Irgendwann fragte ich mich, wie wir in den Tagen, bevor Grant zu uns gestoßen war, alles allein geschafft hatten. Er wohnte bei uns und aß auch alle seine Mahlzeiten hier, nur sonntags ging er manchmal aufs Land seines Vaters zurück. Vater war damals stolz auf ihn und benahm sich, als gereichte Grants Stärke ihm selbst zur Ehre; schien zu glauben, dass ihm Anerkennung dafür gebührte. Grants Kraft kam von seiner Länge, seinen beweglichen Armen, und manchmal fragte ich mich mit Merle, wie es ihm gelang, seine schlackernden Gelenke und Knochen fest und koordiniert genug zu bewegen, um das, was er tat, zu bewerkstelligen. »Er sieht aus wie ein dürrer langästiger alter Baum«, sagte sie einmal zu mir. Dad war in der Nähe und drehte sich auf dem Absatz zu ihr um. »Das steht dir nicht zu«, brüllte er. »Grant sieht rechtschaffen gut aus – besser als die meisten!« Merle sagte, vielleicht habe er recht, und solange Grant seine Arbeit tue, könne er aussehen wie ein Pfosten oder sonst irgendwas, es sei ihr egal. Sein Gesicht sei so ansehnlich, wie es bei einem Mann eben möglich sei, weil sie ja nicht die Mittel hätten, hübscher zu wirken, so wie Frauen. Vater starrte sie an, schien aber nicht so schnell zu begreifen, was sie meinte. Er dachte, weil sie lächelte, müsse es wohl in Ordnung sein und schmeichelhaft genug, und vertraute darauf, dass sie nicht spottete.

»Männer sind sich alle gleich«, sagte Merle. »Er wird auch nicht anders sein, das werden wir merken. Sie gleichen sich wie die Tümpel. Scheinen aber zu glauben, dass schon ihre Geburt sie zu Göttern macht.«

So redete sie, nicht boshaft, sondern überzeugt, bis zu einem Tag in jener ersten Woche, als er mittags heimkam und sie beim Waschen antraf. Er ging müde und langsam, wie Dad, nur sein Gesicht war lebendiger. Er lächelte nie viel, aber wenn, dann stark und warmherzig, und sein ganzes Gesicht hellte sich dabei auf (»geht an«, sagte Merle). Er hatte gepflügt und sah halb verhungert aus, und sein Hemd war schweißgetränkt. Merle war auch müde, ihre schallende Stimme weniger laut, bis ihr Singen nur noch ein Krächzen war, und sie bewegte nur kurz den Kopf zum Gruß. Grant setzte sich mit seinem vollen Gewicht auf die Stufen, so wie Vater es machte – als wäre er für immer dort eingesunken. Merle wrang die Handtücher aus, zog dann die Hemden heraus und hängte sie über den Rand, damit er sah, dass es seine waren.

Grant schnellte hoch, ging zu ihr und sagte, sie solle ihn den Rest machen lassen. »Ich hab gerade Zeit dafür«, sagte er. »Lass mich die alten Lumpen rausnehmen.« Merle wurde rot wie Rost und wollte schon grob werden – »Was soll das?«, fing sie an. »Haben Sie’s so eilig mit dem Essen?«, konnte es aber gerade noch vernuscheln. Grant griff sich drei Hemden auf einmal und wrang sie zusammen aus. Quetschte die Knöpfe kaputt. Dann warf er sie über die Leine und trat einen Schritt zurück, grinsend, rot und verlegen. Sie waren schon trockener als das Hemd, das er am Leib trug. Merle setzte sich auf die Stufen, sackte erschöpft gegen den Pfosten und sagte, er solle die Overalls herausholen. Ich denke, sie hielt ihn für ein bisschen verrückt, hoffte aber, er würde fertig werden, bevor der Zauber verging. Grant wrang den Rest aus und leerte die Bottiche, und sie starrte ihn an, als wäre er ein merkwürdiger Dinosaurier oder Ghul. Ich konnte regelrecht sehen, wie sie ihre Meinung änderte, wie ein harter Kern in ihr weicher wurde. »Sie sind besser als die meisten«, sagte sie. »Ein Mann zu sein ist für Sie vielleicht nicht die einzige Entschuldigung, die Sie zum Leben brauchen.«

»Eine schlechte ist es nicht«, sagte Grant. Er sah sie an und lachte und fragte dann, ob sie nicht reingehen und anfangen wolle zu kochen.

»Sie haben umsonst gearbeitet«, sagte Merle, »wenn Sie deshalb helfen wollten. Marget hat schon alles fertig.« Sie sagte es schnippisch, war aber weder ärgerlich, noch meinte sie es so. Und ich sah, wie Grant sie beobachtete, als sie wegging – mit einem irgendwie erfreuten Ausdruck auf dem müden Gesicht.