Kapitel 1
»Ortung!«, sagte Major Steele. »Geben Sie mir die aktuelle Situation.«
Jim blickte an ihr vorbei durch das große Cockpitfenster, hinter dem das Ziel sich in der Ferne als heller Punkt abzeichnete.
»Kadett Harris, Sie sind gemeint!« Jim zuckte zusammen.
Verdammt, schon wieder! Er war es einfach noch nicht gewohnt, als Ortungsoffizier seinen Dienst zu versehen.
»Entschuldigung, Major Steele.« Jim rief die Umgebungsparameter auf seinem Terminal ab. »Annäherung auf fünftausend Kilometer. Von der Kusnezow keine Spur. Wahrscheinlich befindet sie sich von uns aus gesehen hinter dem Objekt.«
»Sind wir endlich nah genug für eine Analyse?«
Jim aktivierte den entsprechenden Reiter auf seinem Touchscreen und schaltete auf das Spektrometer. Sofort füllten sich mehrere weiße Quadrate auf dem Schirm mit Kurven. »Ja, Analyse läuft. Die Daten werden vom Computer bearbeitet.«
»Gut! Geben Sie mir umgehend Bescheid, wenn Sie etwas über die Zusammensetzung des Ziels wissen.«
»Aye, Sir!«
Das Ziel . Sie hatten es erreicht. Nach langen sechs Wochen Flug in der Sardinenbüchse der USS Beagle hatten sie die Transporterfabrik im Asteroidengürtel erreicht. Sie hatten die Triebwerke bis zum Äußersten beansprucht und den Reaktor dauerhaft bis in den roten Bereich geprügelt. Noch dazu hatten sie so viel Xenon verbraucht, dass es unklar war, ob die Vorräte für eine Rückkehr reichen würden. Und doch war das alles umsonst gewesen. Die Kusnezow hatte das außerirdische Artefakt vor ihnen erreicht. Jim hätte heulen können.
Endlich leuchtete die Statusanzeige vor ihm grün auf. »Analyse abgeschlossen«, meldete Jim.
»Schießen Sie los!«, forderte Major Steele, während sie ihre in der Schwerelosigkeit umherirrenden, blonden Haare mit einem Gummi zu einem Knoten zusammenband.
Jim atmete tief durch. Viele der Funktionen der Orterkonsole waren für ihn immer noch absolutes Neuland. Er hätte gar nicht hier sitzen sollen, aber nachdem Sarah mit ihrer komischen Infektion von Doc Higgs in ihre Kabine verbannt worden war, blieb nun mal nur noch er übrig. Zum Glück fasste der Computer die Ergebnisse halbwegs verständlich zusammen.
»Die Oberfläche des Ziels hat eine hohe Albedo und scheint über eine sehr niedrige Rauigkeit zu verfügen. Die genauen Abmessungen betragen anderthalb mal einen Kilometer. Die Form ist ein Rotationsellipsoid und ...«
»Was ist die Form?« Grumpys Stimme klang heute besonders heiser. Der erste Offizier musste in seiner Kabine wieder heimlich geraucht haben.
»Ein Rotationsellipsoid. Also eiförmig«, antwortete Jim.
»Fahren Sie fort, Kadett«, befahl Steele.
Jim räusperte sich. »Die Oberfläche besteht aus einem metallischen Verbund von Sauerstoff, Kohlenstoff, Kalium und Eisen. Zahlreiche andere Elemente sind in Spuren vorhanden. Die Dichte ist mit fünfundzwanzigtausend Kilogramm pro Kubikmeter sehr hoch.«
»Ist das die Dichte des Materials auf der Oberfläche?«, fragte Lieutenant Hannah Doolittle, die Bordingenieurin, die an der Konsole neben Jim saß.
Jim schüttelte den Kopf. »Nein, das ist die Durchschnittsdichte des Gesamtobjekts.«
»Sind Sie sicher?«, erkundigte sich Captain Grump.
»Ja, Sir. Absolut sicher.«
»Wo sollen denn dann darin Hohlräume sein?«, wunderte sich die Kommandantin.
