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Ein verdammt blutiges Verhalten am Krankenbett

ZWANZIG MINUTEN SPÄTER IST FLINT wieder in seinem Krankenbett und angepisst wie Hölle, während Marise alles für die vom Spezialisten vorgegebene Wundverpflegung bereit macht.

»Warte genau hier«, sagt sie zu ihm. »Ich muss mehr Verbandszeug holen.«

»Und ich dachte schon, ich kann eben den Denali rauf«, antwortet er bemüht ironisch. Sie schüttelt nur den Kopf und geht schwerfällig zu einem Schrank in der anderen Ecke der Krankenstation – ein eindeutiges Zeichen, dass sie sich noch immer nicht annähernd so gut fühlt, wie sie uns weismachen will.

Jaxon und der Orden sind gegangen, um sich um Luca zu kümmern, und sie bestand darauf, dass ich Flint zurückbringe, damit sie nach seinem Bein sehen kann. Ich hatte gedacht, Hudson würde auch gehen, nachdem Flint ihm beim Betreten der Krankenstation einen mordlüsternen Blick zugeworfen hat. Man muss es ihm zugutehalten, dass er dennoch geblieben ist. Natürlich lehnt er gerade an einer Wand und tut so, als würde er durch sein Telefon scrollen, aber er ist hier, unterstützt Flint, so gut der es zulässt.

Flint dabei zuzusehen, wie er versucht, tapfer zu sein im Angesicht all dessen, was er verloren hat, sorgt dafür, dass mein Magen sich vor allzu vertrauter Panik verkrampft, und ich atme langsam und tief durch.

Marise schließt den Glasschrank auf und schiebt mehrere Pillenfläschchen herum, bis sie findet, was sie sucht. »Hier, es ist Zeit für mehr Schmerzmittel«, sagt sie und reicht Flint zwei blaue Pillen.

Nachdem Marise die Wunde gereinigt und mit dem mühsamen Prozess, einen neuen Verband anzulegen, begonnen hat, stellen Macy und Eden ihr Fragen über den Angriff.

»Es tut mir leid, Mädchen«, sagt Marise, nachdem sie keine neuen Informationen auf eine weitere Fragerunde liefert. »Ich wünschte, ich hätte mehr Antworten für euch.«

Macy und Eden tauschen einen Blick, bevor Macy erwidert: »Nein, nein, ist schon gut. Du hast um dein Leben gekämpft – das verstehen wir. Nicht die beste Zeit, um Fragen zu stellen. Wir wünschten nur, du wüsstest etwas , das uns bei der Planung unserer nächsten Schritte helfen würde.«

»Also ich denke, ihr solltet einfach an der Katmere bleiben, wo ihr in Sicherheit seid«, antwortet Marise und sammelt die benutzten Verbände ein. »Es ist absolut sinnlos, sich erwischen zu lassen und Cyrus eine Gelegenheit zu liefern, auch euch eure Macht zu rauben.«

»Moment, Cyrus hat die Kinder entführt, um ein Druckmittel gegen ihre Eltern zu haben, damit er sie dazu zwingen kann zu tun, was er befiehlt«, sagt Eden und ihre Augenbrauen schießen in die Höhe. »Oder?«

Ich beuge mich vor. Haben wir das alle falsch verstanden?

Marise zuckt mit den Schultern und sieht wieder auf Flints Bein hinab. »Davon weiß ich nichts, aber ich habe gehört, wie ein Wolf davon sprach, dass sie junge Magie als Energiequelle für irgendwas benötigen.«

Ich keuche und schüttle den Kopf. Nein, nein, nein. Das kann nicht stimmen.

»Er hat sie entführt, um ihre Magie zu stehlen?« Macys Stimme bricht, ihre Augen werden groß vor Entsetzen. »Aber unsere Magie ist an unsere Seelen gebunden. Wenn Cyrus diese abzapft, wird er sie umbringen!«

Ich sehe zu Hudson, ob er das auch hört, und bin nicht überrascht, dass er die ältere Vampirin eindringlich anstarrt.

»Es tut mir leid«, sagt Marise und dreht sich um, lässt Flints Verbände in einen Medizinabfalleimer fallen. »Das ist alles, was ich weiß.«

Macy fragt noch etwas, aber ich verstehe nichts über dem Dröhnen in meinen Ohren. Als wir an der Schule ankamen und begriffen, dass Cyrus die gesamte Schülerschaft entführt hat, waren wir alle entsetzt. Dennoch hatten wir wohl nicht geglaubt, dass er sie umbringen will. Er kann sie ja schwerlich als Druckmittel gegen ihre Eltern einsetzen, wenn sie tot sind, richtig?

Doch jetzt begreife ich, dass er sie vielleicht nur wegen ihrer Magie will und gar keinen Bedarf hat, sie am Leben zu lassen, sobald er ihnen genommen hat, was er von ihnen will, und ich kann nicht glauben, dass ich mir die Zeit für eine Dusche genommen habe. Oder – oh mein Gott – mit Hudson herumgemacht habe, während sie vielleicht sterben.

