Drei Monate später
ES IST VERFLUCHT NOCH MAL lächerlich, was sie mit mir macht.
Gerade sitzt sie unter einem Baum mit einem Cherry-Pop-Tart in einer Hand und einer Wasserflasche in der anderen und ich fühle mich wie ein verflixter Debütant. Ich kann kaum atmen.
Sie tut nichts Besonderes, ist auf keine besondere Art gekleidet mit der weißen Shorts und dem türkisen Tanktop und dem Meeresbiologiebuch, das aufgeschlagen auf ihrem Schoß liegt. Aber das ist egal, denn sie ist perfekt – oder zumindest perfekt für mich.
Fast ein Jahr ist vergangen, seit ich ihr begegnete.
Fünf Monate, seit sie zur Königin wurde.
Drei Monate, seit wir nach San Diego zogen, damit sie ihren Bachelor in internationaler Politik und Staatskunde machen kann, um sie zur besten Herrscherin zu machen, die sie sein kann.
Eine sanfte Brise weht, bläst ihr die herrlichen Locken ins Gesicht und sie lacht ein wenig, schiebt sie weg. Dabei sieht sie auf und unsere Blicke begegnen sich über den Platz hinweg.
Sie lächelt, ein breites, keckes, strahlendes Lächeln, bei dem mir der Atem in der Brust stockt, noch bevor sie mich zu sich winkt.
Meine Gefährtin , denke ich und laufe über das Gras zu ihr. Grace Foster ist meine Gefährtin – und das heißt, sie wird mir jeden Tag für den Rest der Ewigkeit den Atem rauben.
Ich kann es verflixt noch mal nicht erwarten.
»Wie war der Kurs?«, fragt sie und beugt sich vor für einen kurzen Kuss, nachdem ich mich neben sie gesetzt habe.
»Ein echter Streit ist ausgebrochen bezüglich der Unterschiede zwischen Chomskys, Chalmers und Brandoms Sprachtheorien.«
»Gab es Schläge?«, fragt sie, die Brauen hochgezogen.
Ich lache. »Diesmal nicht.«
»Also war es alles in allem ziemlich zahm für Master-Level-Philosophie?« Sie wirft mir ein vieldeutiges Grinsen zu, woraufhin ich sie wieder küsse – diesmal nicht so kurz.
»Ein sehr zahmer Tag«, stimme ich zu, nachdem wir irgendwann atmen müssen. Mein Herz schlägt zu schnell und ich gebe mein Bestes, die Stimme in meinem Hinterkopf zu ignorieren, die mich dazu drängt, sie zu unserem Haus zu bringen – genauer, zu unserem Schlafzimmer, und zwar ASAP .
»Woran arbeitest du?«, frage ich und blicke auf das Buch in ihrem Schoß.
Sie schließt es und schiebt es in ihren knallpinken Rucksack, den sie nur hat, weil Macy ihn ihr als »Du gehst jetzt an die Uni«-Geschenk gab. »In Biologie ist nächste Woche ein Paper fällig. Ich überlege nur, über was ich schreiben will.«
»Biologie, ja?« Ich lehne mich für einen weiteren Kuss vor. »Dabei könnte ich dir vermutlich helfen.«
»Es ist Meeresbiologie, nicht menschliche Anatomie«, antwortet sie und verdreht die Augen, während sie sich gleichzeitig vorbeugt und mich wieder küsst.
Doch ein paar Sekunden später summt ihr Telefon und sie zieht sich zurück und sieht nach. »Oh, wow!«, quietscht sie, nachdem sie ihre Nachrichten gelesen hat. »Der Architekt will einen Termin vereinbaren! Er hat vorläufige Pläne für unseren neuen Gargoylehof. Ist das nicht super?«
»Total super«, stimme ich zu. Doch ihre Entscheidung, den Hof hierher nach San Diego zu verlegen, weil sie wusste, dass ich hier studieren wollte, beunruhigt mich ein wenig. Ich hatte es gut sein lassen, warte auf einen besseren Zeitpunkt. Aber wenn die Pläne so weit gediehen sind, bin ich ziemlich sicher, dass die Zeit abgelaufen ist.
