»Die Indiana
und die St. Louis
sind jetzt auch vom Radar verschwunden.« Jason war kreidebleich.
Jim griff an die Steuerung des Radarschirms und reduzierte den Zoomfaktor. Es blieben noch achtzehn Schiffe. Und das Flackern und Blitzen außerhalb der Fenster kam immer näher.
Er stöhnte unterdrückt. Sie hatten nichts erreicht. Absolut nichts. Die Atomraketen und die Gamma-Laser zeigten nicht die geringste Wirkung.
Ein Rauschen aus den Lautsprechern kündete einen Funkspruch des Befehlshabers an. »Hier spricht General McLean. Wir versuchen etwas anderes. Alaska
, Utah
und Nimitz
. Ihr schleust alle Atomraketen und Gamma-Laser zeitgleich aus. Gamma-Laser feuern bei Einschlagszeit der Raketen. Markiert Ziel Beta für einen synchronen Angriff. Ausführung!«
Jim presste die Lippen zusammen. Bisher hatte der Befehl für jedes Schiff gelautet, auf den nächsten Gegner zu feuern. Diese Strategie war nicht aufgegangen. Vielleicht brachte ein koordinierter Angriff auf ein einzelnes Schiff der Fremden ein besseres Ergebnis.
Kleine, graue Punkte rasten auf dem Radarschirm auf eines der angreifenden Schiffe zu. Jim schaute aus dem Fenster. Die Detonationen der Gamma-Laser sollte er aus dieser Entfernung erkennen können.
Tatsächlich blitzte es kurz darauf an unterschiedlichen Stellen auf. Dann ein Blitz, unglaublich hell! Jim wandte den Kopf ab und schloss die Augen. Es wirkte, als würde das Licht geradewegs durch die Wände des Raumschiffes und seine Augenlider strahlen.
Jason schrie auf. »Feind zerstört! Feind zerstört!«
Jim zwang sich, die Augen zu öffnen. Eine riesige rote Sonne stand vor ihm im Raum. Er beugte sich über die Anzeige des Radars. Tatsächlich! Sie hatten einen der Angreifer vernichtet.
Jim stieß die Faust in die Höhe. Er hätte jubeln mögen.
Der synchronisierte Angriff hatte Wirkung gezeigt. Jetzt wussten sie, wie sie den Gegner aufhalten konnten.
Vor den Fenstern blitzte es wieder auf und im selben Moment verschwanden drei weitere Punkte eigener Raumschiffe. Noch fünfzehn übrig. Würde das reichen gegen die verbleibenden vier Gegner?
»General McLean hier. Die Schiffe Pacifica
, Aldrin
und Boston
wiederholen den Synchronangriff auf Gegner Bravo. Raketen und Laser ausschleusen in drei, zwei, eins ...«
Feuer loderte vor dem Fenster. Die Pacifica
, die Aldrin
und die Maryland
verschwanden vom Radar.
Scheiße! Die knallen uns schneller ab, als wir zurückschießen können.
»Boston
, Oakland
, Trump
. Gemeinsamer Angriff jetzt!« Die Stimme des Generals blieb ruhig.
Jim sah die Detonationen der Gamma-Laser. Und wieder brannte das All. Sie hatten einen weiteren Angreifer vernichtet.
Der Lautsprecher rauschte. »Sofort der nächste Angriff! Seattle
, Mississipi
und Los Alamos
. Gegner Charly.«
Ein weiteres Angreiferschiff verging im Inferno. Allerdings verschwanden zeitgleich mehrere ihrer eigenen Schiffe.
Zwei übrig. Bald würde die Billings
in Reichweite kommen. Jim musste das Raumschiff anders ausrichten, um das Ausschleusen der Waffen zu erleichtern. Er wollte den Steuerknüppel greifen, bemerkte erst jetzt, dass seine Hände zitterten, als habe er Schüttelfrost. Er atmete tief ein und wieder aus. Er musste sich beruhigen. Wenn er in der Aufregung Fehler beging, würde das niemandem helfen, am allerwenigsten ihm selbst. Mit kurzen Stößen aus den Lageregelungstriebwerken rotierte er das Schiff um seine Längsachse.
»Die Michigan
ist auch Geschichte«, schrie Jason.
»Eisenhower
, Delaware
und Huron
. Waffen ausschleusen. Ziel Gamma. Jetzt!«
Jim wollte aus dem Fenster schauen, um zu sehen, ob der Angriff Erfolg hatte, aber er musste seine eigenen Waffen vorbereiten. Er evakuierte die Luft aus den zu Waffenschächten umfunktionierten Laderäumen des Nutzlastmoduls und öffnete die Klappen. Dann löste er die Sicherungsklammern von den Ausstoßfedern und aktivierte die Systeme der einzelnen Waffen.
Ein gigantischer Blitz. Jim blickte auf das Radar. Zusammen mit dem vorletzten Gegner verschwanden vier ihrer eigenen Schiffe. Außerhalb des Fensters hatte der Weltraum eine rötliche Farbe angenommen. Als flögen sie durch einen blutgetränkten Nebel.
Nur noch vier eigene Schiffe. Mit der neuen Taktik hatten sie eine Chance. Aber nur eine!
Ein rotes Licht auf der Radarkonsole zeigte an, dass der Gegner nun in Reichweite kam.
