Sie setzen sich in die Ecke eines schummrigen Lokals, jede auf einen braunen Lederpouf. Das Germurmel rundherum bildet einen ständigen Geräuschpegel, und die Luft ist stickig. Jede von ihnen hat ein belegtes Brot vor sich. Agneta sah, wie die Kellnerin sie aus der Plastikfolie wickelte. Und einen Cappuccino für Tilda und eine Tasse schwarzen Kaffee für Agneta, beide in großen hellen Tassen. Sie rümpfte nicht die Nase über Tildas Wahl, sondern bezahlte einfach nur lächelnd. Ihr Gedanke, von Jörgen zu erzählen, hat andere Gedanken an die Männer in ihrem Leben losgetreten. Sie würde so gerne von Tilda hören, dass Anders ihr nichts bedeutet. Dass er nicht derjenige sein wird, an den sie sich wendet, wenn Agneta gestorben ist. Sie zögert, aber dann rückt sie damit raus. Sagt Worte, die sie innerlich aufreiben, seit sie ihr Todesurteil bekommen hat. Oder nein. Worte, an denen sie sich schon seit Jahren aufreibt. Mindestens seit fünfzehn Jahren. Sie kann sich zum Beispiel nicht vorstellen, dass diese Hände Tilda bei ihrer Beerdigung festhalten. Dieselben Hände, die Agneta eines Abends im Januar eine Rippe gebrochen haben. Oder dass Tilda, wenn sie hochfährt, bei ihm wohnt statt bei Anneli. Deswegen fragt sie ganz geradeheraus:
«Dein Vater hat dir doch nicht gefehlt, oder? Alle haben immer gefragt, aber ich hatte den Eindruck, dass dich das nie bedrückt hat.» Sie hört selbst, dass sie nach der Frage hätte aufhören sollen. Statt weiter vorzustürmen mit ihren Erklärungen und Hoffnungen. Aber sie traute sich nicht, an der Stelle eine Pause zu machen.
Tilda dreht ihre Tasse zwischen den Händen. Es war offensichtlich doch nicht so schwer auszusprechen, was Agneta so lange belastet hat. Sie fragt sich, ob das Wort Krebs ihr genauso leicht über die Lippen kommen wird. Dann. Wenn es so weit ist.
«Er war kein Vater. Er war nur Sperma», antwortet Tilda und nimmt einen Schluck. Ihr wird fast schwindlig, als sie hört, dass Tilda ihn als ein Nichts betrachtet. Agneta überlegt, ob es so bleiben wird, wenn ein Elternteil tot ist, ob Tilda ihn dann nicht doch brauchen wird. Ein Elternteil ist ein Elternteil ist ein Elternteil, oder?
«Er hat mich geschlagen», entfährt es Agneta, und sie schlägt sich die Hand vor den Mund. Wagt es nicht, Tilda anzuschauen. War das hier ein letzter verzweifelter Versuch sicherzustellen, dass er nicht plötzlich doch eine wichtige Rolle in Tildas Leben spielen würde? Ab dem Moment, wo Agneta nicht mehr aufpassen kann.
«Ich weiß», antwortet Tilda ganz ruhig, und ihre Worte überraschen Agneta. Sie schaut in die grünen Augen ihrer Tochter. «Anneli hat es mir erzählt.»
«Oh», ist das Einzige, was Agneta hervorbringen kann. Sie schaut ihr Kind an. Das Stärkste, was sie kennt. Das mit nur einem Elternteil durchs Leben ging und nie nach dem anderen fragte und immer wusste, wohin es wollte. Einfach nur weg.