Kapitel 30
Demi
Meine Eltern haben mich hintergangen.
Der amerikanische Verräter Benedict Arnold war nichts dagegen.
Nein, noch viel schlimmer. Der Betrug von Brad Pitt an Jennifer Aniston kann vielleicht damit verglichen werden, was meine Eltern mir angetan haben.
Ich habe angenommen, dass wir die Ferien nicht mit Nicos Familie verbringen. Mein Vater hat zwar nach diesem Abend nie wieder etwas zu dem Thema gesagt, ich denke allerdings doch, dass ich ihm in unmissverständlichen Worten mitgeteilt habe, dass es mich verletzen würde, Nico an Weihnachten hier zu sehen.
Anscheinend spielen meine Gefühle aber keine Rolle, denn als wir in unserem Mietauto vom Flughafen wegfahren, informiert Dad mich darüber, dass uns die Delgados heute Abend Gesellschaft leisten werden.
Jawohl, meine Eltern haben gewartet, bis ich in Miami gelandet bin, um diese Bombe platzen zu lassen, weil sie genau wussten, dass ich sonst niemals in das Flugzeug gestiegen wäre.
Bei einer so großen Familie, wie ich sie habe, sind die Feiertage immer eine besondere Angelegenheit. Weihnachten wird tagsüber mit den Verwandten meiner Mutter verbracht, aber am Abend geht es ruhiger zu. Nur wir und Nicos Familie. Das ist so Tradition, seit ich acht Jahre alt war.
Dieses Jahr wird es eher der krönende Abschluss einer seltsamen Weihnachtskomödie. Weihnachten mit den Delgados
– mit meinem betrügerischen Ex-Freund und meinen illoyalen Eltern.
Während ich auf dem Rücksitz vor Wut schäume, erklärt mir Dad, dass es mir eines Tages leidtun würde, mit unserer jährlichen Tradition zu brechen. Na toll. Jetzt wird mir sogar schon gesagt, was ich eines Tages bereuen werde, obwohl es noch gar nicht passiert ist.
Ich finde das Ganze ungeheuerlich. Es ist mir egal, dass sie Freunde der Familie sind. Meine Eltern hätten einen Kompromiss finden können. Sie hätten mit Nicos Eltern alleine zum Essen gehen und mir ersparen können, Zeit mit meinem Ex zu verbringen. Aber nein, wir können ja auf keinen Fall diese Tradition brechen. Das wäre das Ende der Welt!
Wir kommen am frühen Nachmittag bei Tante Paulas Haus an. Sie ist die nicht verheiratete Schwester meiner Mom, und sie besitzt ein wunderschönes Anwesen am Strand. Manche Menschen sind ja der Meinung, dass es an Weihnachten schneien muss, aber da ich in Florida aufgewachsen bin, bin ich Sonne, Palmen und die Meeresbrise im Gesicht gewöhnt.
Ich bin noch immer am Kochen, als wir uns auf den Weg zu Nicos Haus machen. Während Dad nach den Autoschlüsseln sucht, bemerkt Mom mein Gesicht und zieht mich zur Seite. »Mami
, ich weiß, dass dir das nicht gefällt …«
»Du hast recht, ich hasse es«, knurre ich.
»Aber dein Vater hat seine Entscheidung getroffen, und jetzt musst du das Beste daraus machen. Dora und Joaquín werden immer Teil unseres Lebens sein – ob du mit Nico zusammen bist oder nicht. Dora ist wie eine Schwester für mich, und Papa betrachtet Joaquín als einen Bruder.« Moms Tonfall wird sanfter. »Ich weiß, es ist nicht leicht für dich. Aber das geschieht, wenn Familien so eng miteinander verflochten sind. Also bitte, sieh es als deinen ersten Test – einen Test, um zu sehen, ob ihr beide auch freundlich miteinander umgehen könnt. Nico ist bereit, es zu versuchen. Er hat Dora gesagt, dass es für ihn in Ordnung ist.«
Natürlich ist es für ihn okay. Er denkt wahrscheinlich auch, dass wir wieder zusammenkommen. Das sagt er zu Darius seit der Sekunde, in der ich mich von ihm getrennt habe.
