Ein ziemlich kleiner Junge sitzt im Café am Nebentisch. Sie war eigentlich losgegangen, um Messer zu kaufen, aber ihre Beine trugen sie nur bis hier. Rundherum sitzen Leute mit silbrigen Notebooks und sehen wichtig aus. Was sie aber wahrscheinlich gar nicht sind. Sie wendet den Blick wieder zum Kind. Es bekommt Eierkuchen, und die Eltern fangen sowohl den Trinkbecher als auch die Eierkuchenstücke blitzschnell auf, bevor sie auf den Boden fallen. Sie sagen sicher Pfannkuchen dazu. Sie muss an Tilda denken, als sie im gleichen Alter war. Wie sie stundenlang dasitzen und sich über ein Brokkoliröschen Blickduelle liefern konnten. Immer war diese Sturheit zwischen ihnen, wie eine Wand. Tilda hatte sich schon immer schwergetan damit, auf irgendjemand anderen zu hören als sich selbst. Ihr Wille war immer in Stein gemeißelt. Aber andererseits lernte sie auch schnell sprechen, sie hörte nie auf, ein Wort so lange zu wiederholen, bis sie es genauso gut aussprechen konnte wie Agneta. Sie lernte auch ziemlich früh Lesen, und schon als Achtjährige benutzte sie Wörter, die Agneta nicht kannte. Sie denkt daran, wie Tildas Stimme sich verändert hat, jedes Mal, wenn sie telefonierten, war sie noch ein bisschen heller geworden, hatte sie neue Wörter benutzt, weniger geflucht. Sie will es nicht reiner nennen, aber irgendwie war es das trotzdem, Standardschwedisch eben. Eigentlich war es im Grunde jedes Mal so gewesen, dass sie am Telefon gar nicht so viel geredet haben. Agnetas Gesicht fängt an zu glühen. Natürlich hat auch sie Schnabeltassen aufgefangen und verschüttete Milch aufgewischt. Aber danach? Sie stritten eigentlich nur. Lagen nie auf derselben Wellenlänge. Damals war sie überzeugt, dass es nur die Pubertät war. Dass alle in diesem Alter mit ihren Müttern streiten. Dass es sich verwachsen würde, wenn sie erst erwachsen war. Diese Hoffnung hat sie immer noch. So alt ist Tilda nun auch wieder nicht.
Die Zitronenmakrone ist zu süß und nicht zäh genug, aber sie schiebt sie sich trotzdem ganz in den Mund. Die Übelkeit macht sich wieder bemerkbar, aber was sie einmal bezahlt hat, will sie nun nicht verkommen lassen. Das Kind am Nebentisch brabbelt, doch offenbar ist immer wieder das ein oder andere Wort dabei, das seine Eltern verstehen. Agnetas Beine sind wie festgeschweißt an ihrem Stuhl, und obwohl sie ihnen befiehlt aufzustehen, damit sie rauchen gehen und sich noch ein Wasser holen kann, bleiben sie unnachgiebig ans Holz gedrückt. Ihre Wadenmuskeln zucken, obwohl sie ganz still sitzt, und ihr ganzer Körper pulsiert vor Schmerz. Sie muss ein Messerset kaufen. Ihre Beine bleiben hartnäckig regungslos.
Wo bist du? Wie lange hast du Knut allein gelassen?
Agneta tun die Beine weh auf dem Holzstuhl, und die SMS schmerzt in ihren Augen, als sie ihr Handy hervorkramt. Sie muss eingeschlafen sein. Weder das Kleinkind noch seine Eltern sind mehr da, ihr Nacken schmerzt. Sie reibt sich den Schlaf aus den Augen und merkt zu spät, dass sie sich ja vorher geschminkt hat. Das Telefon vibriert erneut.
Kauf noch Schweinefleisch für Fleischknödel