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Für Mike Borran war auch diese Nacht nicht zum Schlafen da. Der Morgen schimmerte soeben grau durchs Fenster, als ein lautes Poltern ihn aus seinen Träumen riss. Am Fenster machte er undeutlich die Konturen eines breitschultrigen Mannes aus. Seine Hand fuhr unters Kopfkissen und kam mit einer 38er Special wieder. Im ersten Augenblick dachte er gar nicht mehr an Plenty.

Dann erkannte er die Stimme des Mannes, der draußen gegen das Fenster pochte, als wollte er es in seine einzelnen Atome zerlegen.

»Aufmachen, Borran!«

Es war niemand anders als Johnnie McIntire. Er hieb wie ein Berserker auf die Scheibe aus Panzerglas ein, die die CIA ihrem wertvollsten und geheimsten Mitarbeiter gestiftet hatte.

Mike schaltete die Alarmanlage aus und sprang aus dem Bett. Er stolperte über Plentys Pakete, warf jetzt erst einen Blick zurück auf sein zerwühltes Bett und stellte fest, dass seine Freundin nicht mehr da war.

Er öffnete McIntire.

So wütend hatte er seinen Halb Freund und Kontaktmann noch nie erlebt.

»Seid ihr denn des Wahnsinns fette Beute?«, begann er lautstark. Die Nachttischlampen klirrten. Immer wenn McIntire so richtig loslegte, löste er damit ein mittleres lokales Erdbeben aus.

Mike Borran verstand immer nur Bahnhof. Die paar Gramm Chemie, die er geschluckt hatte, wirkten noch nach.

»Was .... was ist los?«, fragte er und schlüpfte schnell in eine herumliegende Hose.

»Das fragen Sie noch? Der Teufel ist los! Aber ich sehe schon: Sie wissen wieder einmal gar nichts.«

McIntire stolperte ebenfalls über ein Paket, fing sich gerade noch und ließ einen der schlimmsten Flüche los, die Mike Borran jemals zu Ohren gekommen waren.

»Warum musste mich Gott nur mit Ihrer Freundin strafen, Borran?«

Allmählich ging Mike ein Licht auf, flackerte noch ein wenig und brannte dann lichterloh.

Das leere Bett, McIntires cholerischer Anfall, da konnte nur eine dahinterstecken: Maureen Parker.

»Berichten Sie schon«, sagte Mike, während er sich das Hemd zuknöpfte.

»Zuerst eine Frage: Was haben Sie ihr über die »Children of Sun« erzählt?«

»Dass das eine verdächtige Sekte ist. Sonst nichts.«

»Sonst nichts«, äffte McIntire ihn nach. »Ich habe Ihr Haus bewachen lassen. Mir wurde gemeldet, dass sie angekommen ist. Sie blieb um die zwei Stunden hier, schnappte sich Ihren Bentley und unser Mann fragte an, ob er ihr folgen oder weiter das Haus im Auge behalten soll. Sie waren uns wichtiger, und das war ein verdammter Fehler, kann ich Ihnen sagen. Ihr Bentley steht jetzt genau im Halteverbot vor dem Polizeipräsidium von Los Angeles, und wir fanden inzwischen einen Taxifahrer, der Ihre Freundin hinauf ins Camp gebracht hat. Ich frage Sie jetzt: Wussten Sie davon?«

Mike schüttelte verwirrt den Kopf.

»Da haben wir’s«, polterte McIntire weiter. »Man sollte diese Plenty in Fesseln legen und im Devil’s Hole versenken. Ein Sack Läuse ist besser zu hüten als sie. Ich hatte noch die leise Hoffnung, dass Sie in einem Anfall von Hellsichtigkeit eine frappante Idee gehabt hätten. Aber jetzt sehe ich auch diese Hoffnung fahren. Sie wissen auch nicht mehr als ich.«

»Ich weiß sogar noch viel weniger als Sie. Wollen wir hier anwachsen?«

»Nein. Mein Wagen steht draußen. Kümmern Sie sich nicht um Ihr verdammtes Haus. Es bleibt weiterhin unter Beobachtung.«

Mike Borran folgte dem wütend voran stapfenden Iren zu einem schwarzen Dodge, der in der Einfahrt parkte.

