Kapitel 25
Demi
Ein paar Tage vor den Winterferien schaffe ich es, ein Treffen mit TJ dazwischenzuschieben, der mich am Theta-Haus abholt, damit wir Kaffee trinken gehen können. Es ist kalt draußen, aber wir sind uns beide einig, dass ein kleiner Spaziergang über den Campus guttun würde. Also machen wir uns zu Fuß auf in Richtung Coffee Hut .
»Bist du sauer auf mich?«
TJ s verletzter Tonfall überrascht mich. »Natürlich nicht. Ich war bloß einfach total beschäftigt. Ich arbeite gerade an der Fallstudie, lerne für die Abschlussprüfungen, plane mit Josie die Party im Verbindungshaus und organisiere ein Weihnachtsgeschenk für alle in meinem Biologiekurs. Echt stressig, das Ganze.«
»Ja, ich weiß. Ich vermisse dich nur.«
»Ich vermisse dich auch.« Ich hake mich bei ihm ein.
»Hast du heute Abend Zeit?«, fragt er. »Auf der Eislaufbahn in Hastings ist diese Feier.«
»Welche Feier?«
»So eine Art Weihnachtsmarkt. Sie veranstalten das zum ersten Mal. Ich dachte, es wäre cool, wenn wir da hingehen könnten. Heiße Schokolade trinken, ein bisschen skaten, uns mit dem Weihnachtsmann fotografieren lassen …«
»Das klingt gut. Ich liebe Weihnachtsmärkte. Oh, aber heute Abend muss ich zu Hunters Spiel.«
»Hunters Spiel?«
Ich nicke. »Briar spielt gegen … ich weiß es gar nicht. Aber es ist ein Heimspiel, und ich habe ihm versprochen, dass ich zuschaue. Ich denke, es geht so bis halb zehn. Wie lange hat der Weihnachtsmarkt offen?«
Er öffnet den Browser auf seinem iPhone, und mir fällt auf, dass die Webseite der Stadt Hastings bereits geladen ist. »Hier steht, es geht bis Mitternacht.«
»Okay, das passt ja. Wenn ich gegen zehn Uhr fertig bin, haben wir immer noch zwei Stunden Zeit. Wie klingt das?«
»Das klingt gut.« Er strahlt mich an – ein seltener Anblick.
Ich muss zugeben, dass TJ nicht der einfachste Mensch ist. Er zeigt seine Gefühle eher selten, aber wenn er mit einer Person warm geworden ist, ist er eigentlich total nett. Manchmal kann er allerdings auch sehr launisch sein, weshalb ich auch nicht zu viel Zeit auf einmal mit ihm verbringen kann. Das heißt nicht, dass ich ihn nicht mag. Ich kann auch mit Pax nicht unendlich viel Zeit verbringen. Dessen melodramatischer Charakter strapaziert meine Geduld zu sehr.
TJ und ich schlendern den kurvigen Weg entlang, und der Schnee knirscht unter unseren Füßen. Der Boden ist glatt, und er hält mich fester am Arm, als wir an eine besonders eisige Stelle kommen.
»Sie sollten hier streuen«, beschwert er sich.
»Auf jeden Fall. Ich wäre gerade fast ausgerutscht.«
Als wir kurz vor dem Café sind, kommt TJ auf das Thema Hunter zu sprechen. »Ihr zwei seid oft zusammen«, bemerkt er.
Ich kann seinen Tonfall nicht deuten. Ich bilde mir ein, eine gewisse Missbilligung herauszuhören, doch ich bin mir nicht sicher. Manchmal ist es sehr schwer, aus TJ schlau zu werden. »Na ja, wir sind Freunde.«
Freunde, die sich küssen .
Dieses Detail behalte ich allerdings für mich. Ich weiß nicht, warum ich überhaupt noch daran denke, verdammt. Ich habe den Kerl zweimal geküsst und würde es liebend gerne noch hundertmal öfter tun. Aber Hunter hat mich zweimal abgewiesen und will keinen einzigen Kuss mehr.