»Die Radarauswertung und die Ergebnisse der Neutronenaktivierungsanalyse lassen darauf schließen, dass der Körper gar keine Hohlräume hat.«
»Aber wenn das Ding tatsächlich die gesuchte Transporterfabrik ist, dann muss es Räume für Produktionsanlagen geben«, erklärte Lieutenant Ali Al-Sayd, der Waffentechniker der USS Beagle .
»Womöglich ist es eine autarke Einrichtung«, sagte die Steele. »Das Ding könnte massiv sein und gar nicht dafür gedacht, jemals von Lebewesen betreten zu werden. Es gab schon vor dem Abflug Vermutungen, dass die Transporterfabrik auf einer außerirdischen Form von Nanotechnik beruhen könnte.«
Ein roter Lichtpunkt tauchte vor Jim auf dem Radar auf. »Ich habe die Kusnezow auf dem Schirm. Sie ist etwa einen Kilometer hinter dem Objekt zum Stillstand gekommen.«
Zu dicht dran, die holen wir niemals ein.
»Haben sie schon Beiboote abgedockt?«, fragte Steele.
Jim veränderte den Maßstab des Radarschirms. »Ich kann jedenfalls keine entdecken.«
»Wie weit sind wir noch entfernt? Wann werden wir am Objekt eintreffen?«
Jim las die Zahl am Rand des Monitors ab. »Die Entfernung beträgt noch etwa hundert Kilometer.«
»Der Navigationscomputer sagt, dass wir in etwa fünf Minuten relativ zum Objekt zum Stillstand kommen werden«, ergänzte Steuermann Gregson.
Jim biss sich auf die Unterlippe. Die Kusnezow würde bis dahin sicher ihren Landetrupp ausgeschleust haben.
»Lassen Sie zwei Beiboote klarmachen und von Infanteristen bemannen«, forderte Major Steele.
»Sir, die Vorschriften sagen, dass die Beiboote nur im antriebslosen Flug aktiviert werden dürfen«, wandte Ingenieurin Doolittle ein.
»Ist mir scheißegal! Wenn wir noch eine Chance haben wollen, die Oberfläche des Objekts vor den Russen zu erreichen, dann müssen wir uns eben mal über die Vorschriften hinwegsetzen.«
»Sir, es wird trotzdem eine Stunde dauern, die Beiboote zu aktivieren«, gab Sam Faraway zu bedenken. Der hagere Anführer des Infanterietrupps blickte über seine Konsole hinweg zur Kommandantin hinüber. Der Mann stand im Ruf, zahlreiche Feinde mit bloßen Händen umgebracht zu haben. Besondere Fertigkeiten wurden ihm mit seinem Messer nachgesagt, das selbst im Raumflug stets in einer Scheide an seinem Gürtel ruhte.
»Haben Sie einen Alternativvorschlag, Sam?«, fragte Steele.
»Den habe ich allerdings«, erwiderte Faraway. »Lassen Sie mich mit meinem Trupp in Raumanzügen in die Schleuse gehen. Sobald wir zum Stillstand gekommen sind, schleusen wir aus und steuern mit unseren Manöverdüsen das Objekt an. Das wird deutlich schneller gehen als mit den Beibooten.«
Steele schaute ihn einen Moment lang stumm an, dann nickte sie. »Einverstanden. Bereiten Sie sich auf den Einsatz vor.«
Faraway lächelte befriedigt, stand auf und verließ die Brücke.
»Noch drei Minuten«, meldete Gregson.
Ein gelbes Licht leuchtete auf Jims Konsole auf. Er hob eine Augenbraue. »Ich empfange einen Funkspruch. Er kommt von der Kusnezow . Sie rufen uns.«
»Legen Sie ihn auf meinen Schirm«, befahl Steele.