Doch Mom hat recht. Die Delgados sind ihre besten Freunde. Sie sind Familie. Ich habe keine andere Wahl, als die Zähne zusammenzubeißen.
Ich hatte überlegt, mich heute Abend extra sexy anzuziehen, aber ich will Nico nicht auf blöde Ideen bringen. Also habe ich das Gegenteil getan – ich habe mir ein einfaches knielanges Kleid mit tiefem Ausschnitt und flache braune Sandalen angezogen. Die Haare habe ich mir zu einem niedrigen Pferdeschwanz gebunden. Ich sehe aus wie ein braves Mädchen, das nach dem Abendessen für die Erwachsenen etwas singen wird.
Perfekt.
Eine Viertelstunde später kommen wir bei dem für mich so vertrauten Haus an, in dem ich schon so viel Zeit verbracht habe. Ich hätte nie gedacht, dass Nico und ich an den Feiertagen mal nicht zusammen sein würden.
Oder dass ich mit einem anderen Mann schlafen würde – regelmäßig.
Mein Überbrückungssex mit Hunter hat nach Conors Party nicht geendet. Wir haben am nächsten Tag wieder miteinander geschlafen. Und am Tag danach und danach auch. Gestern sind wir die ganze Nacht wach geblieben und hatten Sex, obwohl ich mich ganz früh mit meinen Eltern am Flughafen treffen musste.
Mein Körper sehnt sich bereits wieder nach ihm. Ich bin süchtig nach ihm. Ich hätte nie geglaubt, dass ich mal mit einem Leistungssportler ins Bett gehen würde, aber jetzt verstehe ich, warum so viele Frauen hinter Athleten her sind. Mein Gott, all diese stahlharten Muskeln, die schiere Körperkraft. Gestern hat Hunter mich hochgehoben, um mich auf seinen Penis zu setzen und es mit mir im Stehen gegen meine Zimmerwand zu treiben. Jeder im Haus muss es gehört haben, und heute Morgen haben mich meine Verbindungsschwestern deswegen gnadenlos aufgezogen. Aber sie freuen sich für mich. Ich freue mich auch für mich, verdammt. Ich verdiene guten Sex mit einem Mann, der nicht mit anderen Mädchen schläft. Jede Frau verdient das.
Nicos Familie heißt mich herzlich willkommen. Seine kleine Schwester Alicia schlingt mir die Arme um den Hals und quietscht vor Freude. »O mein Gott, das ist ja eine Ewigkeit her!« Sie ist dreizehn und hat mich immer als eine Art Vorbild gesehen. Letztes Jahr hat sie mich
angerufen, als sie ihre erste Periode bekommen hat.
Dora begrüßt mich mit einem dicken Schmatzer und einer herzlichen Umarmung. Dann kommt Joaquín auf mich zu, um mich in
den Arm zu nehmen.
»Verdammter Idiot«, murmelt er.
Ich runzle die Stirn. »Wie bitte?«
Er sieht mich verlegen an. »Mein Sohn ist ein verdammter Idiot.« Er spricht die Worte leise aus, damit nur ich ihn hören kann.
Ich lächle ihn an. »Ja.«
Nico ist zum Glück noch nicht runtergekommen. Ich hoffe, er versteckt sich in seinem Zimmer. Meine Familie wird ins Wohnzimmer gedrängt, wo ich von Dora und Alicia in Beschlag genommen werde, während Joaquín Drinks für meine Eltern zubereitet.
Dann höre ich seine Stimme. »Demi.«
Ich drehe mich langsam um. Anders als ich hat Nico sich heute Abend mit seinem Äußeren viel Mühe gegeben. Er trägt eine schwarze Hose und ein weißes Hemd, das oben aufgeknöpft ist. Sein Haar ist zurückgegelt, und er ist frisch rasiert. Er sieht richtig gut aus, aber sein Anblick löst in mir nichts aus. Ich habe ihn seit dem Abend, an dem ich mich von ihm getrennt habe, weder gesehen noch mit ihm gesprochen. Ich dachte, es würde unangenehm werden, wenn wir uns wiedersehen, dass mein Herz schneller schlagen oder ich eine Art Sehnsucht verspüren würde.
Aber das ist nicht der Fall. Wenn überhaupt, tut er mir leid. Er sieht fast wie ein kleiner Junge aus, als er nach vorne tritt. Er will seine Arme öffnen, doch ich schüttle den Kopf.
