image
image
image

18

image

image

Mike Borran und Johnnie McIntire schwammen knapp unter der Wasseroberfläche. Ab und zu tauchten sie auf, um einander nicht zu verlieren. Zur Küste hin waren sie durch manchmal mannshohe Wellen vor neugierigen Blicken geschützt. Wenn sie sich einmal hoch tragen ließen, konnten sie sehen, wie die >Jazhinto<ihre lebende Fracht an Land setzte.

Sie waren noch reichlich eine halbe Meile vom Strand entfernt, als ein Bus, ein Jeep und ein Landrover zwischen Palmen und Mangrovenhölzern verschwanden. Die Scheinwerfer verloren sich in einem Bergsattel.

McIntire drohte abzutreiben. Die Westküste Costa Ricas war ein Alptraum für jeden Taucher. Die Strömungen waren zu stark. Der aus der Arktis heraufkommende Humboldtstrom drang in das Panamabecken ein und bildete entlang des Festlandschildes gefährliche Strudel.

Der einzige Vorteil: hier gab es auch keine Korallenbänke, an deren scharfen Kanten und Graten man sich aufschlitzen konnte. Die Westküste Costa Ricas war frei von Riffs.

Mike Borran ließ sich absinken, um zu prüfen, wie tief das Meer hier war, und ob Brecher sie auf den Grund drücken konnten.

Doch seine Sorge war unbegründet. Er tauchte wieder auf. Die Beine taten ihm weh. Einen Muskelkrampf hatte er bereits hinter sich.

Von McIntire keine Spur mehr.

Schreien durfte Borran auch nicht. Er war schon zu nah an der Küste. Die Uniformierten hätten ihn hören können. Diese Gefahr war zwar nicht allzu groß, doch er wollte keinesfalls ein weiteres Risiko eingehen.

Mit Schaudern dachte er an die Haie, vor denen Henry Coy sie gewarnt hatte. Diese Räuber waren auch nachts unterwegs.

Die Mondscheibe stand bleich am Himmel, doch schon einen Meter unter der aufgewühlten Wasseroberfläche war nichts mehr zu sehen.

Noch zweihundert Meter bis zur Küste. Mike Borran begann, sich ernsthafte Sorgen um den Iren zu machen. Sie hatten vereinbart, sich nicht aus den Augen zu verlieren.

Die nächste Woge, die ihn hoch spülte, ließ ihn in ein Wellental blicken. Frost fraß sich in Borrans Glieder. Er konnte McIntire jetzt ausmachen, doch der Mann war nicht mehr allein. Eine Dreiecksflosse stach nur wenige Yards hinter ihm aus dem Wasser.

Borran riss sich den Atemschlauch aus dem Mund und brüllte seinem Partner eine Warnung zu. Ungeachtet der Gefahr, dass man ihn vom Ufer aus hätte hören können.

McIntire wandte sich noch ihm zu. Er hatte die Harpune bei sich. Jetzt bemerkte auch er den Fisch, der ihn umkreiste.

Von nun an begannen Borrans Reflexe automatisch zu arbeiten. Wie bei einer Schnecke, die sich angesichts einer drohenden Gefahr in ihr schützendes Gehäuse zurückzieht, reagierte auch Mike Borran. Seine Kopfhaut zog sich schmerzhaft zusammen.

Es begann!

Zwei, drei Sekunden hielt der Schmerz an, doch dann überkam ihn ein Gefühl der Erleichterung und der Leichtigkeit. Einer Leichtigkeit, die ihn trotzdem nicht zum Spielball der Wellen werden ließ.

Mike Borran wusste, dass er für andere unsichtbar geworden war!

Einen Sekundenbruchteil lang schoss eine Erinnerung an eine bestimmte Nacht durch seine Gedanken. An jene Nacht, als er bei einem missglückten Strahlenversuch in den Kensington Labors einer bis dahin unbekannten Strahlung ausgesetzt worden war.

Diese Strahlung hatte sein Leben verändert, denn seither löste sich die Molekularstruktur seiner Körperzellen für eine bestimmte Zeitspanne auf, ohne jedoch ihre stoffliche Konsistenz zu verlieren. Die Folge davon: Mike Borran konnte von anderen Lebewesen nicht mehr gesehen werden.

Doch Haie sind nicht nur auf ihre Augen angewiesen. Die Natur hatte sie mit einer Art Echolot ausgerüstet.

Borran bekam das zu spüren, als der Fischkörper plötzlich von McIntire abdrehte und auf ihn zuschoss. Vielleicht hatte der Umwandlungsprozess irgendwelche, Mike Borran selbst unbekannte Schwingungen verursacht, auf die der Hai jetzt reagierte.

Haarscharf stieß der zähnestarrende Rachen des Tieres an ihm vorbei, vollführte eine blitzschnelle Kehre, um wieder auf ihn zuzukommen.

Während dessen legte McIntire die Harpune an.

Panik sprang Borran an wie eine mordlüsterne Raubkatze. Er befand sich genau zwischen der Harpune und dem heran schießenden Hai. Und McIntire konnte ihn nicht mehr sehen!

Verzweifelt mit den Flossen schlagend, versuchte er zur Seite zu entkommen. Ein gurgelnder Schrei entrang sich seiner Kehle. Er hatte das Mundstück noch nicht wieder zurückgesteckt. Meerwasser drang ihm in den Mund.

Doch da löste sich die Harpune auch schon.

Der stählerne Pfeil mit der Widerhaken bewehrten Spitze glitt zwischen seinen Beinen hindurch, raste auf den Fischleib zu und verschwand darin. Eine dunkle Blutwolke hüllte Tier und Borran ein.

Endlich bekam der Unsichtbare den Kopf wieder über Wasser. Er hustete sich die Salzlauge aus den Lungen. Nur drei Meter neben ihm tauchte McIntire auf.

»Hey, Borran!«, krächzte er. »Was ist mit Ihnen? Ich kann Sie nirgendwo sehen. Haben Sie .. .?«

Johnnie McIntire war einer der wenigen Menschen, die Mike Borrans Geheimnis kannten.

»Ja«, keuchte Mike. »Es ist passiert, als ich den Hai entdeckte. Um ein Haar hätten Sie mich harpuniert und nicht den Fisch. Aber verschwinden wir jetzt. In ein paar Minuten wird es hier von Haien wimmeln.«

»Ich habe meinen Beutel verloren. Den mit den Handgranaten.«

»Die meinen habe ich noch bei mir«, sagte Borran. »Kommen wir eben ohne Handgranaten aus. Sehen Sie jetzt zu, dass Sie an die Küste kommen und verstecken Sie sich dort.«

»Und Sie?«

Ein sarkastisches Grinsen huschte über Borrans Züge.

»Ich werde ein wenig Gespenst spielen und uns einen Jeep besorgen.«

image

image

image