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Es dunkelte bereits, als Plenty endlich erwachte. Sie fühlte sich matt und zerschlagen, aber sie spürte, dass sie nicht allein war. Auch konnte sie ihre Hände nicht bewegen. Sie war entweder noch oder schon wieder gefesselt. Mühsam schlug sie die Augen auf und starrte an sich herunter.
Sie hatte immer noch nichts an, doch es war warm. Sie hörte das Stampfen eines schweren Dieselmotors, und sie spürte, dass sie keinen festen Boden unter den Füßen hatte.
Sam Crown saß ihr in der Kajüte gegenüber und schaute sie unverhohlen spöttisch an.
»Es wurde langsam Zeit, dass Sie wieder erwachten.«
»Wo ... wo bin ich hier?«
»In bester Gesellschaft«, erklärte der weißbärtige Schwarze zynisch. »Sie wollten mich doch unbedingt näher kennenlernen. Nun hätten Sie die Gelegenheit dazu. Soll ich mich auch freimachen?«
Ein Frösteln lief über Plentys Haut.
»Ich weiß nicht, ob es Ihnen etwas gibt, mit einem Fisch zu schlafen«, sagte sie scharf. »Aber vielleicht sind Sie pervers genug, es mit einer zu treiben, die nichts als Ekel für Sie empfindet.«
Crowns Miene verdüsterte sich.
»Sie riskieren hier eine ziemlich große Lippe, Miss. Ich kann Sie jederzeit zu den Haien schicken.«
»Wenn ich lebend nicht mehr wert wäre, hätten Sie’s schon längst getan«, schoss Maureen sofort zurück. »Sparen Sie sich also die Mühe, mir etwas vorzumachen. Sagen Sie mir lieber, was Sie vorhaben.«
Etwas wie Respekt nistete sich in den Augen des Schwarzen ein. Diese Frau war von einem so ganz anderen Kaliber als jene jungen Leute, die ihm mit fliegenden Fahnen ins Netz gelaufen waren, und für die er nichts weiter als Verachtung empfand.
»Sie scheinen mir ja ein ganz besonderes Herzchen zu sein«, meinte er mit zusammengekniffenen Augen.
»Das sagen Sie nur, weil Sie meinen Vater nicht kennen«, sagte sie angriffslustig. »Sie werden die Stunde noch bereuen, in der Sie mich kennen lernten. Mein Vater wird Himmel und Hölle in Bewegung setzen, bis Sie dort gelandet sind, wo Sie hingehören. Beim Teufel, nämlich.«
»Gar nichts wird er«, meinte Sam Crown. »Nur ein Wort von mir, und Ihr sehr verehrter Herr Vater sitzt hinter Gittern. Sie wissen über seine Geschäfte ziemlich gut Bescheid.«
»Das Schloss, das er nicht knackt, müsste noch erfunden werden«, sagte Plenty und schürzte verächtlich die Lippen. »Den können Sie in einem Tresor der Manhattan Chase deponieren, und eine halbe Stunde später steht er wieder vor ihnen, um Ihnen den Garaus zu machen. Und das ist keine Übertreibung.«
»Ja. Ich habe mir schon von anderer Seite bestätigen lassen, dass er ein sehr geschickter Mann ist.«
»Dachte ich's mir doch gleich, dass Sie nur ein armseliger Strohmann sind«, trumpfte Maureen Parker auf. Der Blick aus ihren grünen Augen schien Sam Crown durchbohren zu wollen.
Allmählich wurde der Schwarze grau im Gesicht. Auch seine Augen funkelten.
»Treiben Sie’s nicht auf die Spitze!«, warnte er.
Plenty nahm sich vor, den Rat zu beherzigen. Sie durfte ihr Blatt nicht überreizen. Doch sie hatte Crowns Selbstwertgefühl bereits eine Delle verpasst, und das stimmte sie ein wenig versöhnlicher.
»Ich nehme an, wir fahren nach Costa Rica«, wechselte sie unvermutet das Thema.
Sam Crown traten Schweißperlen auf die Stirn.
Plenty riskierte ein glucksendes Lachen. Da sie sich ohnehin in der Gewalt dieses Gangsters befand und er sie vorher unter Phenotal ausgehorcht hatte, brauchte sie kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Und da sie auch einige Semester Psychologie studiert hatte, wusste sie sehr gut, wie man die Selbstsicherheit eines Mannes aus den Angeln hob. Sie hatte schon ein paar Proben ihrer dahingehenden Fähigkeiten abgegeben. Weil sie Angst für ein destruktives Gefühl hielt, flüchtete sie sich in den Angriff. Denn wenn es wirklich bitter für sie kommen sollte, dann konnte sie ohnehin nichts daran ändern.
Aber dann nahm sie wenigstens die Gewissheit mit in den Tod, ihren Mördern noch ein paar empfindliche Tiefschläge verpasst zu haben, die, wenn sie schon nicht lebensbedrohend, so aber doch ziemlich schmerzhaft waren.
»Es stimmt also«, stellte sie zufrieden fest. »Das weiß man natürlich auch bei der CIA. Haben Sie tatsächlich geglaubt, Sie kämen ungeschoren davon? Man beschäftigt dort auch einige Spezial-Kommandos. Den Leuten macht es nichts aus, ob sie auf eigenem oder fremden Territorium operieren.«
Endlich hatte Crown sich wieder gefasst.
»Solche Spezial-Kommandos haben wir auch«, presste er hervor. »Die US Regierung wird sich diplomatische Verwicklungen und ihr Spezialkommando blutige Köpfe einhandeln.«
»Höchst interessant!«, flötete Maureen Parker. »Damit haben Sie ja zugegeben, dass höchste Regierungsstellen mit Ihnen und Ihren Auftraggebern unter einer Decke stecken.«
Als Weißer wäre Sam Crown jetzt rot bis unter die Haarwurzeln geworden. So aber wurde er noch einen ganzen Ton dunkler. Plenty hörte, dass der Farbige mit den Zähnen knirschte.
Vermutlich gehörte er zu jenen Männern, die in Frauen vorwiegend niedliche Puppen sahen, die man nach mehr oder weniger lustvollem Gebrauch wieder in die Ecke stellte. Crown bekam in diesem Augenblick mit, dass er es nicht nur mit einer Sexbombe sondern mit einer ganzen Tonne wohl verpackten Dynamits zu tun hatte.
Abrupt stand er auf.
»Ich ärgere mich nicht länger mit Ihnen herum«, sagte er mit eingezogenen Schultern, die Hände zu Fäusten verkrampft. »Sie bekommen Ihr Fett noch weg. Das verspreche ich Ihnen.«
Wenn Sam Crown in Plentys Kajüte gekommen war, um sich mit ihr zu vergnügen, dann war ihm inzwischen die Lust auf Sex gründlich vergangen. Er schlich davon wie ein geprügelter Hund.
Maureen konnte trotzdem keine Freude über diesen kleinen Sieg empfinden, denn sie wusste sehr gut, dass sie mit ihrem Besuch bei den »Children of Sun« in ein offenes Messer gelaufen war.
Sie hätte sich wegen dieser Unbedachtsamkeit ohrfeigen mögen. Ihr Temperament hatte ihr wieder einmal einen Streich gespielt.
Diesmal einen sehr bösen.
Sie hatte Sehnsucht nach Mike Borran und legte das Gelübde ab, nie wieder seinen Bentley zu klauen.
Das Schiff rollte in der Dünung. Brecher klatschten gegen die Bordwände. Vielleicht zog ein Sturm auf.