»Das machen wir besser nicht«, sage ich.
»Komm schon, Demi«, erwidert er enttäuscht.
Dann bekomme ich ein Glas in die Hand gedrückt. Es ist zwar nur Soda und nicht das randvolle Glas Tequila, das ich mir jetzt wünschen würde, aber Mom hat mich damit trotzdem gerettet.
»Lass uns Dora beim Abendessen helfen«, sagt sie und schiebt mich in Richtung Küche.
Ohne einen Blick zurück folge ich ihr.
Das Abendessen ist seltsam. Zumindest für mich. Wenn es für unsere Eltern auch so ist, lassen sie es sich nicht anmerken.
Jedes Mal, wenn Nico etwas zu mir sagt, antworte ich ihm höflich. Aber ich versuche nicht, weiter mit ihm ins Gespräch zu kommen. Er erzählt, dass er bei der Umzugsfirma gekündigt hat, doch es ist mir egal. Dann erzählt er von seinem neuen Job als Koch in Della’s Diner
. Das ist mir ebenfalls egal, außer dass ich mir vornehme, dort nicht mehr essen zu gehen. Er würde mir entweder ins Essen spucken oder mir einen Liebestrank unterjubeln.
Nach dem Essen gehen die Männer nach draußen auf die Veranda, um ihre kubanischen Zigarren zu rauchen, und die Frauen räumen den Tisch ab. Das mag zwar altmodisch sein, aber so war es schon immer. Alicia und ich räumen die Spülmaschine ein und waschen dann die größeren Sachen mit der Hand ab. Sie erzählt mir von der achten Klasse und ihren Freunden, während ich ihr die Töpfe und Pfannen zum Abtrocknen reiche.
»Ich fasse es nicht, dass du und Nico nicht mehr zusammen seid«, beklagt sie sich. »Das finde ich echt traurig.«
»Ich weiß, Liebes, aber die Dinge laufen nicht immer so, wie man es sich vorgestellt hat«, antworte ich. »Kannst du mir die große Salatschüssel vom Tisch holen, bitte? Ich glaube, dann haben wir alles.«
Als Alicia ins Esszimmer geht, kommt Dora zu mir. »Nicolás hat mir erzählt, was er getan hat«, sagt sie leise. »Ich will, dass du weißt, wie enttäuscht ich von ihm bin, Demi. Ich habe ihn besser erzogen.«
Ich schaue in ihre unglücklichen Augen. »Es überrascht mich, dass er dir die Wahrheit gesagt und nicht sich als Opfer dargestellt hat.«
Sie schnaubt. »Dieser Junge kann seine Mama nicht anlügen, das weißt du doch.«
Stimmt. Nico ist ein absolutes Muttersöhnchen. Außerdem sind kubanische Frauen sowieso sehr einfühlsam. Sie können Gedanken lesen. Selbst, wenn er versucht hätte, Dora anzulügen, hätte sie es gemerkt.
»Das ist seine Schuld, Demi. Und das meine ich ernst, obwohl er mein Sohn ist. Und du weißt, dass du immer wie eine Tochter für uns bleiben wirst.«
»Ich weiß.« Ich umarme sie, und zum ersten Mal heute Abend verspüre ich die Art Sehnsucht, die Nico bei mir nicht wecken konnte.
Ich liebe seine Eltern, und es macht mich wirklich traurig, dass es nie wieder sein wird wie früher, als Nico und ich noch zusammen waren.
Aber die Dinge ändern sich. Beziehungen entwickeln sich. Dieselben
Menschen können Teil deines Lebens bleiben – Menschen, die du schon seit Jahren kennst –, doch sie spielen eine andere Rolle.
Ich blinzle die Tränen weg, als ich den Wasserhahn zudrehe und meine Hände abtrockne.
Das Dessert wird im Wohnzimmer serviert, wo Alicia vorschlägt, dass wir ein Brettspiel spielen könnten. »Ich habe ein neues. Es heißt Zombies!™«, ruft sie, und ich breche in schallendes Gelächter aus.
