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Während ich um elf oder halb zwölf unterm Dach in der Rua das Praças darauf warte, daß du vom Theater heimkommst, Liebste, höre ich dort unten die Stimmen der Homosexuellen, die in der Sauna aus und ein gehen, und die Dunkelheit macht ihre Stimmen schärfer und deutlicher, hebt den Abstand der Stockwerke auf (manchmal denke ich, daß sie in der Küche oder im Nebenzimmer miteinander reden, in dem deine Tochter zwischen den Besuchen von zwei Liebhabern schläft), ich liege dann auf dem Bett mit den Messingschnörkeln, das meine Fußknöchel hinterlistig genau in dem Augenblick festschraubt, in dem ich mich darauf vorbereite, in dich einzudringen, ich schaue ständig auf den Wecker, rechne mir aus, wann die Probe zu Ende ist und wie lange der Bus von der Baixa bis hierher braucht, lausche angespannt zur Tür, höre das Geräusch des Schlüssels im Schloß, deine Erkältung, die Schuhe, die immer auf das zerbrochene Dielenbrett treten, das gräßlich aufstöhnt, und mache das Licht aus und tue so, als ob ich schliefe, bevor du hereinkommst: verwandelt in einen undeutlichen Regenmanteloktopus, der sich zwischen den Schatten und Formen hindurchschlängelt, über einen Schuh stolpert, auf der Matratze Zuflucht sucht, sich der Kleider entledigt wie eine Tulpe, die sich entblättert, bis nur noch der Stengel des Körpers übrigbleibt, der mit der Strumpfhose kämpft und dann im Morgenmantel ins Badezimmer verschwindet, um mit dem Zahnarztmundwasser zu gurgeln, das nach der Spritzbrühe für Weinstöcke und nach Pferdeseife riecht. Der Wunsch, mich unter dem Schrank zu verkriechen, verfliegt, die Gespräche und das Gelächter lösen sich auf der Straße in Luft auf, die Wasserspülung entleert sich, die Angestellten der Sauna schieben die Riegel vor, du kommst barfuß ins Zimmer zurück, und ich erkenne deine Umrisse im Quadrat des Fensters, den Kopf, die Arme, den Rumpf, die antiseptische Dünste zu mir tragen und versuchen, sich ihrer Mulde in der Matratze anzupassen, die mich berühren, die wegrücken, mich wieder berühren. Ich suche mit dem Zeigefinger die gekräuselten Härchen auf deinen Schenkeln, die feuchte, moosige Wunde, die mich erregt, und während ich den Pyjama aufknöpfe, schmiege ich mich an den Apfel deines Gesäßes, taste nach den Falten deines Anus, und da bin ich wieder in Monsaraz, am ersten Tag des Festes, zusammengekrümmt in meinem Kinderbett, nach dem Mittagessen, während oben der Großvater bei Feuerwerksgeknalle, Geschrei und Tanzmusik im Sterben liegt, drücke das strohgefüllte Kopfkissen fest an mich und wachse einem Orgasmus entgegen, der nicht kommt.

Meine Tante trabte, an meine Fersen geheftet, durch die kleinen Gassen des Friedhofs den Hang zum Fluß hinunter und hinter mir her wie die Maulesel der Zigeuner, die vor Erschöpfung heiser protestierend hinter ihren Herren herhumpeln. Sogar nach ihrem Tode besuchte sie mich noch, lief mit ihrem schwankenden Vierfüßlergang und immer kurz vor dem Umfallen durch meine Träume, und manchmal finde ich ihren Geruch im Sommer in den Bergsteigerschuhen wieder, die ich bei einem Alteisenhändler in São Bento zwischen Waschbecken, Armaturen und zerlöcherten Decken entdeckt und gekauft habe, und die mir, wenn ich sie trage, die exotische Männlichkeit eines Entdeckers verleihen. Doch als ich elf Jahre alt war, Liebste, war meine Tante wie eine Karnevalsüberraschung für mich, ein gehorsames Tier, das in meinen Taschen ständig nach Bonbons suchte, die ich nicht hatte, und die manchmal nachts ganz ohne Grund die Fledermäuse und den Wind im Feigenbaum mit den Klagen ihrer Schreie weckte. Die Erwachsenen schickten mich häufig mit ihr zum Spazierengehen, um sich dann weit weg von mir ungehindert aus Eifersucht, aus Neid, wegen des Geldes, wegen irgendwelcher Unbegreiflichkeiten gegenseitig zu zerfleischen, immerhin jedoch hatte meine Tante die Zauberkraft, die wirbelnde Hitze des Hasses in ihnen aufsteigen zu lassen. So daß ich im September, wenn die Sonne die Schatten für einige Stunden vertikal werden läßt, dieses gestreifte Riesenbaby, das mir freundlich die Wangen und den Nacken ableckte, fast täglich zur Hintertür herauszog, und wir setzten uns, von Wespen umgeben, auf die Stadtmauer und baumelten mit den Beinen, als würden wir den Guadiana mit Fußtritten nach Spanien befördern.

