Agneta putzt sich die Zähne. Der starke Pfefferminzgeschmack betäubt ihre Zunge, sie hört auf zu putzen und spuckt zu früh aus. Muss sich vor ihrem Zahnarzt schämen, falls sie es überhaupt noch einmal zu einem Kontrolltermin schafft. Ihren Termin abzusagen, kommt ihr abwegig und absurd vor, wie die totale Selbstaufgabe. Natürlich würde sie hingehen. Sich brav auf den Stuhl setzen. Viel zu viel Geld bezahlen und doch nicht das tun, was sie ihr vorschlügen, denn es hätte ja gar keinen Zweck. Agneta fährt mit der Bürste durchs immer schütterer werdende dünne Haar. Es bleiben so viele Haare an den Borsten hängen, dass man daraus eine hässliche Perücke machen könnte. Sie hat ihre Haarfarbe schon immer gehasst. Weder braun noch blond, eher verwaschen irgendwie. Sie sollte sich die Haare schneiden lassen, das ist nicht zu übersehen. Dann wäre auch diese Strähnigkeit nicht ganz so offensichtlich. Aber die langen Haare waren immer ihr ganzer Stolz gewesen. Etwas, worum sie sich kümmern konnte, nachdem Tilda sich von ihr losgerissen hatte. Viel zu früh. So, Mama, hör auf jetzt, ich komm schon alleine zurecht. Dabei hatte Agneta doch gesehen, wie sie vor lauter Zurechtkommen fast kaputtging.
Sie setzt sich mit dem Handy in der Hand auf die Bettkante. Das Bett hat einen Holzrahmen, der ihr in die Unterschenkel schneidet. Der helle Holzboden ist eiskalt, von irgendwoher zieht es. Es ist erst kurz nach zehn. Sie könnte noch anrufen. Es würde klingeln, dann würde Tilda drangehen, und dann könnte sie es ihr wahrscheinlich innerhalb einer Minute gesagt haben. Oder Tilda geht nicht ans Telefon, und sie kann am Dienstag beim Psychologen, ohne zu lügen, behaupten, dass sie es versucht hat. Sie holt sich Tildas Namen aufs Display. Nur den Namen, kein Bild und kein Herz oder so. Aber auch keinen Nachnamen wie bei Gunilla Hansson oder Sven Koski. Sie zögert. Was, wenn Tilda am Ende bloß mit den Schultern zuckt? Sie fährt mit der Fußsohle wieder über den kalten Boden. Merkt, wie sie anfängt, vor- und zurückzuschaukeln. Der Rahmen des Bettes drückt mal stärker, mal schwächer gegen ihre Beine, während sich ihr Körper bewegt. Obwohl es hier drinnen kalt ist, schwitzt sie. Schweiß, der sofort abkühlt, sodass sie zittert. Sie zieht sich die Decke über die Beine, um sie dann gleich wieder fortzuschleudern. Dann drückt sie, und die Verbindung wird aufgebaut.