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"Ich denke, wir sollten diesem Bulmer noch etwas mehr auf den Zahn fühlen", meinte Kevin, als wir wieder in meinem roten Mercedes saßen.
Der Regen hatte inzwischen noch etwas zugenommen. Ich strich mir das nasse Haar etwas zurück und musste niesen.
"Gesundheit", sagte Kevin.
"Danke, aber der Wunsch kommt vermutlich zu spät!" erwiderte ich. Ich startete den Motor und fuhr los. Der Regen verstärkte sich schauerartig, so dass ich die Scheibenwischer auf höchste Leistung stellen musste.
Während ich den Mercedes langsam vorwärts fahren ließ, ging mein Blick noch mal zur Seite, glitt die hohe Mauer entlang, die Bulmers Villa umgab und die sich danach noch ein Stück fortsetzte. Der Stein war nur etwas anders. Noch grauer und noch mehr von Schlingpflanzen überwuchert.
Aus den Augenwinkeln heraus sah ich eine Gestalt daherlaufen. Der Mantelkragen war zu hochgeschlagen gewesen, aber ich hatte genug gesehen, um das Gesicht erkennen zu können.
Niemand anderes als Morris Bulmers hochgewachsene, etwas gebeugt wirkende Gestalt hatte ich da die Straße entlanggehen sehen.
Er hatte nicht zu uns herübergesehen, sondern kämpfte sich verbissen gegen den Regen vorwärts.
"Hast du ihn auch gesehen?", fragte ich.
"Wen?"
"Bulmer!"
"Der alte Mann da gerade auf dem Bürgersteig?" Kevin zuckte die Achseln. "Einen Moment lang habe ich es auch geglaubt, aber..."
"Ich bin mir sicher!"
Zweihundert Meter fuhr ich noch, dann suchte ich eine Parklücke und hielt an. Der Stein, aus dem die Mauer war erinnerte mich an etwas...
An meinen Traum.
Ich dachte an den dunklen gruftartigen Raum und an den Sarkophag, auf den sich die Frau im roten Kleid - Pamela gestützt hatte. Und Tante Marges Worte hallten in meinem Inneren wieder. Um Quarma'an zu beschwören war die Energie von Totengeistern erforderlich!
Eine Grabstätte!, durchfuhr es mich. Irgendwo hier in der Gegend musste sich dieser dunkle gruftartige Raum befinden. Bislang hatte es für alles aus jenem Traum eine Entsprechung in der Realität gegeben.
"Was hast du?", fragte Kevin.
"Ich frage mich, woher Bulmer gerade kam. Weit entfernt kann es nicht gewesen sein. Er ist ein alter Mann und sicher kein Marathonläufer." Ich sah ihn an. "Hast du nicht gesagt, wir sollten ihm etwas näher auf den Zahn fühlen?" Er blickte hinaus und meinte dann: "Naja, bei besserem Wetter!"
Wir lachten beide.
Recht schnell wurden wir allerdings wieder ernst und ich sagte: "Komm, Kevin!"
"Wohin?"
"Vertrau mir einfach. Es ist nur so ein Gedanke, aber vielleicht bringt es uns weiter..."
Kevin zuckte die Achseln.
"Okay. Dann los!"
"Lass uns noch einen Moment warten, bis der Regen etwas nachlässt, ja?"
"Nichts dagegen", erwiderte er und lächelte. "Und wie überbrücken wir diese Zeit?"
"Ich weiß nicht...", flüsterte ich und blinzelte ihn kokett an. Wieder war es zwischen uns, dieses einmalige elektrisierende Gefühl des Verliebtseins. Ich berührte zart sein Gesicht, fuhr ihm mit den Fingerspitzen über das Kinn. Der Sicherheitsgurt glitt zur Seite und Kevin fasste mich bei den Schultern.
Unser Kuss war lang und leidenschaftlich. Es war einer dieser Momente des Glücks, von denen man sich wünscht, dass sie ewig andauern.
Ein Moment, in dem man die finstere Bedrohung vergessen konnte, die irgendwo im Hintergrund lauerte und den Schatten des Todes über mich werfen wollte...