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Den Abend verbrachte ich damit, Tante Marge beim Ordnen ihrer Textfragmente und Bruchstücke verschiedener Schriften zu helfen. Aber wir kamen nicht so recht weiter. Es war eine langwierige und äußerst anstrengende Arbeit, die in gewisser Weise detektivischen Spürsinn verlangte.

"Franklin hätte solch ein Rätsel im Nu lösen können", seufzte Tante Marge dann irgendwann. "Als Archäologe hat er ja im Grunde nichts anderes gemacht, als Bruchstücke zueinanderzufügen. Ich habe das immer sehr bewundert, wenn es ihm beispielsweise gelang, aus einen durchlöcherten, halb verrotteten Pergament, dessen Text nur in Bruchstücke noch vorhanden war, das, was dort ursprünglich stand zu rekonstruieren..." Sie hob verzweifelt die Schultern. "Ich scheine diese Begabung leider nicht in gleicher Weise zu besitzen!"

"Tante Marge!"

"Naja, ich werde es weiter versuchen..." Ich ging relativ früh ins Bett, schlief aber aus irgendeinem Grund nicht gut. Immer wieder wälzte ich mich hin und her.

Es war eine mondlose, sehr dunkle Nacht. Draußen hatte es wieder zu regnen und zu stürmen begonnen. Das Prasseln des Regens hielt mich eine ganze Weile lang wach. Eine ganze Reihe von unterschiedlichen Gedanken und Gefühlen wirbelten in meinem Inneren durcheinander.

Ich dachte an Kevin und wollte ihn zwischendurch sogar schon anrufen. Aber dann sah ich auf die Uhr und erinnerte mich daran, dass er jetzt vermutlich noch immer im Studio war und seinem Saxophon angenehm klingende Töne zu entlocken suchte. In der Musikbranche hielt man sich nicht unbedingt an den Schlaf/Wachrhythmus gewöhnlicher Sterblicher. Ein gewisses Unbehagen hatte sich in meine Seele gestohlen. Ich hatte das dumpfe Gefühl, das irgend etwas geschehen würde...

Schließlich fiel ich doch in einen traumlosen, tiefen Schlaf, aus dem mich erst weit nach Mitternacht das Geräusch eines klappernden Fensterladens weckte.

Draußen toste der Wind.

Ein richtiger Sturm fegte über London. Offenbar hatte sich eine der Halterungen, mit denen die Fensterläden befestigt waren, gelöst.

Ich seufzte und stand auf. Barfuß und im Nachthemd ging ich zum Fenster und sah hinaus.

Wieder klapperte der Laden hin und her.

Ich hatte keine Lust hinauszugehen, ihn wieder zu befestigen und dabei klitschnass zu werden. Aber das bedeutete wohl, dass ich für den Rest der Nacht das Geklapper ertragen musste.

Dann durchzuckte es mich wie ein Blitz. Ich erstarrte und sah auf eine ganz bestimmte Stelle draußen im Garten. War da nicht eine Bewegung gewesen? Für den Bruchteil eines Augenblicks hatte ich geglaubt, dort etwas zu sehen. Der Puls schlug mir bis zum Hals. Ich presste die Stirn an die kühle Scheibe, konnte aber nichts mehr erkennen.

Im nächsten Moment atmete ich tief durch.

Du hast dir etwas eingebildet, sagte ich mir selbst. Da draußen war nichts. Gar nichts. Ich sagte mir das immer wieder, aber tief in mir war eine Stimme, die das nicht glauben wollte...

Sieh hinaus, Jennifer! Da ist nichts! Nichts und Niemand! Du hast einen hin und her geschüttelten Busch gesehen, mit dem der Wind gespielt hat!

Ich wandte mich vom Fenster ab und verschränkte die Arme vor der Brust.

Dann setzte ich mich in einen der großen, gemütlichen Sessel in meinem Zimmer und zog die Knie nach oben. Ich war jetzt hellwach.

Du solltest schlafen, Jenny! Morgen bist du in der Redaktion zu nichts zu gebrauchen und schläfst womöglich am Schreibtisch ein!

Ein Knarren ließ mich zusammenfahren.

Es kam von der Treppe.

Vermutlich arbeitete nur das Holz. Oder Tante Marge geisterte noch durch das Haus. Sie hatte einen leichten Schlaf und brauchte außerdem nicht viel davon. So manche Nacht verbrachte sie lesend über ihren staubigen Büchern. Einen Moment lang schloss ich die Augen und versuchte, mich ein bisschen zu beruhigen und ganz ruhig dabei zu atmen. Mach dich nicht verrückt!

Ich fuhr mit der Hand über das Gesicht und strich mir das offene Haar etwas zurück. Die innere Unruhe wollte einfach nicht verschwinden.

Dann öffnete ich einen Moment später die Augen. Und schrie!

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