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Craceck seufzte erneut.

»Sie werden mir bescheinigen, dass meine Angelegenheit nicht ganz alltäglich ist.«

»Weshalb sollte sie es nicht sein? Sie haben ja nur im Konjunktiv gesprochen. Sie erwarten doch nicht etwa im Ernst, dass ich Sie – ähm – einer Behörde empfehle, die mit der Wahrung von Staatsinteressen betraut ist? Nur auf den vagen Verdacht hin, Sie wären im Laufe der Jahre tatsächlich klüger geworden? Ich habe noch niemandem Ratschläge erteilt. Es liegt an jedem einzelnen, was er aus sich macht. Man kann sich auch zum Narren machen, Craceck.« Buczenkows Stimme triefte von ätzender Ironie. »War es das, was Sie von mir hören wollten?«

»Nein. Das war nur das, was ich ohnehin erwartet hatte. Verzeihen Sie, wenn ich jetzt so direkt mit Ihnen spreche. Aber ich kann Ihnen den Beweis liefern, dass ich jetzt anders denke als früher. Weil ich ein normaler Mensch werden möchte, der ein normales Leben führt und dem Kollektiv nützlich ist.«

»Sie haben einen Beweis?«

Buczenkows Stimme schwankte leicht. Craceck glaubte, jenen lauernden Unterton herauszuhören, der ihm in so schlechter Erinnerung geblieben war. Der Plan dieses Igor Surel, oder wie immer er auch heißen mochte, schien aufzugehen. Buczenkow hatte angebissen. Seine jettschwarzen Augen brannten wie im Fieber.

Craceck holte nochmals tief Luft.

»Ich bin zu Ihnen gekommen, weil Sie der einzige sind, der mir Glauben schenken kann. Weil Sie auch der einzige sind, der mich in- und auswendig kennt.«

Buczenkow verzog die Lippen.

»Es scheint, dass unser Gespräch wider Erwarten doch noch Konturen gewinnt. Nun gut. Sie wollen mir Ihre neue Redlichkeit beweisen. Fangen Sie an damit.«

»Ich bitte Sie nur, mich wie einen normalen Menschen zu behandeln.«

»Das lässt sich einrichten. Sie dürfen davon ausgehen. Das ist jetzt kein Verhör mehr.«

Jetzt lächelte Craceck zaghaft. Er hatte nun Buczenkow genau dort, wo er und dieser mysteriöse Amerikaner ihn hatten haben wollen.

»Ich glaube, dass Sie ein Mann sind, der großen Einfluss hat.«

Buczenkow betrachtete den Zigarrenstummel, dessen Glut mittlerweile erloschen war.

»Wieso und warum glauben Sie das?«

»Verstehen Sie mich bitte. Ich muss auch auf meine eigene Sicherheit bedacht sein.«

»Was befürchten Sie?«

»Ich arbeite ganz bestimmt nicht mit denen zusammen, die glauben, dass ich noch derjenige wäre, der ich vor Jahren einmal war.«

Buczenkow vereinfachte das Verfahren.

»Wer hat Kontakt mit Ihnen aufgenommen?«

»Eine Organisation, die glaubt, dass der Zeitpunkt gekommen sei, durch einige gezielte Attentate unsere gesamte derzeitige Regierung zu stürzen.«

»Welche Organisation?«

»Ausländer. Aber ich habe herausgefunden, dass auch Exil-Tschechen darunter sind.«

»Vielleicht Träumer, die eine neue Dubcek-Ära heraufbeschwören wollen?«

»Nein. Realisten. Sie wollen die Sozialdemokratie und die volle Durchsetzung der Schlussakte von Helsinki.«

Diesmal schien Buczenkow wirklich interessiert zu sein. Seine Finger zitterten fast unmerklich, als er sich eine neue Zigarre anzündete.

