Kapitel 22
Hunter
»Wo bleibt er?«, fragt Demi ungeduldig. »Ich dachte, er wohnt nur zehn Minuten entfernt.«
»Das tut er auch, aber ich habe ihn ja erst vor circa einer Minute angerufen.« Ich verdrehe die Augen und setze mich wieder zu ihr auf die unbequeme Metallbank. Unser Zellengenosse schläft immer noch und hat nun leise zu schnarchen begonnen. Sein Fuß zuckt nach wie vor, und der Alkoholgeruch in seinem Atem ist unverkennbar.
Demi presst die Lippen aufeinander, als würde sie versuchen, nicht zu lachen. »Das ist das beste Date, das ich je hatte«, sagt sie sarkastisch. »Ich meine, allein schon diese romantische Atmosphäre …«
Ich schnaube leise auf. »Jetzt fehlt bloß noch eine Whitney-Houston-Ballade. Ach, und dein richtiges Date natürlich – du weißt schon, der Kerl, der dich für seine Freundin sitzen gelassen hat. Oder vielleicht auch fürs Fitnessstudio. Da bin ich mir echt nicht sicher. Er kann sich ja auch unmöglich entscheiden.«
Nun prustet sie los. »Wie auch immer. Du bist sowieso das bessere Date.«
Grinsend lege ich einen Arm um sie und ziehe sie näher. Sie legt ihren Kopf auf meine Schulter. Der süße Duft ihrer Haare steigt mir in die Nase. Ich atme ihn tief ein und versuche, den Geruch zu bestimmen. Jasmin, vielleicht. Sie fühlt sich gut und warm an, so an mich gepresst. Ich frage mich, was sie gerade denkt. Ob ihre Gedanken meinen ähneln.
Ich stöhne fast vor Enttäuschung auf, als sie ihren Kopf hebt. »Ich
habe es wirklich ernst gemeint«, sagt sie zu mir.
»Was?« Scheiße, meine Stimme klingt viel zu heiser. Ich räuspere mich sofort.
»Du bist ein lustiges Date.«
»Wir haben kein Date.«
Sie legt ihren Kopf schief. »Warum siehst du mich dann an, als würdest du mich vernaschen wollen?«
»Das tue ich nicht.«
»O doch, das tust du.«
Mir entfährt ein Lachen. Dieses Mädchen ist wirklich einzigartig. Sie macht mich fertig. Und sie ist so verdammt hübsch. Ihre Haut wirkt immer ganz weich, sodass ich sie am liebsten berühren würde. Ihre Haare sehen auch seidig aus. Sie fallen wie ein gerader schimmernder Vorhang über ihre Schulter – die eine, die von ihrem Oberteil freigelegt ist. Ein paar dunkle Strähnen fallen über ihr linkes Auge.
Meine Lippen sind ganz trocken. Ich benetze sie, und Demis Augen funkeln auf.
»Dir hängen Haare ins Gesicht«, sage ich nur.
Dann strecke ich meine Hand aus, um sie zur Seite zu schieben. Mein Daumen liegt auf ihrem Wangenknochen, während ich ihr die Strähne hinters Ohr klemme – das von normaler Größe.
Sie holt tief Luft. »O mein Gott. War es das?«
Ich runzle die Stirn. »War das was?«
»War das deine Anmache?« Sie schaut mir aufgeregt in die Augen. »Dir über die Lippen lecken, mir das Haar aus dem Gesicht streichen, den Daumen auf meine Wange legen … Das ist deine Masche, stimmt’s?«
Ich grinse sie frech an. »Vielleicht. Hat es funktioniert?«
»Ja«, sagt sie ehrlich, und jetzt geht mein Atem schneller.
Ihre Ehrlichkeit macht mich total an. Und obwohl ich nicht vorhatte, ihr das heute Abend zu verraten – ja, das war meine Anmache. Es ist einfach so passiert.
»Davenport«, donnert eine laute Stimme durch den Raum.