»O ja, das kenne ich gut«, sage ich zu dem dreizehnjährigen Mädchen. »Ich habe es bereits häufiger im Haus eines Freundes gespielt. Er hat mich letztes Mal getötet.«
Sie schnappt nach Luft. »Du wurdest geopfert?«
»Ja.«
»Was für ein Freund?«, fragt Nico skeptisch.
Ich würde ihm gerne sagen, dass ihn das nichts angeht, aber ich will vor seiner Familie nicht unhöflich sein. »Niemand«, sage ich ausweichend.
Er runzelt die Stirn. »Wirklich? Niemand?«
Aus irgendeinem Grund beschließt Dad, dass er sich Nico anschließen muss. »Welcher Freund ist das?«, fragt er.
Ich verdrehe die Augen. »Mein Freund Hunter.«
»Der Eishockeyspieler?«, fragt Nico, und seine Augen blitzen auf.
»Ja, der Eishockeyspieler. Du weißt schon, der, den du und deine kleinen Freunde …«
»Ich weiß, wen du meinst«, unterbricht er mich mit warnendem Blick.
Ach, er will wohl nicht, dass seine Eltern das erfahren. Natürlich nicht. Dora würde es gar nicht gefallen, wenn sie wüsste, dass ihr kleiner Junge Leute einfach so zusammenschlägt.
Unsere Blicke treffen sich kurz. Nico scheint Angst zu haben, dass ich ihn verrate. Als ich es nicht tue, entspannt er sich sichtlich.
»Hunter und seine Mitbewohner sind zum Schießen«, sage ich stattdessen zu Alicia. »Sie veranstalten ein paarmal im Monat einen Spieleabend, und momentan ist das das Spiel ihrer Wahl. Aber ich glaube nicht, dass es ein gutes Spiel für den Weihnachtsabend ist, Liebes. Vielleicht sollten wir einfach Scharade spielen?«
Mom klatscht in die Hände. »Ja, das machen wir.«
Dora lächelt ihre Tochter an. »Such doch mal die Scharadekarten, die wir letztes Jahr aufgeschrieben haben, mami
. Sie sind wahrscheinlich in der Spieleschublade.«
Alicia steht erfreut auf.
Ich erhebe mich ebenfalls von dem Ledersofa. »Ich werde mir etwas Süßes aus der Schüssel im Esszimmer holen. Will noch jemand was?«
»Es überrascht mich, dass deine Zähne noch nicht verfault sind«, tadelt mich Nicos Mutter seufzend.
»Gute Gene«, sage ich und entblöße meine strahlend weißen Zähne. Ich bin zuckersüchtig, hatte aber trotzdem noch kein einziges Loch.
Ich gehe ins andere Zimmer und krame in der Schüssel rum, in der Hoffnung, etwas zu finden, das nach Kirsche schmeckt. Nach nicht einmal fünf Sekunden ertönt Nicos Stimme im Türrahmen.
»Können wir reden?«
Davor habe ich mich gefürchtet. »Es gibt nichts mehr zu sagen.«
Er betritt das Zimmer. »Hör mal, ich werde nicht versuchen, dich zurückzugewinnen, falls dir das Sorgen macht. Ich habe begriffen, dass es zwischen uns aus ist.«
»Danke, das weiß ich zu schätzen.«
»Aber ich wollte mich entschuldigen. Nicht nur für das, was mit uns passiert ist, sondern auch für das, was ich mit deinem Eishockeyfreund gemacht habe. Ich war an dem Abend betrunken.« Er verlagert sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen.
»Deine Entschuldigung kannst du dir für Hunter aufheben. Was mich angeht, ich werde keine Entschuldigung akzeptieren für das, was du mir angetan hast.« Ich versuche, meine aufkeimende Wut zu unterdrücken. »Wir waren schon ewig zusammen, und du hast mich so verarscht?«
»Ich weiß. Es tut mir leid, D. Ich war ein Idiot, okay?«
»Ein geiler Idiot.«
Nico schüttelt den Kopf. »Nein, es ging um mehr als Sex. Ich …«
»Was?«
Er gibt einen frustrierten Laut von sich. »Ich kann nicht erklären, warum ich das getan habe. Es ist nur … es ist manchmal schwer, deinen Erwartungen gerecht zu werden, okay?«
Ich runzle die Stirn. »Meinen Erwartungen? Nico. Die einzige Erwartung, die ich an dich hatte, war, dass du deinen Schwanz nicht in andere Frauen steckst. Ich wusste nicht, dass das eine Erwartung ist,
die unmöglich zu erfüllen ist«, sage ich sarkastisch.