Bei diesem Gedanken ziehe ich mich zurück. »Bist du sicher, dass du das wirklich tun willst?«
»Gargoylekönigin sein?«, fragt sie und sieht verwirrt aus. »Ich bin ziemlich sicher, es ist zu spät, um meine Meinung zu ändern. Außerdem hast du auf den Vampirthron verzichtet, um dich mir als König anzuschließen.« Sie hält inne, ihre Augen werden groß. »Warum? Hast du Bedenken?«
»Wegen dir als Königin? Nein. Weil du den Hof nach San Diego verlegen willst. Vielleicht. Ich möchte sicher sein, dass du das nicht nur für mich tust.«
»Ernsthaft? Du bist wohl der Einzige, der sich sorgt, weil jemand permanent nach San Diego ziehen möchte.« Sie breitet die Arme aus, um den perfekten Vierundzwanzig-Grad-Tag zu umfassen. »Du merkst schon, dass die meisten Leute diese Stadt für das Paradies halten, richtig?«
»Das merke ich, ja«, antworte ich und jetzt bin ich dran mit dem Augenverdrehen. »Aber ich möchte trotzdem sichergehen, dass du das willst. Du bist immerhin Königin und dein Hof sollte sein, wo du ihn haben möchtest.«
Sie seufzt, lehnt sich vor, sodass ihr all die prächtigen Locken ins Gesicht fallen. Ich streiche sie zurück, damit ich ihre Augen sehen kann. Das hier ist wichtig und ich muss sehen können, was sie denkt.
»Schön, Herr-bald-Dr . Vega, ich bin ziemlich sicher, wir beide wissen, dass du nicht so bald die Uni aufgeben wirst. Und da dich die UCSD und die UCLA am meisten interessieren, scheint San Diego für uns gut zu passen.«
Genau davor habe ich Angst, dass sie es für mich tut und nicht für sich. »Ja, aber ich will nicht …«
Sie hebt die Hand, um mich zu unterbrechen. »Und , falls es dir entgangen ist, ich liebe San Diego. Es ist immerhin meine Heimatstadt. Und nachdem ich Monate in Alaska verbracht habe, halte ich dieses Wetter nie mehr für selbstverständlich. Außerdem ist einer der besten Parts am Flügelhaben, dass Gargoyles überall hinfliegen können, wohin sie wollen – den Hof hierzuhaben schränkt also keinen von uns ein. Besonders seit du diesen Tageslichtring von Remy hast.« Bei diesen Worten errötet sie ein wenig.
Meine Fänge kommen bei dieser Andeutung heraus, mein Blick verharrt auf den beiden winzigen Einstichen an ihrer Kehle, die ich erst heute Morgen dort hinterlassen habe. Denn ja, ich habe den Ring gut genutzt, den Remy mir gab. Sehr gut genutzt.
Sie bemerkt, wohin ich sehe, und errötet noch mehr, während ihr Blick ein wenig verhangen wird – ein sicheres Zeichen, dass sie an dasselbe denkt wie ich. Ich riesengroßer Glückspilz.
»Willst du nach Hause?«, frage ich, so beiläufig ich kann, angesichts der Gedanken, die mir durch den Kopf schwirren. Gedanken an Berührungen, Küsse, Grace zu schmecken …
»Nach Hause?« Sie klingt verwirrt, aber das Glänzen in ihren Augen sagt etwas anderes.
»Wir könnten auch mit dem Boot rausfahren, für den Nachmittag nach Coronado.«
Sobald ich die Worte ausspreche, gefällt mir die Idee. Grace verbringt so viel Zeit damit, sich um andere zu kümmern, doch ich bin derjenige, der sich um sie kümmert. Und nach dem an gespannten Meeting, das sie letzte Nacht mit dem Rat hatte und in dem sie die Geheimdelegation an die Vereinten Nationen ausarbeiteten – Grace erfüllt ihr Versprechen, die Paranormalen ans Licht zu führen –, klingt ein Nachmittag auf der Bay, um dann durch die kleinen Läden zu schlendern, die sie so liebt, perfekt.
Die Tatsache, dass unser Boot zufällig eine sehr bequeme Luxuskabine hat – die rein zufällig ein sehr bequemes Bett hat –, macht den Gedanken nur verlockender.