Mein Kopf schnellt in Richtung Gitterstäbe. Schritte hallen durch den Gang, und dann erscheint das wütende Gesicht vom Coach im Türrahmen. Officer Jenk folgt ihm.
»Sperr die Tür auf.« Der Befehl des Coachs geht an den Schreibtisch-
Polizisten, der bei der Ankunft seines Kollegen und des Coachs sofort auf die Füße springt.
Seltsamerweise greift der jüngere Polizist tatsächlich nach seinem schweren Schlüsselring, bevor ihm wieder einfällt, dass der Coach weder sein Vorgesetzter noch ein Cop ist. »Jeff?«, sagt er und wirft einen fragenden Blick auf Officer Jenk.
Sein Name ist Jeff? Jeff Jenk?
Der arme Tropf. Vielleicht ist er deshalb so schlecht gelaunt.
»Tu es«, sagt Jenk barsch.
Der Coach betrachtet Demi und mich kurz von Kopf bis Fuß, als wir aus der Zelle kommen. »Seid ihr okay?«, fragt er knapp. »Hat euch jemand grob behandelt?«
»Nein«, versichere ich ihm und bin ganz gerührt, dass er das fragt. »Niemand hat uns angefasst, aber danke, dass Sie sich Sorgen machen.«
»Ich mache mir keine Sorgen um dich, du Idiot. Ich mache mir Sorgen um deine Schusshand. Wir haben in vier Tagen ein Spiel.« Sein anschuldigender Blick schweift nun zu den zwei Polizisten. »Wenn sein Slapshot auch nur eine Zehntelsekunde langsamer ist als üblich, werde ich dich persönlich dafür zur Rechenschaft ziehen, Albertson.«
»Sorry, Coach«, murmelt der Schreibtisch-Polizist.
Ich starre die beiden an. »Sie kennen sich?«
»Ja, der Junge hat mal für mich gespielt. Sammy Albertson, Jahrgang 2012.«
Verdammt, jetzt wünschte ich wirklich, dass Albertson derjenige gewesen wäre, der uns aufgehalten hat. Ich hätte einfach meinen Namen nennen können, und wir wären weitergefahren. Aber nein, wir mussten ja den anderen Cop erwischen.
»Und was Sie angeht …«, sagt der Coach und dreht sich zu Jenk um. »Wenn der Penis des Jungen nicht aus der Hose draußen und im Mund einer anderen Person steckt, dann ist das kein unzüchtiges Benehmen. Denken Sie beim nächsten Mal besser nach.«
»Sagen Sie das Ihrem Spieler«, entgegnet Jenk. »Er kann nicht über die ganze Straßenbreite fahren.«
»Ich hing fest«, mischt Demi sich ein. »Hunter hat bloß versucht …«
Der Coach hebt eine Hand, um sie zum Schweigen zu bringen, und wie alle seine Spieler gehorcht ihm auch Demi aufs Wort. »Müssen wir
noch etwas unterschreiben?«, faucht er Jenk an. »Irgendeine Strafgebühr?«
»Nein, ich lasse sie mit einer Verwarnung gegen …«
»Gut, dann lasst uns gehen«, unterbricht der Coach ihn. Er nickt uns zu, und Demi und ich folgen ihm brav.
Außerhalb der Polizeiwache macht der Coach seinen Mantel zu. Es hat diesen Winter immer noch nicht geschneit, aber endlich sind die Temperaturen gesunken. Man sieht den Atem vom Coach, als er sagt: »Dein Land Rover wurde nicht abgeschleppt, weil der Abschlepp-Truck ein paar Stunden entfernt war. Also steht er nach wie vor auf der Ninth Line. Ich werde euch dorthin fahren.«
»Danke, Coach.«
»Und ich will, dass du danach direkt nach Hause fährst. Hast du mich verstanden?«
»Demi wohnt auf dem Campus«, sage ich kopfschüttelnd. »Ich muss sie erst noch heimbringen.«
»Das werde ich tun«, sagt er, bevor wir zur Straße gehen, wo sein Auto steht.