Das eingefallene Gesicht eines alten Mannes erschien auf dem Monitor. »Mein Name ist Oberst Alexey Gorokhov«, sagte eine unangenehme Reibeisenstimme aus dem Lautsprecher. »Ich bin Kommandant der Kusnezov . Ich fordere Sie auf, sich unserem Schiff nicht weiter zu nähern, da wir dies sonst als feindlichen Akt werten werden. Ich weise Sie darauf hin, dass, gemäß internationaler Übereinstimmungen, die Annäherung auf weniger als fünf Kilometer an ein Kriegsschiff einer anderen Nation untersagt ist.«
Der Typ war sicher achtzig Jahre alt. Wieso hatten die Russen einem so alten Mann das Kommando über einen körperlich und geistig fordernden interplanetaren Raumflug gegeben?
»Lieber Oberst«, begann Steele mit sarkastischer Stimme. »Die USS Beagle ist ein Forschungsschiff und nähert sich nicht Ihrem hübschen Kriegsschiff, sondern einem astronomischen Objekt, was laut internationaler Bestimmungen keinesfalls verboten ist. Wenn Ihnen das nicht passt, können Sie sich mit Ihrem rostigen Kahn gerne vom Acker machen.«
Jim verzog das Gesicht. Einerseits bewunderte er seine Kommandantin für ihren generellen Mangel an Respekt gegenüber ihr nicht weisungsbefugten Autoritätspersonen. Andererseits war dieses Aufeinandertreffen mit dem russischen Schiff in Anbetracht der angespannten Situation zwischen beiden Ländern eine äußerst delikate Angelegenheit, die man wohl besser mit einer diplomatischen Herangehensweise angegangen wäre.
»Amerikanisches Forschungsschiff«, donnerte der russische Offizier. »Dies ist die letzte Warnung. Wenn Sie sich weiter nähern, werden wir Maßnahmen gegen Sie ergreifen. Wir haben die Transporterfabrik als Erste erreicht, und nehmen sie für die Russische Föderation in Besitz.«
»Sicher doch ...«, sagte Steele abfällig und forderte Jim mit einer Handbewegung auf, die Verbindung zu beenden.
»Was ist, wenn sie auf uns schießen?«, fragte Grump düster.
Steele schnaubte. »Das werden sie nicht. Das sind nur Drohungen. Die möchten genauso wenig einen Krieg auslösen wie wir. Die wollen uns nur verunsichern. Laut der UN-Bestimmungen im Weltraumvertrag von 2036 ist nun einmal das Berühren eines Objektes nötig, um es zu beanspruchen, und nicht das Herumlungern in der Nachbarschaft.«
Jim fragte sich, warum die Russen nicht schon längst ihr Beiboot abgedockt hatten. Zeit wäre genug gewesen. Er aktivierte das optische Teleskop und richtete es auf das gegnerische Schiff aus. Doch sie waren noch zu weit weg, um das Gefährt in seinen Einzelheiten ausmachen zu können. Durch die Fenster waren Transporterfabrik und Schiff nur als zwei kleine, kaum unterscheidbare Punkte zu erkennen.
»Wie lange noch?«, fragte Steele.
»Zwei Minuten«, antwortete Gregson.
»Faraway«, sagte die Kommandantin. »Sind Sie auf Position?«
»Jawohl, Sir!«, drang die verrauschte Stimme des Infanteristen aus den Lautsprechern. »Mein Trupp ist in der Schleuse. Wir können auf Ihren Befehl hin angreifen.«
Jim seufzte leise. Faraway war ein Hitzkopf, der es ganz sicher kaum erwarten konnte, seine Knarre abzufeuern.
Steele stöhnte. »Sie sollen nicht angreifen! Sie sollen nur auf dem außerirdischen Artefakt landen und es in Besitz nehmen. Auf keinen Fall schießen Sie auf das russische Schiff oder gegnerische Astronauten, haben Sie das verstanden?«
»Und wenn die uns angreifen?«
»Dann gebe ich Ihnen den Feuerbefehl. Klar?«
»Ja, Sir.« Faraways Tonfall ließ darauf schließen, dass ihm das nicht gefiel.