Er wollte mir nicht einmal versprechen, dass wir uns wieder küssen können, wenn die Saison zu Ende ist. Er hat einfach nur gesagt, dass ihm unsere Freundschaft zu wichtig ist. Den Rest des Abends haben wir mit Dean und seinen anderen Freunden verbracht und so getan, als wäre nichts passiert.
Es ist so irritierend und frustrierend. Ich denke nicht, dass es ein Egoproblem meinerseits ist. Ich bin mir nämlich ziemlich sicher, dass ich keine Schwierigkeiten hätte, jemanden zu finden, der mit mir ins Bett will. Die Hälfte der Männer auf Tinder würde sich dafür anbieten.
Doch ich will keinen dieser Typen.
Ich will Hunter Davenport.
Ich habe mir selbst noch nicht gestattet, genauer darüber nachzudenken, was ich von ihm eigentlich will. Ich will ihn küssen, das ist sicher. Und auf jeden Fall mit ihm schlafen. Der bloße Gedanke an unsere nackten Körper, die miteinander verschlungen sind, macht mich an.
Weiter habe ich noch nicht nachgedacht. Aber ich denke, dass er unrecht hat. Ich glaube, wir könnten Freunde mit gewissen Extras sein, ohne dass alles komplizierter wird.
Oder nicht?
»Das ist irgendwie seltsam«, sagt TJ und reißt mich aus meinen Gedanken.
»Warum ist das seltsam?«
»Ich weiß nicht, er ist so ein Fuckboy.«
»Nicht wirklich.«
»Doch, wirklich. Ich habe dir doch erzählt, dass ich ihn letztes Jahr mit einem Mädchen in der Bibliothek gesehen habe, oder? Und ein Kerl, der es in der Öffentlichkeit mit einem Mädchen treibt, ist eklig.«
»Erstens liegt das im Auge des Betrachters – viele respektable Menschen haben exhibitionistische Tendenzen. Hast du nicht aufgepasst, als Professorin Andrews über sexuelle Zwänge geredet hat? Und zweitens war das letztes Jahr. Hunter hat sich verändert. Er hat momentan überhaupt keinen Sex.«
»Ja, wahrscheinlich wegen dem Genitalherpes.«
Ich werfe TJ einen bösen Blick zu. »Das ist aber nicht nett.«
Er zuckt mit den Schultern. »Die Wahrheit ist nicht immer nett.«
Jetzt verdrehe ich die Augen. »Welche Wahrheit? Willst du sagen, dass Hunter Davenport Genitalherpes hat?«
»Ich denke, das war es, ja. Ich erinnere mich nicht mehr genau daran. Aber ein Mädchen aus meinem Wohnheim hat erzählt, dass Davenport sie letzten Frühling mit einer sexuell übertragbaren Infektion angesteckt hat. Sie hat das Wort Ausbruch benutzt, also bin ich von Herpes ausgegangen. Aber vielleicht spricht man bei anderen sexuell übertragbaren Krankheiten ja auch von einem Ausbruch? Wie zeigen sich denn Chlamydien und Tripper?«
»Ich weiß es nicht.« Ich runzle die Stirn. »Meinst du das jetzt ernst?«
»Todernst.«
Ein mulmiges Gefühl breitet sich in mir aus. TJ ist ein netter Kerl, und normalerweise verbreitet er keine Gerüchte. Also glaube ich ihm, dass er etwas gehört hat. Aber das kann auf keinen Fall wahr sein. Hunter hat keine sexuell übertragbare Krankheit.
Na ja, ich meine … es wäre schon möglich.
Nun kommt mir ein anderer Gedanke. Hat er deshalb gerade keinen Sex? Weil es ihm peinlich ist, dass er eine Krankheit hat, und niemanden anstecken will?
Ich nehme an, das ist theoretisch möglich. Doch es ist mir unangenehm, Hunters private Angelegenheiten mit TJ zu besprechen, der ihn ganz offensichtlich nicht mag.
»Wie dem auch sei. Diese Unterhaltung sollten wir nicht führen«, sagt TJ , bevor ich etwas sagen kann. »Es geht uns wirklich nichts an.«
»Da hast du recht«, stimme ich ihm zu.