»Coronado?« Sie merkt auf bei der Erwähnung eines ihrer liebsten Orte in ganz San Diego. »Bekomme ich einen Cupcake von …«
»Der kleinen Bäckerei, die du so magst?«, frage ich, stehe auf und ziehe sie hoch. »Ich dachte mehr an ein Dutzend Cupcakes, mit den kleinen Streuseln darauf.«
Sie lacht. »Und deshalb liebe ich dich.«
Mein ganzer verflixter Körper leuchtet auf bei den Worten. Grace liebt mich. Sie liebt mich wirklich, sogar nach all dem, was ich getan habe. Allem, was sie wegen mir durchlitten hat. Es scheint ein Wunder, eins, das ich niemals für selbstverständlich halten werde.
Ich antworte nicht sofort, denn das kann ich nicht. Zu viele Emotionen – alle gut – verstopfen mir die Kehle, machen es schwer zu atmen, vom Reden ganz zu schweigen. Ich fühle mich wie ein Arsch, aber das ist mir tatsächlich scheißegal, denn ich bin bei Grace. Und sie liebt mich, ganz egal, wie verflixt rührselig ich werde.
Das hält sie jedoch nicht davon ab, die Augen zu verdrehen wegen der Rührseligkeit, und gleichzeitig schiebt sie ihre zarte, kleine Hand in meine. »Du bist albern. Das weißt du, oder?«
»Du machst mich albern«, antworte ich und streiche mit dem Daumen über ihren Ring wie einen Glücksbringer. »Das hast du so ziemlich seit dem Augenblick, in dem ich dich erblickte.«
»Das sagst du so«, gibt sie zurück. »Aber du willst mir immer noch nicht sagen, was mein Ring bedeutet.«
»Was hat das damit zu tun, dass ich verrückt nach dir bin?«, frage ich. Wir laufen jetzt zum Zentrum der Universität, denn Grace hat Pläne zum Mittagessen und sie hasst Zu-spät-Kommen.
»Ich sage ja nur, wenn du wirklich verrückt nach mir wärst, würdest du mir sagen, was du mir versprochen hast.« Sie klimpert mich unerhört mit den Wimpern an, aber ich lache nur, während ich mich gleichzeitig frage, wie sie reagieren würde, wenn ich ihr die Wahrheit sagte.
Ich schulde ihr eine Erklärung – es ist Monate her, seit ich diesen Ring an ihren Finger steckte –, aber ich kann nicht anders, ich frage mich, wie sie sich dann fühlen würde. Ein Teil von mir hat immer noch Angst davor, dass sie ausflippt wegen dem Versprechen, das ich machte, bevor ich wusste, ob sie meine Liebe erwidern würde, und das ist das Letzte, was ich will, jetzt, da alles endlich gut ist. Nicht nur zwischen uns, sondern das Leben im Allgemeinen.
So war es nie für mich – ich hatte nie jemanden, der mich so liebte wie Grace –, und wenn sie geht … wenn sie geht, weiß ich nicht, was zur Hölle ich tun werde.
Aber es länger vor ihr verbergen funktioniert auch nicht – es sei denn, ich will mich weiter wie ein verflixter Feigling fühlen.
»Wenn du es wirklich wissen möchtest …«, beginne ich, aber bevor ich den Satz beenden kann, zieht jemand Grace von hinten am Rucksack.
Wir beide spannen uns an, denn Erinnerungen ans letzte Jahr überkommen uns. Verfluchte Hölle. Ich lasse meine Deckung zwei Minuten fallen und …
»Ich bin früh dran! Kannst du das glauben?«, sagt Heather und quetscht sich zwischen uns.
Ich befehle meinem tobenden Herzen, sich verdammt noch mal wieder zu beruhigen, und sehe, das Grace das ebenfalls tut.
»Echter Schock«, sagt Grace trocken.
Heather schnaubt bloß und schüttelt den Kopf. Dann sagt sie zu mir: »Nette Fänge«, bevor sie sich wieder meiner Gefährtin zuwendet. »Mein Analysis-Kurs war früher aus, Gott sei Dank. Ich schwöre, wie viele unsinnige Matheaufgaben kann man von einer Frau verlangen?«
»Die Frage aller Zeiten«, antworte ich.
»Himmel, schwieriges Publikum.« Sie stößt erst Grace, dann mich mit der Schulter an. »Ich komm dann lieber wieder zu spät.«
»Vielleicht sollte Hudson dir Mittagessen besorgen – ein bisschen positive Bestärkung kann nie schaden«, sagt Grace zu ihr, während ich den beiden die Tür aufhalte.