Demi dreht sich alarmiert zu mir um. »Muss ich Angst haben, dass er mich auf dem Heimweg umbringt?« Sie hält inne. »Ich kann mich an keine Folge mit dem Namen Trainer, die morden
erinnern.«
»Du solltest in Sicherheit sein.«
»Ich sollte?
«
Ich zucke mit den Schultern. »Er ist eher sauer auf mich als auf dich. Ich bin derjenige, der ihn aus dem Bett geklingelt hat.«
»Stimmt.« Sie zieht sich die Kapuze ihres Mantels über den Kopf und stemmt eine Hand in die Hüfte. »Und nur fürs Protokoll: Nichts von alldem wäre passiert, wenn du dich bereit erklärt hättest, mit mir ins Bett zu gehen.«
»Es wäre trotzdem geschehen.« Ich grinse sie an. »Mit dem Unterschied, dass du mir wirklich einen geblasen hättest.« Ich bereue sofort, das gesagt zu haben, denn jetzt ist der Gedanke daran, wie mein Penis in ihrem Mund steckt, so verlockend, dass ich fast laut aufstöhne.
»Nein«, entgegnet sie, »wir wären nicht einmal in der Nähe eines Autos gewesen. Wir wären in meinem warmen und gemütlichen Zimmer gewesen – ohne Tinder-Profile und sonstige Ablenkungen.
Nur du und ich in einem großen, bequemen Bett und dein Penis in meinem Mund. Und nun denk mal darüber nach!« Mit diesen Worten geht sie zum Auto des Coachs.
Ja, genau, als könnte ich jetzt noch an etwas anderes denken.
Ich denke darüber nach. Die ganze Woche lang.
Normalerweise wäre ich voll und ganz auf das bevorstehende Spiel konzentriert, aber als es Freitag ist, fällt mir nicht einmal mehr ein, gegen wen wir spielen. Meine Konzentration lässt zu wünschen übrig, nicht nur, weil mir Demi unter die Haut gegangen ist, sondern auch, weil mich meine Teamkollegen schon die ganze Woche verarschen.
Ich hatte keine andere Wahl, als ihnen von dem Vorfall mit dem Knast zu erzählen, denn Brenna hat sich am Morgen danach mit ihrem Vater zum Frühstück getroffen, und Coach Jensen hat beschlossen, ein Arschloch zu sein, und es seiner Tochter erzählt. Und natürlich konnte Brenna ihre große Klappe nicht halten, und jetzt bin ich Hunter Davenport, der Kerl, der verhaftet wurde, da er während des Fahrens einen Blowjob bekommen hat. Das Schlimmste daran – ich habe nicht einmal einen geblasen gekriegt.
Demi hat mich auch damit aufgezogen, aber sie geht noch einen Schritt weiter als meine Mannschaftskollegen. Seitdem sie meine »Anmache« mitgekriegt hat, hat sie beschlossen, meiner Keuschheit ein Ende zu setzen, was folgende Nachricht, die ich gerade bekommen habe, beweist.
Demi:
Viel Glück heute Abend! Ich hoffe, du erzielst einen Treffer! Wo wir gerade von Treffer reden: Hast du schon darüber nachgedacht, dein Versprechen zu brechen?
Ich seufze laut auf. Das meine ich. Eigentlich sollte ich mich im Moment auf das Spiel konzentrieren. Ich bin in der Besucher-Umkleide des … Boston College. Richtig! Nun weiß ich wieder, gegen wen wir heute spielen. Ich sollte an das Spiel denken und nicht an Demi Davis.
Ich:
Wie bereits gesagt, es wird nicht passieren.
Sie:
Du willst nicht einmal darüber nachdenken? Nicht einmal für mich?