»Ich hätte gar nichts sagen sollen. Aber ich wollte, dass du gewarnt bist – nur für den Fall. Da du ja so viel Zeit mit ihm verbringst.«
Später am Abend zwinge ich Pippa dazu, mit Brenna und mir zu dem Eishockeyspiel zu gehen. Eigentlich nur deswegen, weil ich Angst habe, Brenna könnte so mit dem Spiel beschäftigt sein, dass ich niemanden zum Reden haben werde. Genau wie ich ist auch Pippa kein Eishockeyfan. Keine von uns könnte erklären, was gerade auf dem Eis passiert. Ich sehe nur viele große Kerle, die ziemlich schnell mit Schlägern übers Eis jagen.
Hunter hat mir gesagt, dass er die Rückennummer 12 hat, also versuche ich, diese zwei Ziffern im Auge zu behalten. Ich glaube, er macht seine Sache ganz gut. Allerdings hat er noch kein Tor geschossen, also vielleicht ist er doch eher schlecht?
Ich weiß wirklich nicht, wie ich den Erfolg beim Eishockey bewerten soll. Nico hat auf der Highschool Basketball gespielt und bei jedem Spiel furchtbar viele Körbe geworfen. Aber als ich Brenna frage, warum niemand ein Tor schießt, erklärt sie mir, dass beim Eishockey nicht besonders viele Tore fallen. Anscheinend kann es auch sein, dass nur ein einziges Tor fällt oder es sogar 0 : 0 unentschieden ausgeht.
Da wir gerade von Nico sprechen – während der ersten Unterbrechung fragt mich Pippa: »Hast du mal was von Nico gehört, nachdem er den Eishockey-Boy verprügelt hat?«
»Nein.«
»Hat er versucht, dich zu kontaktieren?«, fragt Brenna neugierig.
»Keine Ahnung. Ich habe ihn vollständig geblockt. Auch auf meinem E-Mail-Account. Das hat er mittlerweile bestimmt gecheckt.«
»O ja, das hat er«, bestätigt Pippa.
Ich werfe ihr einen fragenden Blick zu. »Du hast mit ihm gesprochen?«
»Ich nicht, nein. Aber Darius redet wieder mit ihm.«
Das macht mich fast sauer. Ich habe vor ein paar Tagen mit Darius gechattet, und er hat nicht erwähnt, dass er wieder Kontakt zu meinem Ex hat.
»Darius sagt, dass Nico voll am Rad dreht. Die Jungs mussten ihn ein paarmal richtiggehend zwingen, nicht zu dir zu fahren. D hat ihm gesagt, dass es bloß Ärger geben würde.«
Ich nehme mir vor, Darius später anzurufen.
»Aber ja, er ist definitiv noch nicht über dich hinweg, und er hat die Trennung auch nicht gut verkraftet.« Pippa schaut aufs Eis, wo die Eismaschine gerade das Eis aufbereitet. Dann wechselt sie das Thema von meinem betrügerischen Ex-Freund zu meiner Freundin, mit der er mich betrogen hat. »Corinne hat mir erzählt, ihr zwei schreibt euch wieder?«
Ich nicke. »Sie hat mir vor ein paar Tagen ein lustiges Meme geschickt, und wir haben kurz gechattet.«
»Sie fühlt sich echt schrecklich deswegen.«
»Das sollte sie auch«, murmle ich, aber meine Wut auf Corinne ist schon lange nicht mehr so groß. Sogar mein Ärger auf Nico hat nachgelassen.
»Ich hoffe wirklich, dass ihr zwei eines Tages wieder befreundet sein könnt, damit wir wieder zu dritt etwas unternehmen können. Vielleicht könnten wir in den Ferien mal einen Mädelsabend machen?«
Ich seufze auf. »Ja, wir könnten es probieren.«
»Warte mal – du chattest mit dem Mädchen, das mit deinem Freund geschlafen hat, und planst, dich mit ihr zu treffen?«, will Brenna wissen. Sie starrt mich ungläubig an, und ihre knallroten Lippen stehen weit auseinander. Es ist die einzige Farbe zwischen ihrem schwarzen Rollkragenpulli, den schwarzen Leggins und den schwarzen Lederstiefeln.