»Woher wissen Sie das?«

Craceck sah einen Moment lang zerschlagen aus. Er fühlte sich wie ein Fisch am Angelhaken. Er war gerade dabei, das Wasser zu verlassen, und hoffte darauf, dass der Fischer ihn wieder zurück warf.

»Wenn ich Ihnen sage, dass ich einen dieser ausländischen Agenten getroffen habe, der mit dieser Organisation in Verbindung steht, würden Sie mir das glauben?«

»Weiß ich noch nicht.«

»Es ist die Wahrheit.«

»Und dieser Mann möchte mit Ihnen verhandeln?«

»Ja. Bei dieser Organisation wissen sie nicht, dass ich damals meine Freunde verraten habe ...«

Buczenkow ging darüber hinweg.

»Ich kann Ihnen trotzdem nichts versprechen.«

»Warum nicht?«

»Weil ich nicht die alleinige Entscheidungsvollmacht habe.«

»Aber Ihr Einfluss ist groß.«

»Das stimmt allerdings. Wie sehr ich Ihnen in Bezug auf Ihre künftige Wiedereingliederung in unsere Gesellschaft entgegenkommen kann, hängt einzig und allein von der Bedeutung Ihrer Informationen und von der Bedeutung dieser Organisation ab.«

»Das sehe ich ein. Sie sind ein unerbittlicher Mensch, Genosse Buczenkow. Aber bestimmt sind Sie auch gerecht. Ich glaube, dass ich Ihnen vertrauen kann. Doch Sie müssen mir auch ein wenig Vertrauen entgegenbringen. Sonst hat das alles für mich keinen Sinn.«

Buczenkow zögerte einen Augenblick.

»Sie haben mein Vertrauen«, sagte er dann. »Machen Sie weiter.«

Craceck schloss die Augen, um Buczenkow die Freude nicht zu zeigen, die in ihnen aufstieg.

Dann begann er.

»Es fing vor einer Woche hier in Prag an. Er gab sich als Ingenieur einer Firma aus, die mit optischen Geräten zu tun hat. Aber das ist nur eine Tarnung. Er ist ein Amerikaner, obwohl er ziemlich gut Russisch spricht.«

»Wissen Sie, wie er heißt?«

»Er nennt sich Igor Surel.«

Buczenkow stenographierte jedes Wort mit, das Craceck von sich gab. Er warf einen kurzen Blick auf sein Gegenüber.

»Was ist das für ein Mann?«

»Er ist sehr gefährlich. Sehr gewissenhaft. Sie verstehen? Er muss eine Schlüsselposition innerhalb dieser Organisation haben.«

»Erzählen Sie mir mehr über ihn.«

Craceck schwieg verstockt.

»Nun fangen Sie schon an!«, sagte Buczenkow wesentlich lauter und in einem schärferen Ton.

Er hatte Blut geleckt.

»Ich ziehe es vor, dieses Unternehmen in zwei Teile zu gliedern«, meinte Craceck umständlich. »Die anderen Mitglieder sind noch nicht in Erscheinung getreten. Sie halten sich noch im Hintergrund. Zuerst liefere ich Ihnen diesen Igor Surel, und dann sorgen Sie für meine volle Rehabilitation. Anschließend liefere ich Ihnen den Rest der Mannschaft.«

Buczenkow lachte freudlos auf.

»Sie sind drollig, Craceck. Finden Sie nicht auch? Ich weiß von Ihnen nicht, inwieweit ich Sie ernst nehmen kann. Aber Sie wissen es bei mir. Ich kann auf Ihren Vorschlag eingehen, oder ...«

»Welches Interesse sollte ich daran haben, Ihnen einen Bären aufzubinden, Genosse Buczenkow? Erkundigen Sie sich, wie ich vegetieren musste, nachdem man mich aus dem Zuchthaus entlassen hatte. Das war kein Leben mehr.«

Boris Buczenkow nickte zustimmend.

»Seien Sie versichert, dass mir nichts geheim bleiben wird.«

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