Jemand schlägt mir zwischen die Schulterblätter. »Hey, hör jetzt auf, an den Auto-Blowjob zu denken, Captain.«
Ich drehe mich um und sehe einen grinsenden Matt.
»Aber im Ernst … Respekt
«, lobt er mich.
»Das hast du jetzt diese Woche bei jedem Training zu mir gesagt.«
»Ja, weil du meinen Respekt hast. Ich wollte schon immer beim Autofahren einen geblasen kriegen.«
»Ich auch«, sage ich trocken. »Aber wie ich dir jeden Tag aufs Neue sage: Es ist nichts passiert. Demis Ohrring hat sich in meiner Hose verhakt.«
»Ich habe beim Autofahren schon mal einen geblasen bekommen«, mischt Conor sich ein, als er sein weißes Hemd aufknöpft.
»Du hast schon überall einen geblasen bekommen«, entgegne ich.
»Das stimmt nicht. Ich habe noch nie …« Er denkt über mögliche Blowjob-freie Orte nach.
»Das ist gar nicht so leicht, oder?«, zieht Matt ihn auf.
Lachend ziehe ich meine eigenen Klamotten aus und beginne, mir die Ausrüstung anzulegen. Mein Handy piepst erneut, und mir wird klar, dass ich Demi gar nicht geantwortet habe.
Sie:
Tut mir leid, ich werde nicht mehr darüber reden. Ich weiß, es ist dir unangenehm.
Ich:
Nein, kein Problem. Ich ziehe mich nur gerade um. Bis später.
Ich füge noch ein Küsschen-Emoji hinzu und stecke das Handy in die Tasche meiner Jeans. Als ich meine Ausrüstung anhabe, setze ich mich auf die Bank, um mir die Schlittschuhe anzuziehen.
Conor setzt sich neben mich. »Was machst du nach dem Spiel? Wir wollten ein paar Leute einladen. Bist du dabei?«
»Klar. Ich habe nichts anderes vor.«
Er legt den Kopf schief. »Jetzt mal unter uns: Bist du wirklich enthaltsam, oder verarschst du uns alle bloß?«
»Ich hatte seit April keinen Sex mehr«, sage ich.
»Mein Gott, das ist hart. Ich würde wahrscheinlich den Verstand verlieren, wenn ich keinen Orgasmus mehr hätte.«
»Ich habe nie gesagt, dass ich keinen Orgasmus mehr habe.« Ich seufze niedergeschlagen. »Ich bin nur alleine dabei.«
»Trotzdem. Das hört sich furchtbar an.«
Ich muss lachen. »So schlimm ist es nicht. Ich habe mich mittlerweile fast an dauerhaft blaue Eier gewöhnt.«
»Großer Gott!«, unterbricht uns Bucky und kommt mit dem in Frischhaltefolie eingewickelten Pablo in der einen Hand und einem Handy in der anderen auf uns zu. »Habt ihr das gesehen? Pablos Insta-Account hat schon zehntausend Follower. Gerade hat jemand gefragt, ob wir einen gesponserten Post für eine verjüngende Feuchtigkeitscreme machen würden.«
Mir klappt die Kinnlade runter. »Soll das ein Scherz sein?«
»Kein Scherz.« Bucky schüttelt ungläubig den Kopf.
»Verjüngende Creme?«, mischt Alec sich verwirrt ein. »Wie soll das denn bitte gehen?«
»Und was, zum Teufel, hat das mit einem Ei zu tun?«, will Conor wissen. »Sollen wir die Feuchtigkeitscreme auf sein kleines Schweinegesicht schmieren und dann ein Foto von ihm machen?«
Bucky grinst. »Ich werde zurückschreiben und es herausfinden.«
Der Coach kommt in die Umkleide, um seine übliche Ansprache vor dem Spiel zu halten. Das sind immer höchstens zwei Sätze, bevor er an den Captain oder an den Vize-Captain übergibt. Darin geht es meistens darum, dass wir ihnen »in den Arsch treten«, ihm keine Schande machen sollen, et cetera, et cetera. Dann halte ich noch eine kurze Rede, und wir laufen aufs Eis.