Vor sieben Jahren jedoch, zum Zeitpunkt meines Berichtes, erschreckten mich die Böllerschüsse, die Bettlaken der Gespenster, die Tangos der Musikkapelle aus Mourão, das Muhen der Kühe im Viehgatter auf der Burg dermaßen, daß ich ziellos vor mich hin trabte, in Büsche und Disteln lief, mich an Dornen stach, wie ein Maulwurf in den Bodensenken verschwand, rutschige Hügelchen hinaufkletterte und im Uferschlick herumglitschte, weil ich hoffte, so den Rohrstöcken der Feuerwerkskörper zu entkommen, die mit dem Aroma von taubem Schießpulver vom Himmel fielen und mit kleinen Drahtknoten umwickelt waren. Mein Schwager starrte auf die nacheinander am Himmel aufleuchtenden Fontänen, denen eine Ewigkeit später die Knattersalven folgten, ein Flaschenhals ragte wie eine Antenne aus seiner Jackentasche. Zerzaust, mit einer Weinfahne und zahllosen Flecken auf der Jacke (wie die Trinker in der kleinen Stadt), sah er aus wie die Penner, die unter den Brücken oder auf den Nottreppen der Gebäude schnarchen und zwischen Müll und Unrat ihre Unterlippe im Strudelrhythmus der Lunge wegblasen und einsaugen. Es hätte mich nicht gewundert, wenn er mit Erdbrocken und Grashalmen an der Hose im Zickzack auf uns zugehumpelt wäre, ein paar Pfennige für ein Glas Wein verlangt und schluchzend ein halbes Dutzend rostiger Zähne entblößt hätte. Vor einigen Wochen habe ich ihn, glaube ich, in Campolide auf der Straße gesehen, dick, glatzköpfig, mit Brille, sehr viel heruntergekommener, in einem Mantel, der an ihm fast herunterrann. Er betrachtete, ein Sandwich in der Faust, eingehend das Schaufenster eines zweitklassigen Schuhladens, so wie er einst ausdruckslos die Feuerwerkskörper des Festes beobachtet hatte, und obwohl er nicht aussah, als wäre er voller Flecken und unrasiert, wirkte er doch, als habe er sich innerlich aufgegeben, als wäre er von innen mit Erde und Müll gefüttert worden, was ihn sozusagen zu einem umgekrempelten Bettler machte.

»Da oben rauf«, befahl er, ohne uns anzusehen, während er den Abwärtsflug eines Rohrstockes betrachtete. »Der Schäferhund der Lehrerin ist aus der Schule abgehauen und läuft hier frei herum.«

Der Gedanke, daß ein Schäferhund durchs Dickicht galoppieren könnte, dasselbe riesige Tier, das mich ständig anbellte, außer sich vor Wut am Zaun des Schulhofes hochsprang und die Nase daran plattdrückte, ließ mich voller Panik in Richtung Stadt traben, hinter mir meine Tante, diese Gans im Kittel, die piepsend auf den Steinen am Hang ausrutschte und mich schnaubend zwischen den Gipsengeln auf dem Friedhof suchte, auf dem die Toten kleine fenster- und türlose Häuser bewohnten mit Wänden, die von geduldigen Totengräbern wie Häkeldecken gearbeitet worden waren.