Pippa schüttelt leicht den Kopf. »Im Ernst, Demi, du bist so verdammt gutmütig und verständnisvoll, dass mir manchmal ganz schlecht wird.«
»Was? Bei diesen zwei wunderbaren Eigenschaften von mir wird dir schlecht? Und außerdem hast du doch gerade den Mädelsabend vorgeschlagen. Du ermutigst mich doch dazu, wieder mit Corinne befreundet zu sein.«
»Ja, aber indem du zustimmst, gehst du für den Rest von uns nicht mit gutem Beispiel voran. Du weißt schon, für die nachtragenden Frauen.«
Brenna grinst. »Ich bin sehr nachtragend, das kann ich euch sagen.«
Ich verdrehe die Augen. »Ich will Psychologin werden. Das bedeutet, dass ich praktizieren muss, was ich predige, stimmt’s?«
Der Schiedsrichter fährt zum Bully und lässt den Puck fallen, als das zweite Drittel beginnt.
»Wie kann es sein, dass er sich nicht verletzt?«, will Pippa wissen.
»Wer, der Schiedsrichter?«, fragt Brenna.
»Ja! Seht euch diesen kleinen Kerl an! Er ist viel zu nah am Geschehen. Eines dieser Monster könnte ihn innerhalb des Bruchteils einer Sekunde zerquetschen.«
»Ich weiß, es sieht gefährlich aus, aber die Schiedsrichter wissen genau, wie sie aus dem Weg gehen müssen«, versichert ihr Brenna.
Ein Raunen geht durch die Menge, und ich versuche, zu begreifen, was da vor sich geht. Nummer 12 rast über die blaue Linie in der Mitte der Eisfläche. »Oooh, das ist Hunter! Und er ist frei!«
Brenna liefert den passenden Fachbegriff dazu. »Er versucht einen Breakaway.«
O mein Gott, er rast auf das gegnerische Tor zu und hält seinen Schläger zum Schuss bereit. Mein Herz schlägt plötzlich wie wild, und ich springe auf die Füße.
»Ach du Scheiße, du stehst auf Eishockey!«, wirft mir Pippa vor und starrt mich schockiert an.
»Nein, aber hast du diesen Schuss gesehen?« Hunter hat nicht getroffen, dennoch war es eine Freude, dabei zuzusehen.
Pippa runzelt die Stirn. »Oooh«, sagt sie schließlich, »jetzt weiß ich, was hier abgeht. Du stehst nicht auf Eishockey, du stehst auf den Eishockeyspieler!«
»Nein«, lüge ich. Dann stöhne ich auf. »Na gut, vielleicht ein bisschen.«
Brenna jubelt. »Das bedeutet sehr viel . Hast du den Schlüssel zu seinem Keuschheitsgürtel schon gefunden?«
Ich muss lachen. »Nein, leider nicht. Er ist immer noch verschlossen.« Ich zögere einen Moment. Ich habe noch niemandem erzählt, dass ich Hunter geküsst habe, aber ich nehme an, das wird sich nun ändern. Ich brauche einen Rat, und es gibt keinen besseren Zeitpunkt als jetzt.
Während Brenna und Pippa mich also grinsend anschauen, gestehe ich ihnen die zwei Küsse, die ich als Badezimmerkuss und als Salsakuss bezeichne. »Beim Salsakuss war sogar eine Hand an der Pobacke im Spiel«, gebe ich zu. »Aber dann wollte er nicht weiter gehen. Ich glaube, ich muss einfach akzeptieren, dass er nicht interessiert ist.«
»Blödsinn«, sagt Brenna.