»Ich such einen Tisch«, erwidere ich und reiche Grace meine Kreditkarte, dann steuern sie und Heather auf die Theke zu.
»Ich hab nur Spaß gemacht«, sagt Grace, aber ich schüttle den Kopf.
»Positive Bestärkung ist ein Ding«, sage ich zu ihr. »Außerdem ist ein Deal ein Deal.«
Nicht dass ich einen Deal eingehen muss, um meiner Gefährtin und ihrer Freundin das Mittagessen zu bezahlen – mir wäre nichts lieber, als dass Grace zuließe, dass ich mich um solchen Kram für sie kümmere. Sie ist so stark, sich ihrer selbst so sicher, dass sie mich an den meisten Tagen nicht groß helfen lässt. Was mehr als in Ordnung ist. Ich liebe ihre Stärke, liebe die Macht, in die sie immer weiter hineinwächst.
Aber das hier ist etwas, das ich tun kann, und ich habe die Absicht, es auch zu tun.
Grace verdreht die Augen, aber sie wehrt sich auch nicht. Stattdessen hakt sie ihren Arm durch Heathers und zieht sie weg. Das Letzte, was ich sie sagen höre, während die Kakofonie der Universität aufsteigt und ihre Worte verschluckt, ist, dass sie sich die größten Milkshakes besorgen sollten, die es hier gibt, auf mich.
Ich hoffe, dass sie das tun. Ich liebe es, Grace zum Lächeln zu bringen, und was Heather betrifft – ich werde ihr immer dankbar sein, dass sie letzten Herbst eine Bewerbung an der UCSD für Grace eingereicht hat, während sie noch zu sehr trauerte und nicht klar denken konnte. Hätte sie das nicht getan, wären wir jetzt nicht hier, und hier, das ist ein wirklich sehr guter Ort.
Ganz zu schweigen davon, dass sie die ganze »Vampir Schrägstrich Gargoyle«-Sache wie ein Pro hingenommen hat. Dafür bekommt sie fette Punkte.
Ich besetze einen Tisch bei den Fenstern und scrolle durch mein Telefon, während ich darauf warte, dass sie zurückkommen.
Eine Nachricht von Eden ploppt auf, die wissen will, wo wir sind.
Ich
Warum? Brauchst du eine Tour durch San Diego?
Eden
Vielleicht. Aber zuerst habe ich Neuigkeiten
Ich
Moment, bist du hier?
Eden
Weiter so, Vamp-Boy
Eden
Warum sonst würde mich kümmern, wo ihr seid?
Ich
Hast recht
Ich
Wir sind in der UC
Eden
hab dich!
Mir bleiben vielleicht zwei Minuten, um mich zu fragen, was los ist – sie hatte keinen Tag frei, seit sie an der Akademie anfing –, da kommt sie durch die Türen in ihrer ziemlich beeindruckenden Drachenwache-in-Ausbildung-Uniform.
Sie erreicht den Tisch etwa zur gleichen Zeit wie Grace und Heather. Und verflixte Hölle. Der Blick, den sie Heather zuwirft, gleich bevor sie Grace in eine feste Umarmung zieht, ist so sengend heiß, dass sie das gesamte verdammte Gebäude niederbrennen könnte.
Vor allem, da Heather den Blick mindestens ebenso interessiert erwidert und sich vorstellt.
Eden nickt mit einem sehr gewinnenden Grinsen. Aber es verblasst in der Sekunde, in der sie sich wieder Grace und mir zuwendet. »Wir wissen, wie wir die Schattenkönigin erreichen können – und wie wir sie dazu bringen, Mekhi zu heilen.«
»Was? Ernsthaft?« Grace packt sie am Arm. »Erzähl uns alles.«
Was sie tut, und das alles klingt so bizarr, dass es gerade deshalb klappen könnte. Ich fange an, Pläne zu schmieden, um uns für den Rest der Woche aus den Kursen zu entschuldigen, noch bevor Eden mit einem »Also geht packen. Wir müssen nach Galveston und Remy und Izzy von dieser Scheißschule holen. Wir werden sie brauchen« schließt.