»Warte auf sie«, brüllte mein Schwager von unten, nicht weit von der Allee am Fluß und den Stöcken der Raketen, mit einer schrillen Stimme, die jeden Lautsprecher zerfetzt hätte. Ich blieb gehorsam auf den Stufen der Stadtmauer stehen (wie er, dick und glatzköpfig, vor dem Schaufenster des Schuhladens) und hoffte, daß der scheußliche Schäferhund wie ein Boot im Schlamm des Guadiana versinken würde, wenn er versuchte, die wäßrig durchsichtigen Frösche zu beißen. Und in diesem Augenblick damals fiel mir mein Großvater in seiner Kammer wieder ein, Großvater ohne Zigarettenspitze, ohne Weste, ohne Brillantine, ohne das übliche unverschämte Grinsen, dem Majestät und Sarkasmus abhanden gekommen waren und der nach jedem Löffel Sirup siecher und schwächer wurde, so wie mir jetzt mein Schwager einfällt, der mit einem Sandwich in der Hand in den traurigen lila Häusern von Campolide staubige Regale mit billigen Pantoffeln betrachtete.

Meine Tante kam schließlich schwer atmend zu mir hergewatschelt und wiegte den unförmigen Körper in den Schwimmflossenpuschen, während der Pantoffelbewunderer reglos unten am Fluß stehengeblieben und zu einem kleinen schwarzen Punkt in einer Landschaft voller Bäume geschrumpft war, die von der Hitze gezwungen wurden zu schwimmen, zu verschwinden, wiederaufzutauchen und auf- und abzuwogen, als wären sie in einem unsichtbaren Gewässer verankert. Die Gipsengel rochen nach dem Kohl und dem Spinat des angrenzenden Gemüsegartens und nach dem Zucker des Schmalzgebäcks, das in der Stadt gebacken wurde und dessen eigenwilliger Geruch sich in den Haaren verfing wie die Nachtfalter, die jedes Licht erregt und in wahnsinnigem Aufruhr blind werden läßt. Als die Mongoloide und ich von den Mauern, wo die Kühe unablässig ihre melancholische Leidenschaft herausbrüllten, auf den Kirchplatz kamen, wobei ich sie am Ärmel hinter mir herzog wie ein Kalb am Nasenring, begann die auf eine Bühne aufgehäufte Blaskapelle mit dem Bolero von Ravel, öffneten schwarzgekleidete Alte ihre den klaffenden Spitzen abgetragener Schuhe gleichenden Münder zu einem endlosen Gelächter, ein Typ mit karierter Mütze pries Decken und Stoffe an, und die Feuerwerksmeister zündeten auf den Stufen der Kirche die Lunten gelassen an wie Zigaretten. Die Störche und die Falken des Guadiana, spitze, auf die Bäume gepflanzte Regenschirme, spähten von Vila Nueva del Fresno zu uns herüber. Ein Alter rannte auf dem Platz hinter einem Huhn her und versuchte es mit seinem Spazierstock zu enthaupten. Auf Bänken aufgereihte Blinde mit den Gipsgesichtern der Statuen in den Kirchen schauten uns mitleidslos aus schwarzen Glasperlenaugen an. Die Betrunkenen sangen und schubsten sich am Eingang der Ladenkneipe, und ich glaubte meinen Schwager unter ihnen auszumachen, wie er einen Bettler mit Krückstock umarmte, so wie ich, wenn ich im Café nebenan gleich neben den Waschräumen am Ende des Tresens auf dich warte, von wo aus ich alle Tische überschauen kann, und dich jedesmal mit allen Frauen verwechsle, die hereinkommen: die gleiche Wölbung des Rückens, die gleichen Gesten, die gleiche Haarfarbe, das gleiche Gesicht, ich hebe Cremetörtchen hoch und rufe dich, aber du bist es nicht, nie bist du es, es ist eine bauchige Dame, die ihre Nase in die Limonade steckt, oder eine von der Arbeit erodierte Buchhalterin, ein junges Mädchen aus dem Gymnasium oder die Besitzerin des Kurzwarengeschäftes von gegenüber, die auf meinen Zuruf und meinen Kuchen mit einem unangenehm berührten Zurückweichen reagieren. Und ich verstecke meine Beschämung über die Verwechslung in der Zeitung des Nachbarn unter den Trümmern eines Erdbebens in Tunesien.