»Sir, soll ich unsere Waffen aktivieren und ausrichten?«, fragte Waffeningenieur Al-Sayd.
Steele seufzte. »Ja, ja, richten Sie sie ruhig aus. Wird uns nur nichts nützen bei deren Bewaffnung.«
Jim biss die Zähne zusammen. Die Kusnezov hatte laut Nachrichtendienst die doppelte Masse der Beagle und war mit drei Raketen-Lafetten, vollautomatischen Geschützen und einem experimentellen Gamma-Laser ausgestattet. Ihre eigenen fünf Raketen in dem vor dem Abflug hastig montierten Container waren kaum eine Bedrohung für den Gegner. Die Beagle war ein Forschungsschiff und wenn es diesem knorrigen Gorokhov einfiel, es auf ein Gefecht ankommen zu lassen, stand der Verlierer schon vorher fest.
»Noch eine Minute«, sagte Gregson.
Jim blickte auf den Monitor des optischen Teleskops. Das russische Schiff war jetzt im Detail zu erkennen. Wie die Beagle war es aus einzelnen Modulen zusammengesetzt, ähnlich den alten Raumstationen, die man mit wiederverwendbaren Raketen in den Erdorbit gebracht hatte. Im Gegensatz zu den amerikanischen Startsystemen setzten die Russen allerdings abwerfbare Booster ein, sodass sie schwerere Module in den Orbit bringen konnten. Am Heck erkannte Jim das Ionentriebwerk hinter dem Reaktormodul, das mit einem dicken, biologischen Schild versehen war. Ungefähr in der Mitte des Schiffes war auf der Oberseite das Beiboot angedockt und Jim fragte sich, warum Gorokhov es nicht längst abgekoppelt hatte.
Plötzlich erkannte er an dem Schiff eine Bewegung. »Sir, ich sehe einen Kosmonauten in einem Raumanzug«, meldete Jim. »Er hangelt sich an der Hülle des Beibootes entlang.«
Major Steele klatschte in die Hände. »Das ist es! Sie haben ein Problem mit ihrem Beiboot oder der Kopplungsvorrichtung. Jetzt versuchen sie, den Schaden schnell zu reparieren. Das ist unsere Chance! Wie lange noch?«
»Wir haben das Objekt fast erreicht«, rief Gregson. »Noch zwanzig Sekunden bis zum Ende des Manövers.«
Jim blickte aus den Cockpitfenstern. Der Lichtpunkt der Transporterfabrik verwandelte sich in einen großen, eiförmigen Körper neben einem kleinen Sandkorn. Das Artefakt strahlte in makellosem Silber mit einer völlig strukturlosen Oberfläche.
»Drei, zwei, eins, Stillstand«, meldete der Steuermann.
»Entfernung zum Objekt?«
»Zwei Kilometer, Sir«, meldete Jim.
»Steuermann, bringen Sie uns mit den Verniertriebwerken langsam näher heran. Lieutenant Faraway!«
»Sir?«
»Ausschleusen!«
»Verstanden.«
Jim erkannte auf einem Radarschirm fünf kleine Punkte, die sich langsam entfernten. Das russische Beiboot hatte immer noch nicht abgedockt.
»Da bin ich mal gespannt, was der russische Giftzwerg macht«, murmelte die Kommandantin.
Jim erkannte jetzt die Infanteriegruppe in ihren strahlend weißen Raumanzügen auf dem Außenmonitor. Gemächlich schwebten sie der Oberfläche der Transporterfabrik entgegen.
Dann sah Jim im Augenwinkel eine Bewegung auf dem Monitor des Teleskops. Das russische Schiff schoss plötzlich nach vorne. Der Kosmonaut auf der Außenhülle verlor den Halt und schwebte mit rudernden Armen im freien Raum. »Sir, die Kusnezov zündet ihre Triebwerke.«
Jim riss die Augen weit auf. Was hatte dieser Russe nur vor?
»Vektor?«, fragte Steele.