Er fährt sich mit einer Hand durch sein schwarzes Haar. »Du verstehst das nicht. Du bist so klug, und du hast immer genau gewusst, was du mit deinem Leben anfangen willst. Und ich bin bloß ein Verlierer aus Miami.«
»Das ist nicht wahr.«
»Du bist zu perfekt, Demi. Sogar, als wir nur Freunde waren, hatte ich immer das Bedürfnis, dich beeindrucken zu müssen. Und als wir dann zusammengekommen sind, wurde der Druck noch viel schlimmer. Ich hatte das Gefühl, dir gerecht werden zu müssen. Und diese anderen Mädchen – sie haben sich mir an den Hals geworfen und mir das Gefühl gegeben, dass ich ein richtiger Mann bin. Das hat mir geschmeichelt.« Er weicht meinem Blick aus. »Das mag armselig klingen, aber es ist die Wahrheit.«
»Ja, das klingt armselig«, stimme ich ihm zu, doch mein Psychologengehirn hat bereits angebissen. Nicht in meinen wildesten Träumen wäre ich darauf gekommen, dass ich ihm das Gefühl gebe, kein richtiger Mann zu sein. »Es tut mir leid, wenn du so gefühlt hast, Nico. Ich wollte immer nur das Beste für dich.«
»Das verstehe ich. Und ich habe versucht, der Mann zu sein, den du wolltest. Ich habe mir den Arsch aufgerissen, um auf ein Elite-College gehen zu können.«
»Das habe ich nie von dir verlangt«, protestiere ich.
»Ich dachte allerdings, das müsste ich. Ich wusste, dass ich dich verlieren würde, wenn wir auf unterschiedliche Colleges gehen. Aber …« Er hält inne. »Es ist so verdammt schwer, D. Das Lernen fällt mir echt schwer. Und ich arbeite noch viel härter, weil meine Familie nicht so viel Geld hat wie deine.«
»Ich habe nichts davon jemals von dir verlangt«, sage ich. Trotzdem bekomme ich Schuldgefühle. »Du hast dich selbst dazu gezwungen, Nico. Welcher Druck dich auch immer dazu veranlasst hat, du hast ihn dir selbst gemacht. Aber wenn ich dir den Eindruck vermittelt habe, dass du für mich ein perfekter Mensch sein musst, dann tut es mir leid. Das wollte ich nicht. Ich mochte dich immer genau so, wie du warst.«
»Du mochtest mich?«, sagt er traurig.
»Ja. Das passiert, wenn du mit einer anderen Frau schläfst als mir.«
»Es tut mir leid, okay? Ich bin ein Arschloch. Es gibt keine Entschuldigung.«
»Nein. Aber ich geb dir einen Tipp fürs nächste Mal, bei der nächsten Freundin – vielleicht solltest du mit ihr über deine Unsicherheiten reden, bevor du dir von anderen Frauen dein Ego aufpolieren lässt.«
»Aus deinem Mund klingt es sogar noch viel armseliger.«
Ich seufze leise. »Die Tatsache, dass du nicht mit mir über deine Gefühle reden konntest, zeigt nur, dass unsere Beziehung niemals funktioniert hätte. Wir waren Kinder, als wir zusammengekommen sind. Es war naiv, zu glauben, dass es für immer ist.«
»Das hätte es sein können, wenn ich es nicht verkackt hätte.«
»Aber das hast du, und jetzt werden wir nie herausfinden, was geschehen wäre.« Ich gehe an ihm vorbei Richtung Türrahmen. »Es ist Weihnachten, Nico. Lass uns die Zeit mit unseren Familien verbringen.«
»Demi.«
Ich werfe einen Blick über die Schulter und erkenne Reue in seinem Blick. »Was ist?«
»Gibt es wirklich keine Chance mehr?«
»Nein, die gibt es nicht.«
Auf der Autofahrt nach Hause schicke ich Weihnachtsgrüße an TJ
, Pax und die anderen Verlorenen Jungs. Dann komme ich endlich dazu, Hunter eine Nachricht zu schreiben, der die Feiertage in Connecticut verbringt. Die Firma seines Vaters hat wohl heute eine Weihnachtsfeier veranstaltet, zu der auch Hunter und seine Mutter kommen mussten, weil sie nichts weiter sind als das Gefolge seines Vaters.
