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Timothy Cronin war ein fast zwei Meter großer, stark übergewichtiger Mann, der annähernd drei Zentner auf die Waage brachte. Er residierte in einer Traumetage in den Majestic Apartments am Central Park West und hatte von der Fensterfront aus einen direkten Blick auf Strawberry Fields, den Heckscher Playground und einen See mit der schlichten Bezeichnung „The Lake.“ Timothy Cronin stand an der Fensterfront und blickte versonnen hinaus in das nächtliche Lichtermeer der Stadt, die angeblich niemals schlief. Nur im Central Park gab es jetzt ein paar dunkle Ecken, aber die Gegend um Loeb’s Boathouse war auch jetzt noch beleuchtet. Nervös tickte der riesige Koloss mit den Fingern gegen das Dreifachglas der Thermopenscheiben. Links konnte man einen Teil der Dakota Apartments sehen, die einem europäischen Renaissance-Schloss ähnelten und durch die Lichtverhältnisse wie ein steinernes Geisterhaus wirkten. Roman Polanski hatte das Gebäude als Kulisse in Rosemaries Baby verwendet und es damit immerhin in die zweite Reihe berühmter New Yorker Bauten katapultiert.

Cronin ballte schließlich die Hände zu Fäusten und wandte sich zu den drei Gästen herum, die in den breiten Ledersesseln Platz genommen hatten. Es handelte sich um Unterführer seiner Organisation.

„Wenn unsere Konkurrenz über diesen Makarow ihre Müllladungen zu einem Spottpreis in Russland vergraben darf – einem Preis, der noch weit unter dem liegt, was man hier für die Anmietung einer entsprechenden Gewerbefläche aufbringen müsste – dann sind wir für die nächsten Jahre aus dem Rennen“, erklärte Cronin.

„Wir hätten mehr auf zack sein müssen!“, meinte einer der anwesenden Gäste. „Alles, was uns jetzt übrig bleibt, ist Schadensbegrenzung.“

„Kein Grund sich aufzuregen“, erklärte Cronin. „Wir werden die Sache wieder unter Kontrolle bekommen.“

„Wie denn?“, ereiferte sich einer der Sprecher, ein grauhaariger Mann mit hohen Wangenknochen und einem sehr gepflegten Knebelbart. „Wir haben doch versucht, mit Makarow ins Geschäft zu kommen, aber...“

„Ich bin überzeugt davon, dass in dieser Sache noch nicht alles verloren ist“, unterbrach Cronin sein Gegenüber.

„Nun sagen Sie schon, was haben Sie denn noch in petto, Mister Cronin?“, nörgelte der Mann weiter. „Hoffen Sie etwa darauf, dass Vic Milrone ganz plötzlich etwas zustößt und die Karten noch mal neu gemischt werden? Aber dann würde doch vermutlich Mike Milrone die Geschäfte seines Onkels übernehmen und den Deal erben.“

„Das glaube ich nicht“, äußerte ein anderer Sprecher. Er war der jüngste im Raum, etwa dreißig Jahre alt. Er hieß Chess Vritzko und Cronin hielt ihn für einen seiner besten Leute, weswegen er ihm auch den überaus raschen Aufstieg in die Führungsriege ermöglicht hatte. „Nach allem, was wir wissen, befürwortet Mike doch seit langem eine Kursänderung der Milrone-Geschäfte. Der Müll ist ihm zu schmutzig.“

„Aber Dollars stinken nicht!“, meinte einer der anderen. Gelächter kam kurz auf. Aber Cronins ernster Blick ließ es sofort wieder verstummen.

„Aber das Müll-Business ist riskanter geworden. Gerade jetzt! Was meinst du, was geschieht, wenn nächste Woche noch mal irgendwo ein paar kleine Jungs in ein Lagerhaus einsteigen und sich vergiften? Dann ist aber der Teufel los! Und im Nu dreht das FBI in Zusammenarbeit mit den lokalen Polizeibehörden Stein um Stein um! Darauf kann man Gift nehmen!“

„Sehr witzig!“, knurrte Cronin tadelnd in Vritzkos Richtung. Die vorlaute, nassforsche Art des Dreißigjährigen gefiel ihm eigentlich, aber heute war ein Tag, an dem er einfach keine Nerven dafür hatte.

Das Telefon klingelte.

Cronin nahm ab.

„Hier spricht Flash“, wisperte eine Stimme. „Ich habe Ihren Auftrag ausgeführt, Mister Cronin. Vic Milrone ist tot. Ich erwarte die zweite Zahlungshälfte auf mein Konto in Zürich.“

„Sie...“

Der Anrufer legte auf.

Cronin stand wie versteinert da. Sein Gesicht war hochrot angelaufen.

„Was ist los?“, fragte Vritzko.

„Der Wunsch einiger hier ist in Erfüllung gegangen“, verkündete Cronin schließlich.

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