Ich war von der Musik, den Leuten und dem Lärm verschreckt und wollte die Mongoloide trotz der Anordnungen und der Diskussionen der Erwachsenen nach Haus scheuchen: Wenn wir auf der Seite der Wassertanks und der Pumpe um den Garten herumgingen und die Tür der Küche verlassen vorfänden, in der tausend Teller Waschmitteltränen auf das Gestell in der Spüle weinten, könnten wir uns, ohne daß es jemand bemerken würde, in der Anrichte zwischen leeren Korbflaschen und Instant-Suppen verstecken und den von Krümeln dickgefressenen Küchenschaben zusehen, die, von den Pickles-Gläsern irritiert, auf dem Zementfußboden herumgaloppierten. Also gingen wir an den Fassaden entlang, die uns vor den Teufelszungen, den Rohrstöcken der Raketen und den Paaren schützten, die stolpernd und wirbelnd miteinander tanzten. Die Brüste der Frauen kamen mir größer als sonst vor, die Zungen riesig, die Schneidezähne wie Hörner, ihr Lachen unerträglich. Eine Bombe voller Sterne zerbarst einen Meter vor meinen Turnschuhen, und ich sprang zurück, riß meine Tante in eine Art Kellerloch, in dem der Verkäufer mit der karierten Mütze breitbeinig und bequem zurückgelehnt auf einem Segeltuchhocker saß und Tresterschnaps aus einer Flasche trank.

»Wieviel willst du für sie haben?« fragte der Fabrikant, indem er mit dem Korken auf meine Tante zeigte, deren graues Haar über dem meinen schwebte wie die Feuerzungen über den Häuptern der Jünger.

Der Alte, der das Huhn verfolgte, holte zu einem Hieb mit dem Spazierstock aus, der jedoch sein Ziel verfehlte, eine einsame Feder flog auf, und der Vogel rettete sich in eine Höhlung in der Wand, in der der Alte wütend mit dem Stock herumstocherte. Ein Typ mit einem Affen auf der Schulter und einem offenen Koffer neben sich versuchte, die Aufmerksamkeit der Leute mit Hilfe eines Mikrophons auf sich zu ziehen, das mit einem Taschentuch umwickelt war, und der Mann mit dem Tresterschnaps stupste mich, um meine Aufmerksamkeit zu erlangen, am Ellenbogen und bot mir einen Komplizenschluck an:

»Zweihundert Escudos, dreihundert Escudos?« sagte er.

Er trug eine außergewöhnliche blau-silberne Krawatte, einen eindrucksvollen Ring voller Tierkreiszeichen und Bas-Reliefs am kleinen Finger, und dazu einen auffälligen Nadelstreifenanzug, sein Atem war unbestritten übelriechend. Die Mütze verbarg eines seiner Augen und die Hälfte des Bartes, und der Kopf oder der Schwanz einer Schlange, die an seinem Rücken herunterglitt, erschien hier und da in den Öffnungen des Hemdes. Das Blasorchester aus Mourão schwieg einige Augenblicke lang, doch die Feuerwerkskörper machten weiter, öffneten sich im vor Hitze flüssigen Himmel wie eitrige Pusteln.

»Fünfhundert Escudos und die Schlange dazu«, schlug der Mann vor und fummelte an der Jacke. »Die ist scharf auf Mäuse, Junge, du wirst an dem Biest viel Freude haben.«

Mir grauste bei dem Gedanken an dieses schlüpfrige Tierchen, das begeistert auf dem Schweiß des Verkäufers herumglitschte und die Drahtsaite seiner Zunge frenetisch vibrieren ließ.

Hier, in der Rua das Praças, wäre uns die Schlange nützlich, wenn wir mitten in der Nacht unter den Dielen ein winziges Trappeln hören. Oder an den Montagnachmittagen, an denen du keine Proben hast und wir stundenlang inmitten von Zeitschriften, Büchern, Tabletts mit Essen und nassen Flecken auf den Laken im Bett liegen und aus dem Augenwinkel eine Gestalt vorbeihuschen sehen, die sich wie ein Zäpfchen zwischen zwei Truhen schiebt. Ich habe Angst, einzuschlafen und am nächsten Morgen, wenn ich aufwache, ein Ohr weniger zu haben; manchmal finde ich, wenn ich aufstehe und Biskuitkuchen vom vergangenen Monat suche, einen zerfressenen Kuchen auf dem Küchentisch, hier und da Köttelchen auf dem Stein und Spuren von Zähnen an der Plastikwasserflasche, die langsam leerläuft wie ein ausblutender Körper. Und wir werden schließlich, denke ich, die Mäuse, den Geldmangel, das fehlende Gas und das fehlende Licht durch dasselbe Wunder überleben, das die Rentner in den Altersheimen dazu bringt, die Lungenentzündung des letzten Winters zu überstehen, indem sie den Läufer zerreißen, der zu den Resopaltischen mit dem Mittagessen führt.