Unterwegs zum Hafen ließ Johnnie McIntire sich zu weiteren Erklärungen herab.

»Der FBI-Posten hat gemeldet, dass ein weiteres Mädchen bei Crown eingestiegen sei. Sie gaben keine nähere Personenbeschreibung durch, und wir dachten uns nicht viel dabei. Aber kaum eine halbe Stunde später fing man einen verstümmelten Funkspruch auf, der nur aus dem Camp abgegeben sein konnte. Es war nicht der erste. Beim Versuch, den Code zu entschlüsseln sind uns schon zwei Computer durchgebrannt. Ein paar Minuten darauf kamen Kleinbusse, die man in Sontara bereitgehalten haben musste, den Berg hinauf. Crown und seine Schäfchen stiegen ein.«

»Und Plenty?«

»Weiß der Teufel, wo sie steckt! Ich wollte, ich hätte sie jetzt hier. Aber nur, um ihr den Hintern zu versohlen.«

McIntire schwang seine beachtenswerte Hand.

»Sie bekommen die eine Backe und ich die andere«, meinte Mike Borran zerknirscht.

Der Ire sah ihn einen Lidschlag lang irritiert an, doch er konnte über diesen Vorschlag nicht einmal verächtlich grinsen.

»Bevor die FBI-Fritzen schalteten, waren die Busse schon am Hafen«, fuhr McIntire fort. »Crowns Schäfchen stiegen aus und quartierten sich auf der >Jazhinto< ein, einem Ausflugsdampfer, der unter costaricanischer Flagge fährt. Knacken jetzt die Relais bei Ihnen?«

Sie knackten, und Mike Borran wurde blass bis auf die Knochen. Er war ja einiges von Plenty gewohnt, aber bisher hatte sie noch nie eine Lawine von derartigen Ausmaßen ins Rollen gebracht.

»Ich kann mir denken, was Sie jetzt denken«, knurrte McIntire. »Mir ist genauso mulmig.«

»Aber die >Jazhinto< ist doch noch nicht ausgelaufen!«

»Das konnten wir zum Glück noch verhindern. Boote der Coast Guard halten sie fest. Wir wissen nur noch nicht, wie wir sie endgültig am Auslaufen hindern sollen. Die Fahrt ist bei den Hafenbehörden ordnungsgemäß als Vergnügungskreuzfahrt deklariert. Alle »Sonnenkinder« sind volljährig und haben ordnungsgemäße Pässe. Wir halten die >Jazhinto< im Augenblick nur noch auf. Lange dürfen wir das nicht mehr.«

Der Dodge kurvte auf heulenden Pneus auf das Kai, an dem eine Menge weißer Luxus-Liner lagen. Die >Jazhinto< lag ganz vorne am Ende der Mole. Ihre Motoren liefen. Eine Menge uniformiertes Volk trieb sich herum.

Mike Borran folgte dem CIA-Mann das Fall Reep hinauf. Oben wurden sie trotz der frühen Morgenstunde von einem Mann mit Melone erwartet, der sich als Rechtsanwalt Sergio Trinada legitimierte und einen Schrieb vorweisen konnte, aus dem hervorging, dass er die Rechte der »Children of Sun« vertrat.

Senor Trinida mimte die Entrüstung in Person.

»Ich muss doch schon sehr bitten«, sagte er gerade und stellte sich dem etwas atemlosen McIntire in den Weg. »Wie wollen Sie jemals diese ungehörige, ja ungezogene Nacht und Nebelaktion der Polizeiorgane verantworten? Wer von all diesen Herren ist autorisiert, sich mir gegenüber zu erklären. Ich bestehe darauf!«

McIntire bedachte den Mischling mit einem bösen Blick, doch dem schien das absolut nichts auszumachen. Im Gegenteil.

»Ich werde einen Skandal herauf beschwören«, versprach er. »Diese entwürdigenden Szenen sind ein Anschlag auf die Religionsfreiheit in diesem unseren Lande.«

McIntire fegte den Mann mit einer Handbewegung beiseite.