Die Menge johlt, und es ist mir egal, dass nicht einmal ein Drittel der Zuschauer aus Briar-Fans besteht. Die Schreie und der Jubel – und sogar die Buh-Rufe – lassen das Adrenalin durch meine Adern schießen. Ich liebe diesen Sport. Ich liebe das Eis, die Geschwindigkeit, die Aggression. Ich liebe die Körperlichkeit daran, die Art, wie alle Knochen dröhnen und die Zähne klappern, wenn mich jemand gegen die Bande checkt. Das klingt vielleicht seltsam, aber das ist Eishockey.
Mir fällt das Spiel ein, das Fitz und ich gestern Abend in unserem Wohnzimmer geschaut haben. Edmonton gegen Vancouver. Jake
Connelly hat eins der schönsten Tore erzielt, die ich je gesehen habe. Und ich kann mich an das Verlangen erinnern, das ich verspürt habe und das mir fast die Kehle zugeschnürt hat, weil College-Eishockey – wenn auch wahnsinnig toll – nicht annähernd an das herankommt, was im professionellen Eishockey geschieht.
Wenn es bei den Profis nur darum ginge, da draußen auf dem Eis zu sein, dann würde ich keine Sekunde zögern. Aber zu diesem Leben gehören Dinge, die mich nicht interessieren. Dazu gehören Frauen, Glamour, Pressekonferenzen und ständiges Reisen. Andauernde Versuchungen. Und Davenport-Männer können mit verlockenden Angeboten nicht gut umgehen.
Also werde ich mich hiermit begnügen müssen – da draußen mit meinen Freunden Eishockey zu spielen und die andere Mannschaft zu schlagen. Denn einzig darum geht es.
Der Bus setzt uns gegen elf Uhr am Campus ab. Dort steige ich in meinen Land Rover und bringe ein paar Teamkollegen und mich zurück nach Hastings. Ich bringe sie zu Matts und Cons Haus und fahre heim, um mein Auto dort abzustellen. Ich werde zu Matt zurücklaufen. So kann ich mehr als ein, zwei Bier trinken.
Zu Hause ziehe ich mich um. Bei Auswärtsspielen müssen wir immer Anzug und Krawatte tragen. Es ist fast eine Schande, dass ich das jetzt wieder ausziehen muss, weil ich super darin aussehe. Das habe ich meinem Vater zu verdanken. Er sieht im Anzug auch verdammt gut aus. Wahrscheinlich ist er deswegen so beliebt bei den Frauen.
Ein bisschen zu beliebt.
»Hunter, gehst du aus?« Brenna steckt ihren Kopf in mein Zimmer. Natürlich, ohne vorher anzuklopfen.
»Ja, ich gehe zu Matty. Willst du mitkommen?«
»Vielleicht später. Ich skype erst noch mit Jake.«
»Grüß ihn von mir. Und sag ihm, dass sein Tor gestern der absolute Wahnsinn war.«
»Ja, oder? Ich war noch nie in meinem Leben so angetörnt.«
»Ich glaube wirklich, dass Edmonton dieses Jahr eine Chance hat, den Cup zu holen.«
»Das denke ich auch. Sie sind unschlagbar.«
Ich mache meine Sweatjacke zu. »Als ich letzten Monat in Boston
war, hat Garrett gesagt, er hofft, dass sie in den Play-offs nicht aufeinandertreffen werden.« Mein Gott, ich wüsste gar nicht, für wen ich dann sein soll. Für Garrett, wahrscheinlich. Nein, Jake. Oder vielleicht doch Garrett. Verdammt. Es ist eine unmögliche Wahl. Wie sich zwischen dem Fitnessstudio und seiner Freundin zu entscheiden.