»Du kannst sie mitbringen, und wir teilen uns den Gewinn und die Ausgaben für das Essen«, sagte der Mann. »Ich kenne einen Typ in Borba, der sammelt Eskimos.«

Das Huhn sprang, vom Spazierstock aufgebracht, durch ein zweites Loch zurück auf die Straße und rannte wild flatternd davon, der Alte bedachte es mit Flüchen und versuchte es zu schlagen, bis er in der Traube der Betrunkenen, der Tanzenden und der Blaskapelle aus Mourão verschwand und die verbeulten Posaunen mit Stockhieben traktierte. Der Dirigent entriß einem zum Blasen gespitzten Mündchen beleidigt die Klarinette und duellierte sich auf dem Kirchplatz mit dem Hühnerjäger, während das Mündchen respektvoll die schüchterne Hand ausstreckte, um sich das Instrument zurückzuerbitten, und sich schließlich ängstlich in ein Getümmel von Spazierstöcken und falschen Tönen aufmachte, in das sich die Gespenster und Werwölfe in streitbarer Weinseligkeit fleißig einmischten. Das Huhn kam nunmehr gerettet auf uns zu und schüttelte erlöst den Bauch, und in diesem Augenblick schnellte der Mongoloidenzwischenhändler plötzlich wie ein gieriges Chamäleon vor, packte es am Hals und versteckte es unter dem Jackenaufschlag, unter dem hin und wieder ein empörter Flügel hervorlugte.

»Mach dir keine Sorgen«, beruhigte er mich mit einem komplizenhaften Geschäftspartnerlächeln, »die Schlange wird es gleich töten. Sie kann Hühner auf den Tod nicht leiden. Wie weit waren wir denn nun mit unserem kleinen Handel gekommen, mein Junge?«

Es sind nicht nur Mäuse, die mit uns auf dem Dachboden wohnen. Wir besitzen einen vollständigen Zoo mit Ameisen, Mücken, Motten, Tausendfüßlern, Spinnen, Grillen und Holzwürmern, die sich wahrscheinlich vom selben Mangel an Nahrungsmitteln ernähren wie wir, einmal ganz abgesehen von den Faltern, die im Sommer gegen die Glühbirnen flattern und augenblicklich zu einem dunklen, staubigen Lackfleck verschmoren. Und dann die Tauben. Und die Turteltauben. Und auf dem Fluß wie Blutegel die Schiffe. Und die Nachbarn im Unterhemd, die, unfähig zu fliegen, an den Nelkenstöcken der Balkons gekreuzigt sind. Und die kurzsichtigen Hunde mit dem krausen Fell, die an die Hosenbeine der Pyjamas pinkeln, weil sie sie mit den Maulbeerbäumen an der Straße verwechseln. Und du und ich, immer durchsichtiger und magerer, die wir uns ein Frühstück aus einem halben Gramm Heroin für die Spritze am Morgen zubereiten. Und die Butter, die auf den Toastscheiben zu gelben Klumpen erstarrt. Und unsere Knochen, die einander umarmen. Und etwas von mir, das in dich eindringt, sich weitet, sich festhakt und sich in kleinen, kurzen Wellen der Lust zusammenzieht. Es sind nicht nur die Mäuse. Es waren nicht nur die Mäuse. Nicht nur die Spinnen, nicht nur die Tausendfüßler, nicht nur das Heroin, nicht nur die Toastscheiben und die Schiffe und die Ameisen und die Tauben: Es gab auch, wenn ich dich berührte, diesen begeisterten Kitzel meiner Liebe zu dir, diesen Schwachsinn, diese Idiotie, diese Dummheit, die immer noch anhält, vor allem nachts im Bett, wenn ich deine Beine nicht finde, deine Scham, deine Rippen, den Hauch deines Atems an meiner Schulter, die feuchte Helligkeit deiner Augen. Man zwingt mich, morgens ein Bad in einer sauberen Dusche zu nehmen, und der Krankenpfleger, fast immer derselbe, bringt mir einen kleinen Plastikbecher mit den Tabletten gegen die Droge. Und dann fühle ich im Geräusch der anderen Matratzen, in den Hemden und den Gesichtern und den Gliedern, die hochkommen und schweben, als wäre die Schwerkraft aufgehoben, wie glücklich ich mit dir war und es noch heute bin. Deshalb starre ich, stundenlang ins endlose Staunen über die Entdeckungen versunken, auf die Fliesen.