»Das Schiff wird durchsucht, weil der Verdacht besteht, es würde Rauschgift aus dem Land geschmuggelt.«

Señor Sergio Trinida lachte nervös auf.

»Dann wird diese Razzia als die erste in die Geschichte eingehen, in der nachgewiesen werden soll, dass jemals Drogen aus den Staaten heraus und nicht hineingeschmuggelt werden sollen.«

Damit hatte der Señor zweifellos recht. Der Vorwand für diese Untersuchung war von einer horrenden Fadenscheinigkeit. Im streng legal genommenen Sinn war er sogar kriminell.

McIntire ließ den Anwalt hinter sich und traf auf einen Mann, der Borran bekannt vorkam. Er hatte ihn schon einmal im Büro der Reederei gesehen.

Der Mann schüttelte bedauernd den Kopf.

»Überhaupt nichts, Sir.«

»Sind alle >Gäste< dieses Schiffs befragt worden, ob sie freiwillig an Bord sind?«

Der Befragte nickte verdrossen.

»Alle, Sir. Sie freuen sich auf diese Reise und beschimpfen unsere Leute. Es war nicht ein einziger Haken zu finden. Natürlich befand sich auch nicht ein Gramm Rauschgift an Bord. Wir haben Hunde eingesetzt.«

»Auch keinen blinden Passagier?«, fragte Mike Borran dazwischen.

»Ich weiß über diese Geschichte Bescheid«, fiel ihm der Mann ins Wort. »Von einer Maureen Parker keine Spur.«

»Aber sie war doch im Camp!«

Nun heulte McIntire fast.

»Das wird auch nicht abgestritten, Sir. Doch dieser vermaledeite Senor Sergio Trinida legte mir gleich fünf eidesstattliche Erklärungen von fünf Personen vor, dass Miss Maureen Parker das Gelände zehn Minuten nach ihrem Eintreffen wieder verlassen habe. Zu Fuß. Sie habe den Wunsch geäußert, der Sekte beizutreten, sei jedoch abgewiesen worden.«

»Also keine Handhabe mehr, den Pott am Kai zu halten?«

»Leider nein, Sir.«

»Befindet sich auch eine Miss Corry Lambert an Bord?«, mischte Mike sich ein.

Und als der CIA-Mann McIntire fragend anschaute, sagte der Ire:

»Er gehört zu mir. Ist sie an Bord?«

»Ja.«

»Dann nehmen Sie sie fest«, sagte Mike Borran.

»Weswegen?«, fragte McIntire.

»Sie hat mich bestohlen.«

In den Augen des Iren blitzte es kurz verständnisvoll auf. Sie brauchten nicht mehr vollkommen unverrichteter Dinge abziehen. Die Durchsuchung des Schiffes bekam dadurch einen offiziellen Charakter.

»Nehmen Sie Miss Lambert fest«, befahl Johnnie McIntire.

Das Mädchen kratzte, biss und schrie, als sie es an Deck brachten. Sie warf Mike Borran einen vernichtenden Blick zu, als sie ihn erkannte und bewarf ihn mit den unflätigsten Schimpfnamen.

Sam Crown stand unweit davon entfernt. Er machte nicht die leisesten Anstalten, die Polizeibeamten an der Festnahme zu hindern. Er gab sich keine Blöße.

Als sie die >Jazhinto< verließen, hatten sie trotzdem nur einen kleinen Achtungserfolg errungen.

Sie mussten zusehen, wie das Schiff ablegte und sich auf den Weg zum Horizont machte.

Corry Lambert zumindest war gerettet.

»Und jetzt?«, wollte Mike wissen.

»Wir dürfen die >Jazhinto< nicht aus den Augen verlieren.«

»Und Plenty?«

»Ich gehe jede Wette ein, dass sie trotzdem an Bord ist. Wenn sie überhaupt noch lebt.«

»Sie haben eine berückende Art, einem Mut zu machen«, knurrte Borran.

»Kommen Sie.«

»Wohin?«

»Wir fahren hinunter zum Marinehafen von San Diego. Ein Schnellboot wartet auf uns.«

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