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Sofia, Bulgarien
A
ngst war Zvezdevs bester Freund.
Er hätte weder Säuberungsaktionen im bulgarischen Komitee für Staatssicherheit noch Intrigen von KGB
-Führungsoffizieren oder Mordanschläge krimineller Syndikate unbeschadet überstanden, wenn er allzu optimistisch gewesen wäre. Er ging immer davon aus, dass alle ihn fertigmachen wollten.
Denn gewöhnlich wollten sie das auch.
Und das war auch der Grund, warum Zvezdev jetzt in seinem Privatbüro auf seinem weitläufigen Anwesen saß und mit den Fingern besorgt auf den vergoldeten Schreibtisch trommelte.
Sein Telefongespräch mit Ri fünfzehn Minuten zuvor war recht zufriedenstellend verlaufen. Dank Wolz war die Mission abgeschlossen. Zvezdev machte sich keine Illusionen über seine Beziehung zu dem nordkoreanischen Meisterspion. Hätte er versagt, hätten Ris Agenten längst sein Haus gestürmt, seine Wachleute getötet und ihn selbst in eine konspirative Wohnung verschleppt, um ihm ein grausames Schicksal zu bereiten, das er sich lieber nicht vorstellen wollte.
Stattdessen hatte ihm Ri versichert, dass die zweite Hälfte seines fürstlichen Honorars – und zwar in Form von nichts Geringerem als Goldbarren – wie vereinbart innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden im Tresor einer Bank auf den Kaimaninseln hinterlegt werden würde. Zvezdev hatte sich von seinem englischen Banker telefonisch bestätigen lassen, dass die Transaktion angelaufen war. Alles gut.
Was Zvezdev allerdings besorgt stimmte, war ein früheres Telefonat mit Wolz, bei dem ihn dieser um die Erlaubnis gebeten hatte, Jack Ryan junior und Lian Fairchild zu töten. Zvezdev hatte ihm geantwortet, dass eine Ermordung Jack Ryans nur den Zorn seines Vaters, eines fähigen und gewalttätigen Mannes, entfachen würde. Seine Befehle von Ri waren eindeutig: Die Operation sollte fristgerecht abgeschlossen werden, ohne dass sie bis zu ihm zurückverfolgt werden konnte. Zvezdev hatte alles getan, um seine Spuren zu verwischen, und ging davon aus, dass der bevorstehende Zusammenbruch der Aktienmärkte in aller Welt zusätzliche Verwirrung stiften und die Ermittlungen verzögern würde. Dagegen würde sich die US-Regierung bei einer Ermordung des Präsidentensohns mit ganzer Kraft und Aufmerksamkeit dem Fall widmen, und das galt es zu vermeiden. Deshalb war Jack Ryan junior noch am Leben.
Und das bereitete ihm Sorgen.
Zvezdev kratzte sich den grauen Bart. Er hatte sich hinter einem schleimigen Typ wie Rhodes versteckt und ihm die Sache überlassen. Und wie er zugeben musste, war es von Rhodes ein schlauer Zug gewesen, Jack Ryan junior in seinen Plan einzubinden. Nur ging ihm Ryan mittlerweile ziemlich auf den Geist.
Dank der von Wolz im Gästehaus angebrachten Wanzen wussten sie, dass Paul den wahren Zweck des USB
-Sticks durchschaut und obendrein Ryan und Fairchild informiert hatte. Zvezdev seufzte. Er hatte einen Fehler begangen. Er hätte Wolz beide liquidieren lassen sollen. Wenigstens Brown war jetzt tot. Neben seinem Honorar hatte Wolz verlangt, dass er ihm in Bezug auf den fetten Buchprüfer freie Hand ließ. Für Zvezdev war das ein geringer Preis gewesen. Er lachte.
Aber ein hoher Preis für Brown.
Natürlich gab es nichts, was Ryan in der momentanen Situation noch tun konnte. Das Virus war installiert. Ri brauchte nur noch knapp sieben Stunden zu warten, und sein Vorhaben, die Weltwirtschaft zum Kollabieren zu bringen, ging in Erfüllung.
Aber Jack Ryan junior würde keine Ruhe geben. Man würde die Spur des Virus zu Rhodes zurückverfolgen und dann bis zu ihm, wenn Rhodes umfiel.
Und er würde umfallen.
Selbst wenn er Rhodes jetzt tötete, liefe er immer noch Gefahr, entlarvt zu werden. Das würde Ri nicht gefallen.
Deshalb machte sich Zvezdev jetzt ernsthaft Sorgen.
Ryan und Fairchild mussten sterben.
Er rief erneut bei Wolz an.
Und wieder wurde dessen Satellitentelefon nicht abgehoben.
War wegen des Sturms der Satellitenservice ausgefallen? Nein. Satellitentelefone waren für Stürme und dergleichen gemacht. Wenn Wolz und seine Leute nicht rangingen, bedeutete das, dass etwas nicht stimmte.
Und dass das mit Ryan zu tun hatte. Er war noch am Leben. Er musste es sein.
Ob Ryan wusste, dass es um sieben Uhr losging?
Nein. Wie könnte er?
Und wenn doch?
Ryan würde Hilfe holen. Aber bislang hatte er weder die US-Botschaft noch die CIA
-Station in Singapur angerufen, sonst würden beide mitmischen.
Was würde ich an seiner Stelle tun?
Ich würde irgendwo hinfahren, wo ich Hilfe bekommen könnte.
Zvezdev klappte seinen Laptop auf, sah sich den aktuellen Wetterbericht und den Sturm-Tracker an und öffnete dann ein zweites Fenster und lud Google Maps hoch.
Zvezdev fluchte verdrossen.
Er hatte Ri nichts von Jack Ryan junior erzählt. Je weniger Ri über die Angelegenheit wusste, desto besser. Aber jetzt musste er ihn informieren. Ein unangenehmes Gespräch, aber unvermeidlich.
Er griff zum Telefon und rief Ri an, denn er befürchtete, dass der Amerikaner auf dem Weg nach Malaysia war, um ihnen beiden richtig Ärger zu machen.
Ri musste Jack Ryan aufhalten.
Sofort.