122

Ich wette, du glaubst, bei diesem Kampf gehe es um dich

ICH SEHE IHR NACH und mir pocht das Herz in der Kehle. Endlich kommt sie am Boden der Arena an und ich drehe mich zu den anderen um. Denn auf keinen Fall kann ich mit mir noch leben, wenn ich sie mit in diese Arena gehen lasse, ohne noch ein letztes Mal etwas zu sagen. Egal was sie zuvor sagten.

Wenn man seine Freunde in den sicheren Tod führt, ist es nicht verkehrt, ihnen noch eine Chance zu bieten, den nächsten Ausgang zu nehmen.

»Ihr müsst das hier nicht tun.« Die Worte kommen heraus, bevor ich weiß, dass ich sie sagen werde. Es ist nicht ganz, wie ich diese Unterhaltung hatte anfangen wollen – ich habe mir die letzten fünf Minuten das Hirn darüber zermartert –, aber es reicht. Die Worte drücken aus, was sie müssen.

»Grace …«, setzt Macy an, aber ich unterbreche sie, hebe die Hand.

»Nein«, erwidere ich. »Ich muss das aussprechen.«

»Ich muss das hier tun«, sage ich und sehe von Flint zu Byron, Dawud, Rafael, Eden, Mekhi, Remy und Calder. »Ich habe die Entscheidung getroffen, Chastain den Ring zu stehlen und ihn Cyrus zu geben. Ich brachte die ganze Armee dazu, sich in Stein zu verwandeln. Ich bin die Gargoylekönigin, bin verantwortlich dafür, sie zu retten, die Letzten meiner Art. Aber ihr nicht.«

Ich mache mir nicht die Mühe, Hudson, Jaxon oder Macy anzusehen, denn ich weiß bereits, wie ihre Antworten lauten werden. Sie würden mich niemals verlassen, genauso wenig wie ich sie. Aber wenn ich einige der anderen retten kann, dann muss ich es zumindest versuchen. Ich weiß nicht, wie das hier enden wird, aber ich weiß, dass der Tod von uns allen zwölf eine gewaltige Verschwendung ist.

»Ich weiß es zu schätzen, dass ihr hier seid, mehr, als ich es jemals ausdrücken kann. Wirklich. Aber das ist nicht euer Kampf. Ihr müsst nicht hier sein. Ich werde nicht weniger von euch halten – und auch sonst niemand –, wenn ihr nicht in diese Arena gehen wollt. Wir haben bereits so viel verloren und ich denke nicht, dass es fair ist, euch darum zu bitten, noch mehr zu verlieren. Und ich muss hier brutal ehrlich sein – ich glaube nicht, dass wir es alle schaffen werden. Denke ich, dass wir gewinnen? Ja. Ich weiß nicht, warum ich das Gefühl habe, das habe ich einfach. Vielleicht, weil wir mehr Schläge abbekommen haben, als es sich jemand auch nur vorstellen kann, und doch sind wir noch hier. Wir haben aber Freunde auf dem Weg verloren und ich möchte in meinem Leben keine weiteren verlieren. Und deshalb, sosehr ich es liebe, dass ihr alle mitgekommen seid, glaube ich, dass ich dies vielleicht – vielleicht – allein tun muss.«

Hudson steht hinter mir – eine Hand an meiner Taille, die andere auf meiner Schulter – und ich sinke gegen ihn, genieße die stille Stärke und die Unterstützung, die er nie versagt, mir zu geben. Egal was um uns herum geschieht oder zwischen uns oder auch nur in seinem Kopf, Hudson stärkt mir immer, immer den Rücken.

Ich weiß nicht, ob ich ihm je dafür gedankt habe, aber das werde ich.

Zuerst sagt niemand etwas, aber ich warte. Sicher möchte doch jemand nicht hier sein. Sicher versteht jemand, wie töricht unser Vorhaben ist.

Eine Minute vergeht, vielleicht zwei, dann sieht Calder mir in die Augen. »Du weißt schon, dass du nicht so besonders bist, oder?«

Was nicht ganz das ist, womit ich gerechnet habe, aber ooookay. »Ja, ich weiß. Natürlich weiß ich das.«

»Sicher?« Sie kneift ihre großen braunen Augen zusammen und sieht mich an. »Denn auf mich wirkt es mal sicher, als würdest du alles auf dich beziehen.«

»I-ich habe n-nicht …« Ich stolpere über die Worte, mein Gehirn läuft schneller als mein Mund, während ich überlege, was ich antworten will. »Ich meine …«

»Was Calder zu sagen versucht, Cher«, Remy schreitet geschmeidig ein, seine grünen Augen blicken warm und verständnisvoll, »ist, dass wir alle unsere Gründe dafür haben, hier zu sein. Und Loyalität dir gegenüber ist nur ein Teil davon.«

»Das versuche ich hier nicht zu sagen, Mister Big Old Mansplainer«, sagt Calder und plötzlich glänzen ihre Krallen. »Ich wollte sagen, dass die Welt sich nicht um Grace dreht. Dass ich meine eigenen Gründe dafür habe, hier zu sein.«

Remy hebt eine Braue. »Habe ich das nicht gerade gesagt?«

»Nein.« Sie schnaubt, dann wendet sie sich mir zu. »Was ich sagen will, Grace, ist, dass ich nicht gehe. Und Remy auch nicht. Also komm mal runter, ja?«

»Ja«, echot Mekhi mit einem verschmitzten Glitzern im Auge. »Komm mal runter, Grace.«

Ich verstehe, was sie sagen, aber ich habe immer noch das Gefühl, als müsste ich noch einmal an ihre Vernunft appellieren. »Leute …«

»Stopp, Grace.« Dieses Mal ist es Eden. »Wir alle sind hier, weil wir das Gefühl haben, hier sein zu müssen. Aber niemand von uns ist hier, weil wir das Gefühl haben, dazu gezwungen zu werden. Wir sind hier, weil es das Richtige ist. Wir sind hier wegen dir. Aber vor allem sind wir hier, weil keiner von uns möchte, dass die, die wir lieben, in einer Welt leben müssen, in der Cyrus ein verfluchter Gott ist. Also lass uns diese Tess-Tante finden und ihr sagen, dass sie die Sache zum Laufen bringen soll. Wir haben eine Schlacht zu gewinnen.«