»Genau auf die Transporterfabrik zu.«
»Verdammt, was macht er?«, fragte Steele. »Will er das außerirdische Artefakt etwa rammen?«
»Ich vermute, er will es um jeden Preis als Erster erreichen«, sagte Captain Grump.
»Mit den Haupttriebwerken?« Steele fuhr sich durch die Haare. »Der muss wahnsinnig sein!«
»Er beschleunigt mit einem vollen g«, meldete Jim ungläubig.
Das russische Raumschiff näherte sich der Transporterfabrik, deutlich schneller als ihre eigene Gruppe. Dann erlosch der weiße, aus den Triebwerken schießende Ionenstrahl und die Kusnezov schwenkte herum, während sie weiter auf das außerirdische Objekt zuraste. Als die Triebwerke auf die Transporterfabrik zeigten, startete das Schiff seine Motoren erneut.
»Sie haben mit dem Bremsmanöver begonnen«, brüllte Al-Sayd.
»Das klappt nie!«, flüsterte Hannah. »Die zerschellen auf der Oberfläche, bevor sie zum Stillstand kommen.«
»Noch dreihundert Meter!«, kommentierte Jim nach einem Blick auf den Radarschirm. Ihre eigene Gruppe hatte sich dem Artefakt gerade mal auf anderthalb Kilometer genähert.
»Verdammt, die schaffen es!«, rief Grump.
Tatsächlich. Die Kusnezov war knapp über der Oberfläche der Transporterfabrik zum Stillstand gekommen. Wieder schwenkte das Schiff herum, während es schon mit seinen Manöverdüsen feuerte.
»Deren Steuermann hat ganz schön was auf dem Kasten«, krächzte Gregson. »Das muss man denen einfach lassen.«
Jim sah das anders. Um direkt neben einem derart großen Objekt ein solches Manöver hinzulegen, konnte man nur irre sein.
Langsam näherte sich die Kusnezov der Oberfläche der Transporterfabrik.
»Scheiße!« Steele schlug mit der Faust auf ihre Konsole. »Die schnappen uns die Transporterfabrik doch noch vor der Nase weg.«
Wieder blinkte das gelbe Licht auf Jims Konsole. »Gorokhov meldet sich wieder.«
»Auf meinen Schirm«, befahl Steele mit frustrierter Stimme.
Der russische Offizier zeigte in die Kamera. »Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass wir das fremde Objekt zuerst erreicht haben. Ich nehme die Transporterfabrik hiermit offiziell für die Russische Föderation in Besitz.«
»Sir, die Kusnezov setzt in diesem Moment auf der Oberfläche auf.«
»Scheiße, verdammte!«, fluchte Steele.
»Unternehmen Sie keinen Versuch ...« Der General verstummte, als eine Alarmsirene im Hintergrund aufjaulte. Stimmen riefen durcheinander. Die gegnerische Brücke auf dem Monitor war plötzlich in rotes Licht getaucht. Gorokhov wandte sich ab und brüllte in russischer Sprache Befehle.
»Was geschieht denn da?«, fragte Hannah.
»Die müssen irgendein größeres Problem haben«, antwortete Grump.
»Still!«, befahl Steele.
Weitere Alarmsirenen. Zwei Kosmonauten schwebten im Hintergrund der gegnerischen Zentrale durch das Bild und schlossen eine Luke.
Jim wandte den Kopf und betrachtete den Monitor des Teleskops.
Was zum Teufel?
Das Raumschiff ... es löste sich vor seinen Augen auf! »Sir, das Schiff!«
»Was meinen Sie?« Steele griff zum Steuerknüppel und ließ die Beagle rotieren, bis das feindliche Schiff direkt vor den Fenstern stand. Es war noch drei Kilometer entfernt, dennoch sah Jim, was geschah.
An der Stelle, die das Artefakt berührt hatte, war ein riesiges Loch entstanden. Und es wuchs. Die Hülle des russischen Schiffes verwandelte sich vor ihren Augen in einen feinen, silbernen Nebel, der von der Oberfläche der Transporterfabrik wie magnetisch angezogen wurde.