»Lexington
, Spirit
und Billings
. Waffen raus auf den verbliebenden Gegner. Jetzt!«
Jim hieb auf den roten Knopf auf der Waffenkonsole.
»Was zum ...?«, schrie Jason.
Eine Fehlermeldung erschien auf Jims Statusbildschirm. »Die Sicherung von Bus A ist rausgeknallt. Schalte um auf das Ersatzsystem.«
Vor den Fenstern flackerte es auf. Die Waffen der anderen Schiffe hatten gezündet. Aber das feindliche Schiff flog unbeirrt weiter. Sie hatten es getroffen, aber nicht zerstört.
Scheiße!
Es war gut möglich, dass der Angriff gelungen wäre, wenn die Billings
ihre Waffen pünktlich gefeuert hätte.
»Billings
! Sie müssen Ihre Waffen ...« Die Stimme des Generals brach ab. Sein Schiff war zusammen mit den letzten drei anderen vom Radar verschwunden. Und das feindliche näherte sich rasend schnell. In wenigen Sekunden würde es sie passieren. Es würde jeden Augenblick mit den Plasmakanonen auf die Billings
feuern.
Jim verkrampfte sich. »Was ist mit dem Ersatzsystem?«, schrie er.
»Online! Jetzt!«
Jim hieb erneut auf den Knopf. Die Anzeige wechselte von Rot auf Grün. Die Waffen waren draußen und die Automatik zündete die Triebwerke. Die kleinen Punkte ihrer Atomraketen hetzten auf den Gegner zu. Bevor sie die Gamma-Laser zünden konnten, mussten sie erst die Sicherheitsentfernung von fünf Kilometern passieren.
Das feindliche Schiff war fast heran. Jim blickte aus dem Fenster. Da war ein bläulich schimmernder Punkt, der rasch größer wurde. Für einen kurzen Moment war der Angreifer in weißes Licht gehüllt.
Die Atomraketen – sie hatten getroffen!
Aber was ...?
Da war ja immer noch ein Echo auf dem Radarschirm!
Der Angreifer war nicht vernichtet. Er musste beschädigt sein, glühte an mehreren Stellen. Immerhin!
Der Feind raste geradewegs auf sie zu, würde gleich mit ihnen zusammenstoßen.
Jim schrie auf und hieb auf den Knopf für die Zündung der Gamma-Laser.
Der Weltraum verwandelte sich in ein Inferno von Licht und Feuer. Jim schloss die Augen. Doch diesem alles durchdringenden Licht konnte er nicht entkommen. Hitze auf seiner Haut, sein Gesicht brannte.
Auch Jason schrie.
Jim wartete, dass er verging. Zusammen mit seinem Schiff im Feuer der Fremden.
Doch er lebte immer noch. Er konnte denken. Fühlen.
Die Hitze ließ ein wenig nach und Jim zwang sich, die Augen zu öffnen.
Die Helligkeit. Das Feuer draußen. Es wurde schwächer. Dann war plötzlich nur noch ein blutrotes Glimmen im All übrig.
Jims Augen tränten, er konnte die Instrumente nicht klar erkennen. Er blinzelte. Der Radarschirm war leer. Der Angreifer vernichtet.
Die Billings
das einzige übriggebliebene Schiff.
Auf dem Bildschirm der Schiffsysteme leuchteten viele Anzeigen in Gelb und Rot.
Jim wandte den Kopf. Jasons Gesicht glühte wie nach einem ganz üblen Sonnenbrand. »Du bist so rot ...« Jim begriff, dass er genauso aussehen musste.
Jason hielt kurz den Augenkontakt und studierte dann einen seiner Monitore. »Wir haben eine ganz schöne Dosis Strahlung abbekommen.«
Jim schluckte. »Eine kritische Dosis?«
Jason studierte erneut den Bildschirm. »Nein. Aber mehr hätte es auch nicht sein dürfen. Etwa ein Sievert. Uns erwarten üble Kopfschmerzen und uns wird schlecht werden, bis wir kotzen, aber wir werden nicht daran sterben.«
Jim blickte wieder aus dem Fenster. Sie hatten es geschafft. Ihr Schiff, obwohl beschädigt, würde sie wieder zur Erde bringen. Sie hatten gewonnen und den unheimlichen Gegner besiegt. Aber es war ein teuer erkaufter und knapper Sieg gewesen.
Nun hing alles von dem Einsatz seines Vaters auf Minos B ab. Jim blickte auf das Mikrofon des Funkgeräts. Er traute sich gar nicht, nachzufragen.
Doch die Erde musste über den Sieg informiert werden. Er seufzte und richtete die Hochleistungsantenne auf die Erde aus.
»Portland, hier ist die Billings
, kommen.«
Er wartete lange Sekunden auf eine Antwort, dann räusperte sich Jason. Natürlich! Sie waren immer noch eine halbe Lichtstunde von der Erde weg. Ein direktes Gespräch war unmöglich.
Erneut schaltete Jim das Mikro ein und erstattete der Erde einen detaillierten Bericht. Er würde die Menschen zu Hause in einer halben Stunde erreichen.
Anschließend löste er die Gurte, schwebte zu Jason und schüttelte ihm die Hand.
Dann warteten sie auf eine Antwort von der Erde.