Pippa nickt zustimmend. »Wenn er nicht interessiert wäre, hätte er deine Küsse nicht erwidert.«
»Und sie dann abgebrochen«, erinnere ich sie. »Er ist fest dazu entschlossen, ein guter Captain zu sein und sich voll und ganz aufs Eishockey zu konzentrieren.«
»Mit dir ins Bett zu gehen, wird die Mannschaft nicht zerstören.« Brenna verdreht die Augen. »Das ist totaler Blödsinn.«
»Vielleicht, aber ich kann ihn nicht zwingen, mit mir zu schlafen. So etwas nennt man sexuelle Belästigung.«
»Niemand sagt, dass du ihn zwingen sollst«, sagt Pippa. »Aber es kann ja nicht schaden, ihm einen kleinen Schubs zu geben, oder?«
»Ich habe ihm mehr als einen kleinen Schubs gegeben. Ich habe ihn zweimal geküsst. Er hat mich zweimal abblitzen lassen. Und nach dem Salsakuss habe ich ihm gesagt, dass ich ihn bis zum Ende der Saison nicht mehr anmachen werde.«
»Dann mach ihn nicht an.« Brennas Augen funkeln hinterlistig auf. »Du musst deine Taktik ändern, Baby. Hör auf, ihm nachzulaufen. Bring ihn dazu, von selbst zu kommen.«
»Wie?«
»Mach ihn eifersüchtig. Flirte mit einem seiner Freunde.«
»O ja, Operation Eifersucht!«, sagt Pippa freudig. »Das solltest du tun.«
Ihn eifersüchtig machen … ich denke, das habe ich bereits getan, als ich mit Dean getanzt habe. Und es hat funktioniert. Ich habe ganz offen geflirtet, aber dass ich mit einem anderen Mann getanzt habe, hat Hunters Besitzansprüche geweckt.
»Geht man nach diesen Spielen nicht immer auf eine Party?«, fragt Pippa. »Das solltest du heute Abend machen.«
»Ich kann nicht. Ich bin mit TJ verabredet. Ach du Scheiße, ich muss ihm sofort schreiben, wann ich dort sein kann. Wann ist das Spiel aus?«, frage ich Brenna. Ich habe Angst, dass ich mich verspäten werde, denn obwohl wir um halb acht hier waren, hat das Spiel erst nach acht begonnen. Vorher wurde noch ein ehemaliger Spieler geehrt, der an diesem Tag wohl viele Rekorde gebrochen hatte.
»Das zweite Drittel hat gerade erst angefangen. Es dauert noch mindestens eine oder eineinhalb Stunden. Dann noch mal eine halbe Stunde, bevor die Jungs aus der Dusche kommen.«
Mist, das wird dann schon eher elf. Und ich will Hunter ja auch noch sehen, wenn er aus der Umkleide kommt. Wahrscheinlich schaffe ich es gar nicht mehr rechtzeitig nach Hastings, damit es sich überhaupt lohnt. Scheiße.
Ich hole mein Handy hervor und schreibe TJ .
Ich: Hey, ich habe die Zeit total falsch eingeschätzt. Anscheinend komme ich nicht vor elf hier weg. Ich glaube nicht, dass es Sinn ergibt, um elf Uhr noch zum Weihnachtsmarkt zu kommen, wenn der um zwölf schließt, oder? Ist der auch noch morgen?
TJ : Weiß ich nicht. Kannst du dich nicht früher davonstehlen?
Ich: Ich bin mit Pippa und Brenna hier, und ich habe Hunter versprochen, dass ich ihm nach dem Spiel noch Hallo sage.
Ich warte lange auf eine Antwort, es kommt aber keine.
Ich: Es tut mir echt leid. Bitte sei nicht sauer auf mich. Aber unser Treffen haben wir ja wirklich spontan geplant. Ich hatte ja schon lange vor, zu dem Spiel zu gehen.
TJ : Ich weiß. Ist nicht schlimm. Viel Spaß noch.
Er ist ganz offensichtlich sauer. Das verstehe ich auch. Doch ich habe auch langsam genug davon, mich ständig nach ihm richten zu müssen. TJ will fast jeden Tag etwas mit mir machen. Wir sind Freunde, ja. Aber so oft sehe ich nicht einmal Pippa, und sie ist meine beste Freundin. Ich habe nicht einmal Nico jeden Tag gesehen, als wir noch ein Paar waren.
Trotzdem habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich nicht mit ihm auf den Weihnachtsmarkt gehe. Ich hätte für einen Abend nicht zwei Sachen ausmachen dürfen. Immer, wenn man das macht, überschneiden sich die Dinge blöderweise, und jetzt habe ich einen guten Freund enttäuscht.