Ich:
Wie war es heute Abend?
Er:
Nicht schlimm. Offene Bar, gutes Essen. Ich habe mit meiner Mutter zu einer Live-Version von Baby It’s Cold Outside
getanzt, was etwas merkwürdig war.
Ich:
Merkwürdig? Wohl eher heiß!
Er:
Um Himmels willen! Wir reden über meine Mutter.
Ich:
Hat sich dein Dad anständig benommen?
Er:
Natürlich. Er muss für seine Fans ja eine Show abziehen.
»Demi«, sagt Dad vom Fahrersitz aus, »könntest du bitte das Fenster schließen? Deiner Mutter ist kalt.«
»Mm-hm«, sage ich und drücke abwesend auf den Knopf. Aber anstatt das Fenster zu schließen, öffne ich es aus Versehen ganz. »O Mist. Sorry, Mom.« Ich lege das Handy neben mich und drücke erneut auf den Knopf.
»Wem schreibst du?«, fragt sie neugierig.
»Nur einem Freund.«
Dad beißt sofort an. »Diesem Hunter, den du vorhin erwähnt hast?«
Ich runzle die Stirn. »Ja. Ist das ein Problem?«
Er antwortet erst nicht. Als er es schließlich tut, klingt er skeptisch. »Nico hält nicht viel von ihm.«
Interessant. Klingt so, als hätte Nico mehr zu erzählen gehabt, als die Männer eine Zigarre geraucht haben.
»Ich verstehe.« Ich nicke höflich. »Nicos Meinung ist die moralische Instanz, an der wir jetzt alles messen.«
»Demi«, sagt Mom tadelnd vom Beifahrersitz.
»Was? Stimmt doch. Sein moralischer Kompass funktioniert nicht wirklich.« Ich begegne Dads Blick im Rückspiegel. »Als ihr draußen wart und über meinen Freund geredet habt – hat Nico da auch erzählt, dass er ihn zusammengeschlagen hat?«
Mom schnappt nach Luft. »Das hat er nicht, oder?«
»O doch. Hunter war derjenige, der mir den Tipp gegeben hat, dass Nico mich betrügt. Nico hat das natürlich nicht gefallen. Also hat er Hunter aufgelauert und ihn mit vier Freunden zusammengeschlagen. Fünf gegen einen, Dad. So lösen vernünftige Erwachsene ihre Probleme, oder?«
Dad knirscht mit den Zähnen. »Na gut, aber abgesehen davon solltest du dich vielleicht trotzdem von diesem Hunter fernhalten.«
»Warum? Du kennst ihn nicht einmal. Und ich denke nicht, dass du Nicos Worte ernst nehmen solltest. Bitte, er ist ein Lügner.«
»Er hat dich angelogen, ja. Aber das macht ihn nicht zum Lügner.«
»Dad, wenn ich dich ermorden würde, wäre ich ein Mörder. Er hat mich belogen, also ist er ein Lügner.«
»Reine Semantik.«
Ich seufze. »Ich mag Hunter, okay? Er ist toll.«
»Bist du mit ihm zusammen?«, fragt mein Vater.
»Nicht so richtig.«
Mom dreht sich auf ihrem Sitz um. »Nicht so richtig? Dios mío!
Du bist mit ihm zusammen! Seit wann?«
»Wir sind nicht zusammen.« Wir haben nur Sex. Wiederholt.
»Aber wenn wir es wären, würde ich von euch beiden erwarten, ihm eine faire Chance zu geben. Nico ist nicht mehr mein Freund. Irgendwann wird ein anderer diese Rolle einnehmen, und ich will, dass ihr dafür offen seid.« Ich zucke mit den Schultern. »Was Hunter betrifft, er ist ein guter Kerl und ich habe ihn sehr gern.« Ich schaue meinem Vater wieder in die Augen. »Und wenn du ihn kennenlernen würdest, würdest du ihn auch mögen.«