Brenna verschwindet, und ich gehe nach unten, um mir Mantel und Stiefel anzuziehen. Ich will mein Handy gerade in die Tasche schieben, als ich eine Nachricht bekomme. Sie ist von Tara, einem Mädchen, mit dem ich letztes Jahr mal was hatte.
Tara:
Hey, sorry, dass ich dir einfach so schreibe. Schönes Spiel heute. Ich wollte dir nur sagen, dass irgend so ein Kerl nach dir gefragt hat.
Ich:
Geht das auch etwas genauer? LOL
Sie:
Nach dem Spiel kamen ein paar Typen zu uns, und einer von ihnen hat die Mädels und mich ausgequetscht, wo sie dich finden könnten. Ich habe gesagt, wahrscheinlich im Teambus.
Ich:
Ist das in der Stadt gewesen?
Sie:
Ja, vor der BC Arena.
Ich:
Okay, das ist komisch. Danke fürs Bescheidsagen.
Sie:
Kein Problem, mein Süßer.
Sie setzt noch drei Herzen dahinter. Rote Herzen. Jeder Kerl auf dieser Welt weiß, dass rote Herzen eine Einladung sind. Aber ich habe keine Lust.
Ich gehe aus dem Haus, als mein Handy erneut piepst. Dieses Mal ist es eine Nachricht von Grady, dem kleinen Bruder einer meiner Teamkollegen.
Grady:
Hey, Hunter. Ich habe deine # von Dan. Er hat gesagt, ich soll dir das schreiben. Beim Boston College hat so ein Kerl nach dir gefragt.
Ich:
Ja, das habe ich schon gehört. Hast du eine Ahnung, wer das war?
Er:
Ich habe ihn noch nie gesehen. Er hat fast ein bisschen ausgesehen wie der junge Johnny Depp.
Ich:
Da klingelt gar nichts.
Er:
Ich habe gehört, wie jemand ihnen erzählt hat, dass du heute Abend bei Matt Anderson sein wirst. Das wollte ich dich nur wissen lassen, falls er dir nachschnüffelt.
Ich:
Danke, Mann.
Okay, das gefällt mir überhaupt nicht. Zwei verschiedene Warnungen, dass ein paar Fremde nach mir gefragt haben? Fremde, die genug Alarmglocken haben schrillen lassen, dass sowohl Tara als auch Grady das Bedürfnis hatten, es mir mitzuteilen?
Doch ich bin froh, dass sie es gemacht haben, denn als ich bei Matts und Cons Haus ankomme, bemerke ich die kleine Gruppe, die vor dem Gebäude herumlungert, sofort. Wäre ich nicht vorgewarnt gewesen, wäre ich wahrscheinlich direkt in sie reingelaufen, weil ich gedacht hätte, es wären Partygäste.
Stattdessen gehe ich langsamer, um die Jungs besser unter die Lupe nehmen zu können. Sie sind zu fünft. Sie sind alle nicht besonders groß, aber ziemlich bullig. Einer hat eine Glatze und kommt mir bekannt vor. Der größte von ihnen wendet mir den Rücken zu, dreht sich allerdings um, als er meine Schritte hört.
»Nico«, sage ich vorsichtig, »hey.«
Ich habe Demis Ex seit dem Abend, an dem sie seine Sachen aus dem Fenster geworfen hat, nicht mehr gesehen, geschweige denn mit ihm gesprochen. Bei näherer Betrachtung sieht er wirklich dem jungen Johnny Depp ähnlich, nur mit dunklerer Haut.
»Was ist los?«, frage ich, als er meine Begrüßung nicht erwidert.
»Sag du es mir.«
Ich widerstehe der Versuchung, die Augen zu verdrehen. »Ich weiß nicht, was du meinst.«
»Echt nicht? Ich habe nämlich Gerüchte gehört, dass du am
Montagabend mit Demi weg warst.« Er ist sichtlich wütend. Seine Hände kleben zu Fäusten geballt an seinen Seiten.