Ich blicke zu meinem Gefährten auf, dann wünschte ich, ich hätte es nicht getan, denn mir stehen meine Gedanken bestimmt ins Gesicht geschrieben. Die Reue. Die Scham. Das Entsetzen .

Sein Kiefer spannt sich an, bevor er sich daran hindern kann, dann wird sein Gesicht vollkommen ausdruckslos, weil er bemerkt, wie aufgewühlt ich bin. Bedauern macht sich in meinem Magen breit und windet sich darin. Denn egal wie sehr mich diese Erkenntnis mitnimmt, es ist nichts im Vergleich zu dem, was Hudson fühlen muss. Nicht nach all dem, was Flint ihm vorhin vorgeworfen hat.

Oh, er hat versucht, so zu tun, als wäre es keine große Sache, hat versucht, so zu tun, als wären Flints Worte einfach von ihm abgeprallt. Was mir vielleicht nicht so viel ausgemacht hätte, wenn er sich nur für die anderen verstellt hätte. Aber er macht es auch bei mir, und das sagt mir mehr als alles andere, wie sehr er wirklich am Boden zerstört ist.

Hudson und ich machen einander nichts vor – das haben wir nie getan. Nicht als er in meinem Kopf eingesperrt war und es uns unmöglich war, etwas voreinander zu verbergen. Und auch jetzt nicht, da er draußen ist, denn so sind wir nicht. Wir sagen einander die Wahrheit, selbst wenn es schwerfällt. Wenn er also so weit ist, dass er etwas vor mir verheimlicht, ist es übel. Wirklich, wirklich übel.

Angst lässt mein Blut zu Eis erstarren und ich will auf ihn zugehen. Er muss wissen, dass dies nicht seine Schuld ist, muss verstehen, dass man nichts hiervon ihm vorwerfen kann. Doch bevor ich das tun kann, hält Marise Flint eine Abhandlung mit Anweisungen zu seinem Bein.

Wir drängen uns alle um das Bett, wollen wissen, wie – wenn überhaupt – wir helfen können. Sogar Hudson legt sein Telefon weg, auch wenn er nicht näher tritt.

Irgendwann gibt es keine weiteren Fragen. Nur das Wissen, dass wir uns noch so sehr wünschen können, dass das hier nicht passiert, dennoch können wir nichts tun, als Flint zu unterstützen.

Denn die Wahrheit ist, egal über wie viel Macht man verfügt, manchmal muss Kaputtes kaputt bleiben, auch wenn wir es uns anders wünschten.

»Es tut mir so leid, dass dir das passiert ist«, sagt Macy zu ihm und reibt tröstlich mit der Hand über seinen Arm. »Aber wir tun alles, was wir können, für dich. Wir können dich zum Hexenhof bringen; die Heiler dort können dir eine Prothese …«

»Sind das dieselben Hexen, die gerade versucht haben, uns umzubringen?«, fragt er schneidend.

»Es tut mir leid«, flüstert sie und Tränen treten ihr in die Augen. »Ich wollte nicht …«

Flint murmelt etwas vor sich hin, schüttelt den Kopf. »Ignorier mich. Ich hab miese Laune.«

»Ja, na ja, wenn jemand das Recht dazu hat …« Macy blinzelt die Tränen weg. »Dann definitiv du.«

Ich fühle mich ein wenig voyeuristisch, dazustehen und Flint leiden zu sehen, also wende ich ihm den Rücken zu, als Marise zu ihm sagt: »Positiv ist doch, du heilst gut, sogar schneller, als Wandler das normalerweise tun. Deine Wunde ist schon fast vollkommen verschlossen und ich rechne damit, dass die Haut in den nächsten vierundzwanzig Stunden vollständig verheilt. In der Zwischenzeit wirst du ein Antibiotikum und weitere Verbände zum Wechseln brauchen.«

Eden tritt näher und stößt ihre Schulter gegen seine. »Du wirst gesund«, sagt sie nachdrücklich. »Dafür sorgen wir.«

»Ja, das werden wir«, stimmt Macy zu.

»Ich kann nicht glauben, dass das passiert«, flüstere ich zu niemandem im Besonderen und dann ist Hudson neben mir, dreht mich an den Schultern zu ihm um.

»Flint wird wieder gesund«, sagt er. »Alles kommt wieder in Ordnung.«

Ich hebe eine Braue. »Das wäre wirklich nett, wenn ich glauben würde, dass du das tatsächlich so siehst.«

Bevor ihm eine Erwiderung einfällt, kommt Jaxon zurück ins Zimmer und bleibt auf der anderen Bettseite stehen.

»Lucas Eltern machen sich auf den Weg.« Seine Miene ist grimmig, seine Augen tiefe Seen aus unendlicher Trauer. »Sie werden bis zum Morgen hier sein.«