»Kosten halbe-halbe, Gewinn halbe-halbe«, schlug der Eskimozwischenhändler vor, »he, Junge? Oder willst du lieber achthundert Escudos auf die Hand, und die Sache ist vergessen?«

Ein Hühnerflügel zitterte auf seiner Brust, verschwand im Hemd, tauchte wieder auf, zitterte heftig. Der Mann beugte sich verblüfft nach vorn, strich mit der Hand über den Bauch, war noch verblüffter, wand sich, während er das Hemd aufknöpfte, wie ein Bandwurm im Schlupfwinkel unter der Treppe. Der Alte mit dem Spazierstock wurde unter einem Berg von blechernen, verminderten Halbtonschritten begraben. Der Musiker mit der großen Trommel zerschlug sein Instrument auf dem Schädel eines Gespenstes, das rücklings zu Füßen eines Werwolfs, der gerade den Sakristan verprügelte, auf den Platz fiel. Die Betschwestern bewarfen sich mit Stearinkerzen, der Typ mit den Raketen bedrohte die Leute mit der Kanone eines Böllers, bis ihn der Besitzer der Ladenkneipe mit einem Rosé-Flaschen-Hieb niederstreckte. Der Händler zog besorgt die Jacke aus, um seine Wirbelsäule zu untersuchen: Der Vogel gluckste rülpsend an seinen Hinterbacken. Der Gesangverein aus Mourão erschien im Zuckeltrab aus einer anderen Kneipe, um gegen das Blasorchester zu kämpfen. Der Böller krachte in ein Fenster. Der Eskimohändler zog das Hemd hoch, wobei die Federn stoben, und holte schließlich bestürzt das zappelnde, lebende Huhn hervor, das die tote Schlange im Schnabel hatte. Wie hat das Miststück das bloß geschafft? fragte er, während er das Tier betrachtete, dessen rote Krallen im Nichts strampelten, wie hat es eine giftige Schlange erledigt, die sogar Strauße hypnotisierte?, und er stopfte das Hemd wieder in die Hose, wobei er fassungslos das Tier ansah, bis der Alte mit dem Spazierstock sich von den Saxophonen befreite und mit unermüdlich schwingendem Stock auf ihn zustürzte. Ich geb dir eintausendzweihundert für den Eskimo, das ist mein letztes Wort, sagte noch der Händler, bevor ihm der Spazierstock die Nase zertrümmerte und er mit kreisenden Pupillen langsam zu Boden glitt. Der Pater, den blutrünstige Flötisten bedrohten, segnete das Massaker vom Portal der Kirche aus. Der Stadtverordnete und der Stadtratsvorsitzende gingen auf dem Friedhof mit Marmortafeln aufeinander los. Der Alte bemächtigte sich endlich des Huhns, lehnte sich gegen einen Pferdewagen, zündete eine Kippe an und begann es unter siegreichem Grunzen und ängstlichem Gegacker zu rupfen. Ich schüttelte den mit der Schlange noch einmal, aber die nach entgegengesetzten Seiten schielenden Augäpfel kreisten unaufhörlich, und dann sagte ich zu meiner Tante, Warte noch einen kleinen Moment, ich komme gleich, schob sie zum Alten rüber, der das Messer zog, um dem Ungeheuer den Kopf abzuhacken, und noch bevor das Blut spritzte, bog ich an der Mauer entlang um die Ecke, kam zur Küchentür, kroch unter den Tisch und dachte, während die Böller explodierten und sich die Füße der Dienstmädchen über die Steinfliesen bewegten, mit den Knien im Mund an geköpfte Hühner und tote Schlangen.