hatte, zog er die Ränder der tiefen Schnittwunde mit einem Klammerflaster zusammen und verklebte sie dick mit Heftpflaster.
Er schaute auf die Uhr. Halb drei durch! Um drei musste er in der Spielhalle sein, sonst würde sein Onkel, dieses Schwein, ausrasten. Er bekam grundsätzlich Wind von Bens Unpünktlichkeiten.
Hastig schlüpfte er in frische Klamotten. Danach lief er in sein Kellerloch, rollte den toten Jungen in eine Plane und versenkte die Leiche in der Kühltruhe. Sids Kleider stopfte er zu seinen in den Müllsack.
Er machte einen kleinen Umweg über das Beth Israel Medical Center, wo er den Müllsack mit den blutigen Kleidern in einem Müllcontainer versenkte. Er wusste dass dieser Müll jeden zweiten Tag zu einer Verbrennungsanlage abtransportiert wurde. Um Punkt drei löste er seinen Kollegen in der Spielhalle ab.
Sieben Stunden lang stand er freundlich lächelnd hinter dem Tresen. "Hey, Babyface!", grüßten ihn vor allem die jüngeren Gäste, wenn sie die Spielothek betraten. Sie hielten ihn für einen liebenswürdigen, etwas tolpatschigen Naivling. Und genauso grüßte er zurück: Mit dem harmlosen Grinsen eines leicht behinderten Jungen hob er tapsig die Hand und presste mit seiner hohen Stimme ein >Hallo< heraus.
Ab und zu wanderte seine Hand verstohlen unter die Theke. Seit der Pressekonferenz und den Presseberichten, wagte er nicht mehr seine Gummibärentüten offen irgendwo hinzulegen. Ganz auf sie zu verzichten, war ihm nicht gelungen.
Jede volle Stunde schaltete er den Fernsehapparat ein. So erfuhr er von einer weiteren Leiche, die dem >Young-black-men-killer< zugeschrieben wurde, und er sah einen verzweifelten jungen Schwarzen in die Kamera rufen: "Weiße Rassisten sind das! Wehrt euch, Leute!"
Vergnügt lächelnd griff Ben unter den Tresen. "Alles wegen dir, Benjamin."
Er konnte sich zwar nicht erklären, wie der Tote, den er gestern auf dem Schlachthof unter den alten Lieferwagen geschoben hatte, in eine ausrangierte Textilfabrik gekommen war, doch das beunruhigte ihn nicht besonders. Wahrscheinlich waren die Heinis von der Presse schon so eingeschüchtert von seinen schrecklichen Taten, dass sie die Fakten durcheinanderbrachten.
"Hey, Babyface!" Der Punk mit der Hornfrisur kam herein. "Gut gelaunt heute, was?"
"Bestens!", winkte Ben.
Gegen elf betrat er wieder sein Kellerloch und trug die Leiche Sidneys in Decken eingewickelt zu seinem Wagen. Er fuhr zwei, drei Stunden lang durch die Straßen, tankte, kaufte Gummibären und besuchte zwei der Orte, an denen er Leichen versteckt hatte. Gegen drei Uhr nachts steuerte er Stuyvesant Town an.
Er ließ seinen Mustang ein paar Mal an dem Haus vorbeifahren, in dem Mel Cumberland wohnte. Von seinen Besuchen in der Videothek, wo er Mel kennengelernt hatte, wusste er, dass der bisexuelle Pornohändler einen alten VW-Bus fuhr. Das Fahrzeug stand vor dem Haus.
"Hey, Benjamin Blackmen-Killer", flüsterte die Kicherstimme in seinem Kopf, "willst du den Titel wirklich an Mel abtreten? Die Zeitungen werden schreiben >Mel Cumberland ist der Young-black-men-killer<!"
"Ich muss", murmelte Ben, "ich hab' keine Lust auf lebenslänglich."
Er parkte seinen Wagen vor einem Supermarkt in der Nähe von Cumberlands Haus. "Dad hatte sich auch nichts kaufen können für seinen Championtitel", sagte er zu der Stimme in seinem Kopf. "Zwei Jahre nach dem Kampf war Schicht. Hirnblutung."
"Hey Bennie, Süßer, denk mal nach: Zwei Jahre lang war er Champion von New York State. Sie werden überzeugt sein, dass Cumberland der berüchtigte ..."
Ben schüttelte die hartnäckigen Gedanken ab, und die Stimme verstummte. Dicht an den Hauswänden entlang schlich er sich an den VW-Bus heran. Es waren kaum Menschen auf der nächtlichen Straße.
Eigentlich hatte Ben geplant, die Beifahrertür aufzubrechen und die seitliche Schiebetür von innen zu öffnen. Aber Mel, dieser Idiot, hatte nicht abgeschlossen. "Glaubt wohl, dass ihm diese Rostschüssel sowieso niemand klaut", dachte Benjamin.
Er ging zurück zu seinem Wagen, fuhr ihn direkt neben den VW-Bus, und legte Sids Leiche auf die Pritsche des zu einem Wohnmobil umgebauten Kleinbusses.
Auf dem Rückweg in seine Kellerwohnung überfiel ihn eine ausgelassene Stimmung. "Du bist cool, Lesley", lachte er und schlug vergnügt auf das Lenkrad. "Du bist genial!" Er drehte das Autoradio auf volle Lautstärke. "Mel, dieser Arsch, der >Young-black-men-killer<, werden sie denken. Geil!"