»Ich glaube nicht, dass Remy und Izzy im selben Raum miteinander sein wollen, immer noch nicht . Ich weiß echt nicht, wie ihre Schule noch steht«, sagt Grace. »Was ist mit den anderen?«
»Bereits an Bord, sie warten auf euch.« Sie wendet sich mir zu. »Wo wir dabei sind, Jaxon sagte, ich soll dir ausrichten, dass kein anständiger Vampir sich wirklich in einer der sonnigsten Städte niederlassen würde. Und dass du ein echter Wichser bist, weil du uns auf deine Jacht eingeladen hast.«
Ich hebe eine Braue. »Ach, wirklich?«
»Okay, der letzte Teil war von mir.« Sie grinst. »Wie ist es? Wir besorgen das Heilmittel und holen Mekhi aus diesem verflucht grauenhaften Descensus – ich kann immer noch nicht glauben, dass Bloodletter ihn damit belegt hat –, der diesen Schattenfluch davon abhält, ihn umzubringen, und feiern mit einer Kreuzfahrt runter nach Mexiko?«
»Nur wenn ich mitdarf«, sagt Heather und zwirbelt die Haare um einen Finger und klimpert Eden an.
»Darauf setz ich«, erwidert Eden.
»Gut, in Ordnung.« Grace steht auf und packt ihren Rucksack. »Hudson und ich gehen nach Hause, packen. Heather, warum kaufst du Eden nicht einen Milchshake, während ihr wartet?«
»Warum nicht?«, antwortet Heather.
Grace und ich bleiben nicht, um zu sehen, was als Nächstes passiert. Aber etwas sagt mir, dass wir in nächster Zeit sehr viel mehr von Eden zu sehen bekommen werden …
Jetzt, da wir wissen, wo die Schattenkönigin ist, scheint alles dringlicher. Statt also unseres üblichen Spaziergangs nach Hause phade ich mit Grace zurück zu unserem Stadthaus. Aber als wir anfangen, ein paar Dinge in unsere Rucksäcke zu werfen – etwas, das viel zu vertraut ist –, sieht Grace mich mit einem Lächeln an, das mir irgendwie das Herz bricht und es gleichzeitig wieder zusammensetzt.
Und da begreife ich, dass es keinen perfekten Moment gibt, um ihr das mit dem Ring zu sagen. Es gibt nur diesen Augenblick und ausnahmsweise lasse ich mich selbst glauben, dass es genug ist. Dass ich genug bin.
Ich nehme ihre Hand, ziehe sie an mich, dann hebe ich ihre Hand an meine Lippen. Ich küsse zuerst ihre Handfläche, dann drehe ich die Hand um und küsse den Ring, den ich ihr inmitten eines Redwood-Walds schenkte.
Ihre Augen werden groß. Ihre Lippen zittern. Ihr Atem stockt. Und doch fragt sie nicht. Tatsächlich sagt sie gar nichts. Sie wartet nur und beobachtet, während sich die Ewigkeit zwischen uns erstreckt.
»Vor Jahren las ich ein obskures Gedicht von Bayard Taylor mit dem Titel ›Beduinenlied‹, und während ich den größten Teil vergessen habe, sind mir ein paar Zeilen vom Ende fast ein Jahrhundert lang im Kopf geblieben. Diese Zeilen durchzuckten meinen Kopf, als ich dich zum ersten Mal sah, und diese Zeilen kommen mir immer wieder in den Sinn, wenn du mich anlächelst«, sage ich.
»Denn selbst damals schien mein Herz zu wissen, dass, egal was geschehen wird, ob du mich liebst oder nicht – ob du mich erwählst oder nicht …« Ich halte inne, hole tief Luft, dann küsse ich den Schwurring und wiederhole, was ich ihr versprach.
»Ich werde dich lieben, Grace, bis die Sonne kalt und die Sterne alt«, murmle ich an ihrer Haut.
Grace stößt einen überraschten Schrei aus und starrt mich mit plötzlichen Tränen in den Augen an und sichtlicher Schock färbt ihre Gesichtszüge.
Eine Sekunde lang sackt mein Magen herab – ich hatte recht. Es war zu viel, zu früh. Aber dann umschließt sie mein Gesicht mit zitternden Händen. Und flüstert: »Ich erinnere mich. Oh mein Gott, Hudson. Ich erinnere mich an alles .«
ENDE DES VIERTEN BUCHS