«Ich hab gehört, dass Anneli und Björn sich überlegen, ein Sommerhäuschen in Piteå zu kaufen», sagt Tilda plötzlich unvermittelt. Agneta krault Knut im Nacken. Sein Pelz ist speckig unter ihren Fingern. Sie kann seine Atemzüge an ihrem Oberschenkel spüren.
«Ja? Woher weißt du das?»
«Sie hat mich angerufen und es mir erzählt», sagt Tilda mit hörbarem Fragezeichen am Ende des Satzes.
«Ach so, ihr telefoniert öfters mal?» Agneta fühlt sich verraten. Von welcher der beiden, weiß sie nicht.
«Sie ruft mich immer dienstags auf dem Heimweg von der Wassergymnastik an», erzählt Tilda, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt. Spricht Agneta selbst überhaupt so oft mit Tilda? Einmal pro Woche, wie soll man das denn hinkriegen? Die Wochen rasen nur so vorbei. Anneli wird immer da sein. Wird Tilda noch ihr ganzes Leben lang einmal pro Woche anrufen können. Anneli, die immer so gute Zimtschnecken backt. Schnittblumen im Garten anbaut. Immer wohlüberlegte Geschenke kauft. Agneta könnte jetzt eine Tablette vertragen, aber weiß, dass die nur gegen körperlichen Schmerz helfen.
«Kannst du dich noch an ihr letztes Sommerhäuschen erinnern?», fragt Agneta und lehnt sich auf dem Sofa zurück. Tilda nickt. «Viktor und du, ihr seid immer fast nackt durch die Gegend gelaufen und habt Kaulquappen gespielt.» Agneta lacht, und Tilda stimmt ein.
«Und ihr habt versucht, uns euren faulig vergorenen Hering aufzuzwingen», fügt Tilda hinzu und schüttelt hinter sich ein Sofakissen auf.
«Oh, Surströmming – da läuft mir das Wasser im Mund zusammen», antwortet Agneta und boxt Tilda leicht in den Arm, während die so tut, als müsste sie sich übergeben, und dabei noch lauter lacht.
«Weißt du noch das Nebelkrähenjunge, das wir aufgezogen haben?», fragt Tilda, und ihre Stimme wird auf einmal ganz hoch.
«Ja, natürlich. Wie hieß es noch?»
«Bodil.» Tilda wendet sich wieder zum Fernseher.
Sie hatte doch trotz allem eine schöne Kindheit gehabt. Oder?
Eine Stunde später tut Agneta, als wäre nichts, als sie sich ihr Schlafshirt anzieht. Die Lampe auf der Toilette verströmt ein weißes Licht, und ihr Körper sieht aus wie etwas, das zu Halloween auf der Straße rumlaufen könnte. Die Rippen auf ihrem Rücken sind deutlich zu sehen, und die durchsichtige Haut hängt überall in kleinen Falten herab, die spinnennetzartige Schatten werfen. Sie sieht krank aus. Dann wird ihr klar, dass das natürlich am Licht liegt. Zu Hause schläft sie nackt, sie mag es, wenn das kühle Laken direkt auf ihrer Haut liegt, und außerdem ist es gut für die Möse, wenn sie Luft bekommt. Aber jetzt geht das natürlich nicht. Oder doch, sie kann die Unterhose weglassen wie sonst, aber mit T-Shirt über der Brust. Nicht wegen ihrer Brüste, sondern um den Venenport und das Morphinpflaster zu verbergen, das an und für sich aussieht wie ein Stück durchsichtiges Klebeband. Tilda hätte gefragt, und Agneta hätte ihr antworten müssen. Das will sie nicht, heute ist es dafür schon zu spät. Dann würden sie ja die ganze Nacht aufbleiben müssen. Im Schein der Straßenlaternen dasitzen und sich weinend in den Armen liegen. Alles wird immer so viel schlimmer am späten Abend, deswegen ist es besser, wenn sie bis morgen wartet, wenn sie beide ausgeruht sind. Ja, so wird sie es machen.