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Morris Bulmer bewohnte eine pittoreske Villa am Rande Londons. Sie war von einer hohen Mauer umgeben. Ein gusseisernes Tor versperrte den Weg zur Haustür. Wilder Wein rankte an dem grauen Stein hinauf.

Ich drückte auf den Klingelknopf der Sprechanlage. Wenig später meldete sich eine etwas gereizt klingende Männerstimme mit einem unverbindlichen "Ja?"

"Mein Name ist Jennifer Dexter. Ich hätte gerne mit Mr. Bulmer gesprochen..."

Einen Augenblick lang kam nichts als ein undefinierbares Knacken aus dem Lautsprecher heraus.

Schließlich sagte die Männerstimme: "Mr. Bulmer empfängt zur Zeit keinen Besuch..."

"Aber..."

"Auf Wiedersehen."

Das Gespräch war unterbrochen.

"Kein sehr warmer Empfang", war Kevin Greens trockener Kommentar. "Sollen wir uns das bieten lassen?" Ich zuckte die Schultern. "Was sollen wir machen. Dieser Morris Bulmer scheint gerade besonders gastfreundlich zu sein."

Ich klingelte noch einmal. Es folgte keinerlei Reaktion. Offenbar wollte man einfach abwarten, bis wir wieder gegangen waren. Aber schließlich war ich Reporterin und als solche daran gewöhnt, dass man hartnäckig sein musste, wenn man Erfolg haben wollte.

Das, was man wissen wollte, wurde einem selten freundlich auf dem Silbertablett serviert. Um so mehr galt das, wenn dieser Bulmer tatsächlich Anführer einer okkulten, vielleicht sogar sektenartigen Geheimorganisation war.

Die HERREN QUARMA'ANS...

Ich fragte mich, ob Pamelas Warnung sich vielleicht darauf bezog.

"Geben Sie es auf, Jennifer", meinte Kevin schließlich.

"Oder wollen Sie mit mir über die Mauer dort klettern?"

"Nein, sicher nicht."

Ich versuchte ein letztes Mal mein Glück mit der Klingel. Wieder meldete sich die gereizte Männerstimme, die jetzt ziemlich ärgerlich klang.

"Hören Sie, wenn Sie..."

"Nein, jetzt hören Sie mir zu!", unterbrach ich. "Sagen Sie Mr. Bulmer, dass ich ihn wegen Quarma'an sprechen muss... Und zwar sofort!"

Auf der anderen Seite der Leitung war es einen Moment lang still. Aber die Verbindung war keineswegs unterbrochen. Ich atmete tief durch und wechselte einen kurzen Blick mit Kevin, der mir anerkennend zuzwinkerte.

Schließlich war mein Gesprächspartner auf der anderen Seite der Leitung zu einer Entscheidung gelangt.

"Ich werde Mr. Bulmer persönlich fragen", sagte er dann.

"Vielleicht kann er ein paar Minuten für Sie erübrigen, Miss Dexter."

Wir warteten noch ein paar Augenblicke, dann öffnete sich plötzlich selbsttätig das gusseiserne Tor und wir traten in den weitläufigen Garten ein, der die Villa umgab. Der Rasen war schon lange nicht mehr geschnitten worden und stand dementsprechend hoch. Außerdem war er von Unkraut durchwuchert. Dunkle, dichte Hecken und seltsam verkrüppelte, zum Teil wohl uralte Bäume gaben dem ganzen Anwesen eine eigenartige Ausstrahlung.

Die verwachsenen Stämme wirkten zum Teil wie geisterhafte, verzerrte Gesichter, aus den Qual und Entsetzen zu sprechen schienen.

Die Aura von Alter und Verfall schien über allem zu schweben und ich blieb unwillkürlich einen Augenblick stehen.

"Was ist?", fragte Kevin. Seine Hand berührte leicht meine Schulter, während mich seine meergrünen Augen verständnislos musterten.