Nicos Freunde machen einen Schritt vorwärts. Sie kommen nicht nahe genug, um eine körperliche Bedrohung darzustellen, aber nahe genug, dass sich mein ganzer Körper anspannt.
»Ja, wir haben im Malone’s
was getrunken.« Ich lasse den Teil aus, in dem sich Demi mit einem anderen Kerl getroffen hat. Nico ist sowieso schon auf hundertachtzig.
»Ich habe gehört, es war mehr als ein Drink.« Seine Stimme bebt vor Wut. »Ich habe gehört, ihr wurdet zusammen verhaftet.«
Verdammt noch mal.
Ich öffne den Mund, um zu antworten, aber Nico zischt wie eine giftige Schlange. »Ich habe gehört, du bist von den Cops aufgehalten worden, als dein Schwanz gerade in ihrem Mund war.«
»Das ist nicht wahr«, sage ich ganz ruhig.
»Du kommst dir wohl ganz toll vor, Davenport, stimmt’s? Mein Mädchen derartig respektlos zu behandeln.«
»Ich behandle niemanden respekt…«
Er redet einfach weiter. »Sie zu benutzen. Sie zu zwingen, dir einen zu blasen.«
»Ich habe sie nicht gezwungen.« Sofort wird mir klar, was er daraus schließen wird. »Es ist nichts passiert, Mann. Es war ein Missverständnis, und die Cops haben uns gehen lassen. Aber selbst wenn da etwas gelaufen wäre, hättest du kein Recht dazu, sauer zu sein. Ihr seid kein Paar mehr.«
»Im Moment nicht«, korrigiert er mich. »Aber wir werden wieder zusammenkommen. Das tun wir immer.«
»Ach ja?«, knurre ich.
»Du weißt überhaupt nichts über unsere Vergangenheit.«
»Ich weiß, dass du sie auf einer Studentenparty betrogen hast.«
Nicos Augen blitzen auf. »Hat sie dir das erzählt?«
»Nein, Mann. Ich habe dich gesehen.«
Nach einem kurzen Moment des Schweigens zischt Nico erneut: »Warte mal, das warst du? Du bist das Arschloch, das ihr von dem Mädchen auf der Party erzählt hat?«
»Na und? Sie hätte es sowieso herausgefunden, Nico. Sie hat ja auch von deinem anderen One-Night-Stand erfahren, weil du zu dämlich bist, ein WLAN
-Passwort wieder zu löschen.«
»Hast du mich gerade dämlich genannt?«
Er geht auf mich los, ich stoße ihn zurück und mache ein paar Schritte nach hinten. »Ich will nur sagen, dass du dir das selbst eingebrockt hast. Wenn du jemandem die Schuld geben willst, dann schau in den Spiegel.«
»Du hast mich verraten.« Nico wirft einen Blick über die Schulter auf seine Kumpel. Sie stehen alle mit vor der Brust verschränkten Armen da. »Dieser Mistkerl hat mich verraten, könnt ihr euch das vorstellen? Du bist ein richtiges Arschloch, Davenport.«
»Ich bin das Arschloch? Du hast doch deine Freundin betrogen.«
»So was macht man einfach nicht.«
»Ich bin dir nichts schuldig.« Ich mache noch einen Schritt zurück. »Sind wir jetzt hier fertig?«
Ehe ich weiß, wie mir geschieht, packt er mich am Kragen meines Wintermantels und zieht mich an sich. Unsere Gesichter sind bloß noch wenige Zentimeter voneinander entfernt, und sein nach Alkohol riechender Atem steigt mir in die Nase.
»Nico«, warne ich ihn.
Ein fieses Grinsen legt sich über sein wütendes Gesicht. Hinter ihm sehe ich, wie seine Kumpel näher kommen.
»Nimm gefälligst deine Hände von mir«, sage ich mit Grabesstimme.
Sein Grinsen wird breiter. »Sonst was?«