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Sully, Iowa
Gegenwart
D
ie Gewehre feuerten ein drittes Mal. Die sieben Ehrengardisten der CIA
ließen die Waffen sinken und nahmen feierlich Haltung an.
Jack junior stand ernst da und sah zu, wie der Sarg in die Erde gesenkt wurde. Eigentlich hätte er heute in die kalte Erde gelegt werden müssen, nicht Paul. Er empfand Dankbarkeit und Scham.
Die Beerdigung endete. Präsident Ryan schüttelte Hände und sprach, die stummen Ermahnungen seines Stabschefs ignorierend, den anwesenden Freunden und Angehörigen sein Beileid aus.
In einer Dreiviertelstunde sollten sie im Flugzeug nach Peking sitzen, und bis zum Flughafen war es über eine Stunde. Ryan wies Arnie mit einem Blick in die Schranken. Eins nach dem anderen.
Jack junior näherte sich einem distinguierten, silberhaarigen Herrn, der sich mit John Clark unterhielt. Er streckte ihm die Hand hin. »Captain Miller, es ist schön, Sie wiederzusehen. Ich wünschte nur, es wäre unter anderen Umständen.«
Der Verkehrspilot lächelte. »Ich verstehe, in beiderlei Hinsicht.«
»Woher kennt ihr euch?«, fragte Clark.
»Dasselbe könnte ich dich fragen«, erwiderte Jack.
»David und ich kennen uns schon eine Ewigkeit, nicht wahr?«
»Damals beherrschten noch die Dinosaurier die Erde.«
Die beiden Veteranen kicherten, verstanden sich offensichtlich auch ohne viele Worte.
»Und ihr habt Paul beide gekannt?«, fragte Jack.
»Alle alten Hasen haben Paul Brown gekannt«, antwortete Miller und blickte zum Grab zurück. »Es ist eine Schande, dass nicht mehr Menschen von ihm erfahren werden.«
Jack drückte Miller noch einmal die Hand. »Machen Sie es gut.«
»Sie auch.«
Jack schlenderte an den anderen Grabsteinen vorbei, die verwittert, aber gepflegt waren. Viele Browns. Paul war neben Carmen beigesetzt worden, aber er war von Verwandten aus fünf Generationen umgeben. Eine lange Geschichte, vereint an einem Ort. Jack spürte eine Hand auf seiner Schulter.
»Wie macht sich der gebrochene Flügel?«
Gerrys Stimme war unverwechselbar. Jack drehte sich um und hob den Gips. »Na ja, das Ding würde eine ziemlich gute Waffe abgeben.«
»Das glaube ich gern. Und wie geht es Ihnen sonst, mein Junge?«
Jack zuckte mit den Schultern. »Ich habe immer noch das Gefühl, dass ich Paul im Stich gelassen habe.«
Gerry schüttelte den Kopf. »Sie waren außer Gefecht. Paul hat die Stellung gehalten, als es darauf ankam.« Er nickte in Richtung Grab. »Jetzt ist er bei Carmen. Er würde Ihnen sagen, dass alles seine Richtigkeit hat. Sie beide haben einen verdammt guten Job gemacht. Dank Ihnen darf die Weltwirtschaft weiter brummen, und die Welt wird nie davon erfahren. Aus meiner Sicht ist das gute Arbeit.«
»Paul hat die Sache aufgedeckt, während ich nur im Hamsterrad gestrampelt habe. Apropos, gibt es was Neues von Yong Fairchild?«
»Der wird wohl auf absehbare Zeit in China bleiben. Die Fusion von Marin Aerospace und Dalfan ist geplatzt. Der Kurs der Dalfan-Aktie ist deswegen eingebrochen, aber nicht allzu sehr, und die Singapurer Behörden durchforsten jetzt die Datenbanken und Datensätze der Firma, um festzustellen, was Yong gestohlen haben könnte. Es ist ein einziger Schlamassel, aber dank ihrem Gestrampel im Hamsterrad konnte eine Katastrophe verhindert werden.«
»Danke.«
»Ich habe gerade mit dem Justizminister gesprochen. Die Singapurer Strafverfolgungsbehörden werden Sie wegen nichts belangen, was Sie da drüben getan haben.«
»Das ist schwer zu glauben. Sie kennen ja meinen Bericht.«
»Dr. Fairchild ist ein einflussreicher Mann, und Lian hat einen wahren Helden aus Ihnen gemacht. Die Singapurer Regierung ist offiziell ›dankbar für Ihre Dienste‹.«
Jack zuckte die Schultern. »Dann will ich nicht widersprechen.«
Gerry zog ihn näher zu sich heran. »Und die dreißig Millionen Dollar Soforthilfe, die wir ihnen für die Aufräumarbeiten geschickt haben, haben auch nicht geschadet.«
Jack verdrehte die Augen. »Im Ernst?«
»Nach dem Taifun können sie die Unterstützung gebrauchen, glauben Sie mir.«
Gerry wurde ernst. »Außerdem wollte ich, dass Sie Folgendes von mir persönlich erfahren. Rhodes hat mit dem FBI
einen Deal gemacht.«
»Was?«
»Das ist der Lauf der Welt. Mit kleinen Fischen fängt man die großen. Die Software auf Rhodes’ USB
-Stick war hochgefährlich. Unsere Leute sind sich sicher, dass sie von den Nordkoreanern entwickelt wurde, aber mit denen hatte Rhodes nie zu tun, nur mit einem Mittelsmann namens Zvezdev. Und diesen Zvezdev müssen wir aufspüren, wenn wir Choi ans Leder wollen. Deshalb gibt es für den Ex-Senator fünfzehn Jahre Urlaub auf Staatskosten, bei guter Führung sieben.«
Jack schüttelte angewidert den Kopf. »Kann ich bei der Aktion wenigstens mitmischen?«
»Leider nein. Mary Pat leitet die Operation Zvezdev. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir bald einen Geheimauftrag für Sie haben … falls Sie bereit dazu sind.«
Jack grinste. »Machen Sie Witze? Ein Geheimauftrag wäre wunderbar. Nach dem Bürojob in Singapur könnte ich etwas Ruhe gebrauchen.«