"Nichts", murmelte ich.

"Jennifer..."

Es war noch nicht einmal eine Ahnung, die mich auf einmal beschlichen hatte. Eher ein unbestimmtes, unbehagliches Gefühl, das ich nicht näher zu deuten wusste. Für einen Moment hatte ich die Szene aus meinem Traum vor Augen. Ich sah die monströse Schattenhand...

Ein Geräusch holte mich wieder in die Wirklichkeit zurück. Die Haustür hatte sich geöffnet und ein Mann in den mittleren Jahren kam die wenigen Stufen hinab.

Er hatte ein hartes, etwas blasses Gesicht und rotstichige Haare. Der Blick seiner Augen hatte etwas unangenehm Aufdringliches.

Er war nicht alt genug, um Bulmer zu sein. Daher fragte ich ihn: "Sie arbeiten für Mr. Bulmer?"

"Ja. Mein Name ist Jenkins, ich bin sein Sekretär." Er wandte sich an Kevin. "Und wer sind Sie?"

"Kevin Green", stellte dieser sich vor. In Jenkins' Gesicht regte sich nichts. Nur einen Sekundenbruchteil lang war am Flackern seiner Augen erkennbar, dass der Name Green in ihm etwas auslöste. Seine Augenbrauen bildeten eine Schlangenlinie. "Sie..."

"Ich bin Pamelas Bruder", erklärte Kevin ernst. Jenkins Lächeln war maskenhaft und verkrampft. Dann erwiderte er: "Ich habe keine Ahnung, was Sie damit sagen wollen. Aber vielleicht können Sie das ja im Gespräch mit Mr. Bulmer klären..."

Wir folgten ihm die Stufen hinauf zur Haustür. Im Innern herrschte Halbdunkel.

Durch einen engen hohen Flur wurden wir in eine Art Salon geführt.

Die Einrichtung war recht eigenwillig.

Neben zierlich wirkenden runden Tischen und dazugehörigen Sesseln, wobei es sich vermutlich um Antiquitäten aus dem letzten Jahrhundert handelte, waren da eigentümliche Wandteppiche, die mit dem Rest des Inventars überhaupt nicht harmonieren wollten. Es waren offenkundig orientalische Wandteppiche mit eingearbeiteten arabischen Schriftzeichen. Das grelle Farbenspiel der Arabesken wirkte als starker Gegensatz zu dem bleichen Totenschädel, der mich aus einem der völlig überladenen Bücherregale heraus angrinste und mich für einen Moment zusammenfahren ließ.

"Setzen Sie sich bitte", sagte Jenkins indessen, ohne uns dabei anzusehen. "Möchten Sie etwas trinken?"

"Nein, danke", erwiderten Kevin und ich fast gleichzeitig.

"Mr. Bulmer wird gleich mit Ihnen sprechen. Aber ich sage Ihnen schon jetzt, dass er nicht viel Zeit für Sie haben wird..."

"Ich weiß es zu schätzen, dass er uns überhaupt empfängt", erwiderte ich kühl.

"Mr. Bulmer ist ein vielbeschäftigter Mann, Miss Dexter. Außerdem..."

Jenkins drehte den Kopf und sah mir direkt in die Augen. Seine Oberlippe verzog sich dabei leicht.

"Was?", fragte ich.

"Er lebt sehr zurückgezogen und kann es nicht leiden, seine Zeit mit unnötigem Geschwätz zu verschwenden. Ich hoffe also, dass es wirklich etwas Wichtiges ist, was Sie mit ihm zu besprechen haben!"

"Sagen Sie, Mr. Bulmer war doch früher Professor in Cambridge, nicht wahr?"

In Jenkins' Augen blitzte es.

Seine Lippen bewegten sich kaum, als er sagte: "Fragen Sie ihn doch selbst, Miss Dexter!"

Damit verließ er den Raum.

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