Ich: Es tut mir wirklich leid. Das habe ich verbockt. Ich hätte nicht zwei Dinge an einem Abend ausmachen sollen. Bitte entschuldige. Ich rufe dich morgen an, und wir schauen, wann es uns beiden passt, okay? xo
Er antwortet mit einem
Xoxo
und einem
Okay.
Puh, ich bin froh, dass das erledigt ist. Nun muss ich mich um die wichtigen Dinge kümmern.
»Ich treffe mich heute nicht mit TJ «, verkünde ich den Mädchen. »Also kann ich wohl später auf eine Party gehen. Wie lautet der Plan?«
»Flirten und verführen«, rät mir Brenna. »Such dir seinen schärfsten Freund aus – das ist wahrscheinlich Conor. Oder Matty. Flirte mit ihm und geh sicher, dass Hunter zusieht.«
»Und dann?«
Sie zuckt mit den Schultern. »Wenn er anbeißt, liegt heute Nacht hoffentlich ein Keuschheitsgürtel vor deiner Schlafzimmertür. Wenn nicht … dann hast du eben eine heiße Nacht mit Conor oder Matty.«
Ich schnappe nach Luft. »Aber die kenne ich kaum.«
Pippa schnaubt. »Du bist echt so was von naiv. Es ist okay, mit Jungs rumzumachen, die du nicht schon seit deinem achten Lebensjahr kennst, D.«
Ich strecke ihr die Zunge raus.
»Das meine ich ernst. Du darfst experimentieren. Vielleicht hattest du ja mit Nico den schlechtesten Sex deines Lebens, was dir nie klar war, weil du keine Vergleiche hattest. Lass dich eines Besseren belehren.«
»Nico und ich hatten guten Sex.« Ich halte inne. »Na ja, abgesehen vom Oralsex.« Wem will ich etwas vormachen? Der war echt unter dem Durchschnitt. »Aber das hat mich auch nie wirklich interessiert.«
»Aber das ist doch das Beste!«, sagt Brenna aufgebracht.
»Wenn ich heute Nacht mit Hunter ins Bett gehen sollte, muss ich mir dann Gedanken machen über … ähm … du weißt schon, sexuell übertragbare Krankheiten?« Ich habe immer noch TJ s Warnung im Hinterkopf.
»Ob Hunter eine hat?« Brenna denkt darüber nach. »Das habe ich noch nie von jemandem gehört. Aber ich weiß es natürlich nicht sicher.« Sie runzelt die Stirn. »Aber deshalb redet man ja miteinander, bevor man zusammen ins Bett geht.«
»Man redet miteinander?«
»Ja, über Krankheiten, Verhütung, alle möglichen Fetische … Wenn ein Kerl zum Beispiel einen Fußfetisch hat, dann muss ich das vorher wissen, damit ich mich nicht auf ihm übergebe.«
Pippa bricht in schallendes Gelächter aus. »O Gott, das stimmt. Alle Fußfetische sollten vor jeglicher sexuellen Handlung offengelegt werden. Und fragt mich nicht nach dem Typen im zweiten Semester, der wollte, dass ich ihn anpinkle.«
Ich widerstehe dem Drang, die Hände in meinem Gesicht zu vergraben und verzweifelt aufzustöhnen. Bei diesem Thema kann ich gar nicht mitreden. Ich habe nur mit einem Jungen geschlafen. Ich habe meine Unschuld an ihn verloren, und wir waren jahrelang in einer festen Beziehung. Es gab nie einen Grund, über solche Sachen zu sprechen.
Und ich musste niemals Angst haben, dass er von mir verlangen würde, ihn anzupinkeln.
Ich hätte mich nicht als naiv oder unerfahren bezeichnet. Ich dachte, ich sei ein mutiges, cleveres und schlagfertiges Mädchen aus Miami, das seinen eigenen Körper und seine Sexualität kennt. Aber vielleicht ist es an der Zeit, mehr Erfahrungen zu sammeln. Ich muss jetzt über Sachen wie sexuell übertragbare Krankheiten und neue Partner nachdenken.
Und wenn heute Abend alles nach Plan läuft, dann wird dieser neue Partner Hunter Davenport sein.