Auf dem Bildschirm schrien Menschen in wilder Panik, während Gorokhov weiterhin Befehle brüllte. Das Videosignal brach ab und auf dem Monitor war nur noch Rauschen zu sehen. Das Geschrei aus den Lautsprechern wich einer geisterhaften Stille.
»Mein Gott!« Major Steeles Stimme war nur noch ein Krächzen.
Der Zersetzungsprozess beschleunigte sich. Das halbe Raumschiff hatte sich nun in silbernen Nebel aufgelöst, der auf die Oberfläche des Artefakts rieselte und von ihr absorbiert wurde.
Wo sich die Zentrale des Schiffes befinden musste, öffnete sich eine Schleuse. Eine aus der Entfernung winzig wirkende Gestalt schwebte heraus. Sie ruderte mit den Armen und löste sich dann zu einem feinen Nebel auf.
»Was geschieht denn da?«, murmelte Gregson.
Jim blickte auf sein Radar. Das Echo der Kusnezov war deutlich schwächer geworden. Am Rand des Schirms erkannte er ihre eigene Infanteriegruppe, die sich unbeeindruckt weiter in Richtung des Objekts bewegte. »Sir, unsere Männer!«, rief Jim.
Steele nickte und griff an ihr Mikro. »Faraway! Ziehen Sie sich sofort zurück!«
»Verstanden.«
Der letzte Rest des einst so stolzen russischen Raumschiffes verschwand, als hätte es nie existiert.
Für einen Moment herrschte Schweigen in der Zentrale.
Was ist nur geschehen? Jim hatte etwas Derartiges noch nie gesehen. Er durfte gar nicht daran denken, was geschehen wäre, wenn er, wie ursprünglich vorgesehen, mit dem Beiboot auf dem außerirdischen Artefakt gelandet wäre.
Major Steele löste sich als Erste aus der Starre. »Captain Grump. Warten Sie, bis Faraway und seine Männer wieder in der Schleuse sind, anschließend bringen Sie uns in eine Sicherheitsentfernung von einhundert Kilometern. Ich muss eine Meldung an die Erde schicken, dann warten wir neue Befehle ab.«
»Jawohl, Sir!«
Jims Blick fiel auf seinen Radarschirm. An der ehemaligen Position der Kusnezov erkannte er ein schwaches Radarecho. »Der Kosmonaut, der am Beiboot gearbeitet hat«, sagte er laut. »Er schwebt noch mitten im Raum.«
Steele nickte. »Verstehe. Captain Grump, koppeln Sie das Beiboot aus und holen Sie ihn an Bord. Sagen Sie Doktor Higgs Bescheid, falls er medizinische Hilfe braucht.«
»Verstanden, Sir.«
Langsam lehnte sich Jim in seinem Sessel zurück und blickte auf das Artefakt, das direkt vor den Fenstern der Zentrale stand. Man hatte sie durch das halbe Sonnensystem geschickt, um es in Besitz zu nehmen und seine Technologie zu ergründen. Doch das silberne Schimmern auf der Oberfläche sah nun durch und durch bedrohlich aus. So gar nicht wie eine feste Oberfläche, sondern mehr wie ein feines Pulver, dass sich von alleine zu dieser seltsamen, eiförmigen Form angeordnet hatte. Er hatte sogar die Illusion, dass die Oberfläche pausenlos in Bewegung war. Und das machte es noch fremdartiger als die schwarzen Transporter. Er schüttelte sich.
Er hatte eines dieser außerirdischen Geräte während seiner Kindheit auf New California immer in seiner Nähe gewusst und sich sogar als Teenager einmal heimlich nachts hinein geschlichen. Die Technik der Außerirdischen hatte ihm keine Angst gemacht und auch später hatte er nie ein mulmiges Gefühl gehabt, wenn er durch den Transporter gegangen war. Aber er spürte, dass dieses Ding hier eine Nummer zu groß für sie war und das Potenzial hatte, das ganze Sonnensystem zu zerstören.