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Noch in der gleichen Nacht sah Mike Borran die beiden Männer, deren Hilfe General Clark Benson ihm avisiert hatte. Er traf sie in einer kleinen Bierkneipe in der Altstadt.

Albert Mendel war ein untersetzter Mann mit wachen Augen und präziser Gestik. Seine Bewegungen schienen wie abgezirkelt. Nie tat er einen Handgriff zu viel. Trotz seines legeren Äußeren machte er einen starken Eindruck auf Borran.

Mel Furier war ein nicht weniger guter Mann. Sein etwas pummeliges und sogar schmuddeliges Aussehen konnte einen leicht darüber hinwegtäuschen, dass er zu jenen gehörte, die ein Gemüt aus Stahl hatten. Nur in seinen Augen erkannte man den wahren Kern seiner Persönlichkeit. Borran hatte solche Männer verschiedentlich getroffen. Es waren jene, die dem Tod schon tausendmal ins Auge geschaut und ihn hundertmal verteilt hatten ...

»Es sind einige Probleme aufgetaucht, Jungs«, sagte Mike Borran, nachdem sie sich miteinander bekannt gemacht und die üblichen Höflichkeitsfloskeln ausgetauscht hatten. Mendel und Furier waren von der Zentrale eingeweiht worden.

»Wegen Craceck?«, fragte Mendel.

»Er hasst Buczenkow. Das ist wahr. Aber er will plötzlich Vorteile für sich herausholen.«

»Geld?«

»Ja und nein. Er möchte ein geregeltes Leben führen. Sonst spielt er nicht mit. Er hält mich ganz offensichtlich für einen Ostagenten, und das war ja auch beabsichtigt.«

»Ich weiß nicht, ob Benson übersteigerten Wert auf die Mitarbeit Cracecks legt«, warf der dickliche Mel Furier ein. »Wir können den Auftrag ganz gut auch ohne diesen Craceck erledigen.«

Mike Borran überlegte.

»Leuchtet mir schon ein«, meinte er schließlich. »Aber Sie kennen General Benson. Er ist überzeugt, dass Costomsky ihn übers Ohr hauen will. Aber er weiß nicht, wie der Russe das anstellen möchte. Costomsky hat Craceck mit Sicherheit nicht grundlos als Joker ins Spiel gebracht.«

Albert Mendel saugte an seiner Zigarre.

»Ich bin eigentlich auch der Meinung, dass wir ihn überhaupt nicht bräuchten. Costomsky hatte doch schon seit Jahren keinen Kontakt mehr mit Craceck.«

»Darüber sind wir auch schon gestolpert.«

»Befürchten Sie, dass mit diesem Craceck etwas faul ist?«

»Ich misstraue ihm. Das ist alles. Craceck könnte auf den Gedanken verfallen, dass es leichter wäre, mich ans Messer zu liefern, als auf meinen Vorschlag einzugehen.«

Al Mendel drückte seine Zigarre aus,

»Wo soll es da ein Problem geben? Wir beseitigen zuerst Craceck, und anschließend lassen wir Buczenkow über die Klinge springen.«

Mike Borran fröstelte plötzlich. Mel Furier und Albert Mendel waren ihm mit einem Mal nicht mehr so sympathisch. Aber Benson brauchte wohl auch solche Leute.

Die Gegenseite hatte sie auch.

Borran lenkte ab.

»Gibt es eine Möglichkeit, sich mit Benson in Verbindung zu setzen? Ich meine, von hier aus.«

»Schon«, antwortete Furier. »Unsere Organisation betreibt eine Funkstation. Nur in den allerdringlichsten Fällen zu benützen.«

»Dieser Fall ist dringlich.«

»Wenn Sie darauf bestehen, bin ich in einer Stunde zurück.«

»Ich bestehe darauf.«

Mel Furier stand auf und verabschiedete sich.

Albert Mendel und Mike Borran bestellten sich einen Imbiss. Sie hatten noch nicht einmal zu Ende gegessen, als Furier schon wieder zurückkam und sich schwer atmend niederließ.

»Die Antwort war klar und präzise«, sagte er. »Das Hauptaugenmerk ist auf Buczenkow und seine Organisation, und auf seine Unterlagen zu richten. Alles, was uns dabei stört, ist unauffällig zu beseitigen. Notfalls auch Craceck, wenn er sich als Störfaktor erweisen sollte.«

Mike Borran schwieg und dachte nach. Nahm Benson nach diesen neuesten Anweisungen nicht das Risiko auf sich, vereinbarte Pfade, auf denen man vorgehen wollte, zu verlassen?

Borran gefiel das nicht. Es gab verzwickte Anlässe, die einen zum Improvisieren zwangen.

»Sind Sie zu neuen Schlüssen gekommen?«, fragte Furier. Er warf einen Blick in die Runde, ob ihnen irgend jemand zuschaute, doch niemand interessierte sich für ihren Tisch, obwohl das Lokal leidlich gut besucht war. In einer Ecke randalierten angetrunkene Touristen. »Es liegt an Ihnen, was mit Craceck geschehen soll. Wir wären bereit.«

Borran drehte sein Bierglas zwischen den Fingern. Er dachte an Alexander Craceck, an dessen armselige Wohnküche, in der so viele Bücher herumlagen, und er dachte an diesen gewissen Fanatismus, der immer noch in Cracecks müde gewordenen Blicken lebte.

Doch sein Job war hart. Verteufelt hart sogar. Da war kein Platz für Ressentiments.

Und Craceck war zum Risiko geworden.

»Tut es«, sagte Mike Borran und fühlte sich dabei fürchterlich elend. Er wusste, er hatte ein Todesurteil gesprochen ... »Holt mich in einer Stunde ab.«

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